Samstag, 20. April 2024

Archiv

Vandalismus bei Ausstellung über jüdische Sportler
"Mit großer Wahrscheinlichkeit eine politische Tat"

Bei der historischen Ausstellung über jüdische Stars im deutschen Sport sind in Bochum zwei Plexiglasfiguren von jüdischen Sportlern zerstört worden. Organisatoren und die Stadt gehen von einem antisemitischen Hintergrund aus, auch weil sich die Tat am Jahrestag der Reichspogromnacht ereignete.

Von Ines Grunow | 12.11.2020
Lebensgroßes Bild der Schwimmerin Sarah Poewe, erste jüdische Athletin, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine olympische Medaille für Deutschland errang, bei der Freiluft-Ausstellung "Zwischen Erfolg und Verfolgung. Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach" im Juni 2017 in Frankfurt am Main
Lebensgroßes Bild der Schwimmerin Sarah Poewe bei der Freiluft-Ausstellung Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach" im Juni 2017 in Frankfurt am Main (Frank Rumpenhorst / dpa)
Entsetzen bei der Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes: Auf ihre Initiative hin war die Ausstellung 2015 entstanden. Aber nicht nur dort. Die lebensgroße Plexiglasfigur der Leichtathletin Lilli Henoch und die Figur der Turnolympiasieger Alfred und Gustav Felix Flatow sind zerstört worden. Mitten in der Bochumer Innenstadt und das an diesem Datum. Für Olliver Tietz von der DFB-Kulturstiftung kein Zufall:
"Gerade dieser Zeitpunkt, der Jahrestag der Reichspogromnacht, lässt einen natürlich zusammenzucken. Aber gemeinsam mit den zuvor begangenen antisemitischen Beschmierungen und dem Datum war uns schon klar, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine politische Tat handelt."
Schon vorher Attacken auf die Ausstellung
Schon kurz davor sind zwei Ausstellungsstücke in Bochum beschmiert worden. Und auch an früheren Stationen hat es Zerstörungen gegeben. Für Olliver Tietz Teil einer traurigen Realität:
"Dass es Antisemitismus gibt, im Sport, in der Gesellschaft, nicht nur in Deutschland, auch in Europa und anderswo, das ist nachvollziehbar. Das sieht man. Und insofern stellen wir uns auch mit dieser Ausstellung in diese politische Diskussion direkt hinein. Auch an öffentlichen Orten, wir sind nicht versteckt hinter Museumsmauern. Die Ausstellung platziert sich öffentlich, im öffentlichen Leben. Insofern überrascht es nicht, dass es auch eine solche Reaktion geben kann. So bewusst muss man sich der Situation sein."
Ausstellungsstücke robust gefertigt
Unter anderem auch deswegen waren die Ausstellungsstücke robust gefertigt worden. Ein leichtsinniger Stoß hätte nicht ausgereicht, um die Figuren zu zerstören, sagt Tietz:
"Diese Ausstellung ist schon für die Öffentlichkeit gebaut. Sie ist ziemlich massiv. Insofern braucht es auch eine enorme physische Gewalt, um diese Figuren zu zerstören. Das macht man nicht einfach durch ein leichtes Schubsen. Man muss schon sehr stark dagegen treten. Und ein solcher starker physischer nächtlicher Angriff gemeinsam mit dieser zeitlichen Koinzidenz. Das schockiert einen schon."
Bochums OB: "Das ist das Allerletzte"
Auch bei der Stadt Bochum ist man entsetzt. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hatte die Ausstellung Anfang Oktober eröffnet:
"Die mutwillige Zerstörung der Figuren dieser wichtigen Ausstellung macht uns fassungslos. Das ist das Allerletzte. Bochum war und wird eine weltoffene und tolerante Stadt bleiben, in der Erinnerungskultur immer einen Platz hat. Ohne jede Frage."