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Vater unser

Jede Frau ist eines Vaters Tochter. Für die kleine Tochter ist der Vater der erste Mann in ihrem Leben, die erste große Liebe, mächtig genug, die Welt in Himmel oder Hölle zu verwandeln, seine Töchter zum Leben zu ermutigen oder sie klein und unsicher zu machen, bis ins Erwachsenenleben hinein. Beziehungen von Töchtern und Vätern sind voller Liebe und Zärtlichkeit, Macht und Abhängigkeit, Angst und Abwehr, Abwesenheit und Sehnsucht, kühler Distanz und Fremdheit.

Von Nora Bauer | 19.05.2007
    Sie sind beherrscht von Verständnis und Unverstandensein, schwierigen Befreiungsversuchen und ungelösten Konflikten. Wie sie angefangen haben bleiben sie meist, ein Leben lang, und alle anderen Beziehungen im Leben einer Tochter sind von dieser ersten Liebe geprägt. Die schwierigste Einsicht ist oft, dass der große Mann auch verletzlich, schwach, unzuverlässig, mit Fehlern behaftet und am Ende auch noch sterblich ist.

    Dass Gründe, die außerhalb seiner Person liegen in die Beziehung hineingreifen, ihn oft oder immer abwesend sein lassen, den Kontakt zerstören und die Bindung unlebbar machen. Jede Beziehung zwischen einer Tochter und ihrem Vater ist einzigartig, ein Präzedenzfall, aber irgendwo in der Menge aller Gespräche, in der Vielfalt aller Erinnerungen, den Märchen und Mythen, findet sich vielleicht eine versteckte Wahrheit über die Bedeutung dieser Beziehung, dies es zu entschlüsseln gilt.
    "Vaterverlust ist immer ein Trauma, das ist ein schwerer Einbruch in die Familiensituation, . ...Die enormen Verlassenheitsängste, die Trauer, die Depressionen bei Kindern, wenn dann der Vater verloren geht, ... sie entwickeln psychische Erkrankungen, psychische Angstzustände, Depressionen, psychosomatische Beschwerden, späterhin in der Pubertät Anorexie-Problematik, die Bulemie, alles das hat häufig mit solchen Traumen zu tun, ... Mädchen leiden ein Leben lang, und leiden ein Leben lang auch unter der Sehnsucht nach diesem Vater und es gibt inzwischen viele Bücher darüber, wie Frauen sich auf die Suche gemacht haben, ihre verlorenen Väter zu finden." (Horst Petri)
    Professor Dr. med. Horst Petri war viele Jahre Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und lehrte Psychotherapie und Psychosomatik an der FU Berlin. Heute arbeitet er als Psychoanalytiker und freier Autor in Berlin. Sein aktueller Text trägt den Titel: Eltern und Kinder zwischen Bindung und Freiheit.

    "Meine Lieblingsbeschäftigung mit meinem Vater war Quatsch machen - wenn er Quatsch gemacht hat ... also dann hat er geblökt wie ein Schaf und hat Fratzen geschnitten und dann durfte ich auf ihm rumklettern und Pferd spielen, ihn am Ohr ziehen."
    (Carola Bauckholt)
    "Ich saß irgendwo im Flugzeug und konnte nicht aus dem Fenster gucken und dann hat mein Vater mich auf den Schoß genommen und mir gezeigt, wie es draußen aussieht und ich kann mich erinnern an die Wolken, die ich von oben gesehen habe und war sehr zufrieden und geborgen, bei ihm auf dem Schoß. "
    (Nina Müller)
    "Lego ... da war ich vielleicht so sechs oder fünf, ... immer wenn ich irgendwas gesehen hab, was ich total toll fand, dann immer: 'Papa, kannst du mir das mit Lego nachbauen', also mit so Duplo-Steinen, das hat mir eigentlich immer Spaß gemacht."
    (Anne Reuber)
    In der 1. Stunde hören Sie Texte aus dem ersten Buch Moses und dem Buch der Richter im Alten Testament, dem Buch 'Judith' aus den apokryphen Büchern der Bibel, den Märchen 'Das Mädchen ohne Hände' und 'Allerleirauh' aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, der Sage 'Apollinaris' aus der Sammlung Gesta Romanorum, 'Iphigenie in Aulis' von Euripides, 'König Lear' von William Shakespeare, 'Maria Magdalena' von Friedrich Hebbel und Gedichten von Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Güll, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Martin Luther, Wilhelm Raabe, Friedrich Rückert und Heinrich Seidel.
    Die 2. Stunde bietet Ihnen Texte von Ingeborg Bachmann, Renate Feyl, Marina Fischer-Kowalski, Klaus Goch, Gabriele Göbel, Leopold Friedrich Goeckingk, Katrine von Hutten, Karl Krolow, Astrid Lindgren, Eleanor Marx, Silvia Plath, Nathalie Sarraute, Chasseguet - Smirgel, Ingrid Strobl und Ludwig Uhland.
    In der 3. Stunde rundet die Autorin die Lange Nacht über Väter und Töchtet an mit Texten und Gedichten von: Gerhard Amendt, Nicolas Born, Günter Eich, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Robert Gernhardt, Gabriele Göbel, Heiner Müller, Michaela Seul und Diane Wakowski.
    Literaturauswahl der Autorin:

    Väter unser
    Susanne Feigl, Elisabeth Pablé, Hrsg. / Edition S, Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien, 1988
    Scheidungsväter
    Gerhard Amendt, Campus Verlag, 2004
    Kindheit
    Nathalie Saurraute, Kiepenheuer & Witsch, 2000
    Töchter berühmter Männer
    Luise F. Pusch Hrsg., Insel Taschenbuch, 1988
    Das Drama der Vaterentbehrung
    Horst Petri, Herder, 1999
    Vater und Ich
    Helga Häsling, Ingeborg Mues, Hrsg., Fischer Verlag 1993
    Kindheit im Gedicht
    Dieter Richter Hrsg., Fischer verlag 1992
    Bin ich denn nicht auch Kind gewesen
    Walter Flemmer Hrsg., Piper München1986
    Traumtext Oktober 1995
    Heiner Müller / Die Prosa / Werke 2
    Suhrkamp Gesamtausgabe 1999
    Die Vaterfalle
    Sigrid Steinbrecher, Rowohlt 1992
    Töchter und Väter
    Linda Leonhard, Fischer Taschenbuch Verlag, 1994
    Vatermänner
    Julia Onken, C.H. Beck Verlag, 1993
    Gute Väter - selbstbewusste Töchter
    Nicky Marone, 1992
    Töchter berühmter Männer
    Luise Pusch, Hrsg. Insel Verlag, 1986
    Vom Vater verwundet
    Hildegunde Wöller, 1991
    Jokastes Kinder
    Christiane Olivier, 1989
    Der Cinderella-Komplex
    Colette Dowling, 1991
    Vater und Tochter: Identifizierung mit Differenz
    Jessica Benjamin + Margarete Mitscherlich, Stuttgart 1992
    Vater unser
    Marilyn French, Goldmann, München, 1996
    Väter. Schriftstellerinnen schreiben über ihre Väter
    Heyne Verlag, Müchen, 1986
    Heldentöchter
    Antje Dertinger, Dietz Verlag, Bonn, 1997
    Vatertöchter - Muttertöchter
    Ute Karen Seggelte, Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2004

    Die meisten Titel befinden sich auch im FrauenMediaTurm, Köln zu erreichen über
    info@FrauenMediaTurm.de
    Der FrauenMediaTurm (FMT) ist ein Informationszentrum zur Geschichte der Emanzipation, ein Hort des lebendigen Gedächtnisses von Frauen. Er wird genutzt von Wissenschaft, Medien und Politik. frauenmediaturm.de