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Vatikan 2017
Viel Gegenwind für den Papst

Vage Hoffnung für die einen, diffuse Drohung für die anderen: Die Reformen in Rom gehen vielen Außenstehenden zu langsam - und Mitarbeiter der Kurie beklagen ein zu taktloses Vorgehen. Im Ausland kommt Papst Franziskus allerdings besser an.

Von Jan-Christoph Kitzler | 29.12.2017
    Papst Franziskus spricht am 25.12.2017 vom Balkon des Petersdoms im Vatikan den Segen "Urbi et Orbi".
    Auch 2018 wird Papst Franziskus für die Umsetzung der Reformen einen langen Atem brauchen (AP / Alessandra Tarantino)
    2017 war ein eher zähes Jahr. Das sieht wohl auch Papst Franziskus so. In seiner Weihnachtsansprache an die Kurie hat er jedenfalls Einblick in seine Gefühlslage gegeben - und gleichzeitig angedeutet, was er noch vor sich hat in Sachen Reform:
    "In Rom Reformen zu machen ist, wie wenn man die Sphinx in Ägypten mit einer Zahnbürste reinigt. Das sagt, wie viel Geduld, Hingabe und Taktgefühl man braucht, um dieses Ziel zu erreichen."
    Hohe Kurienvertreter abgesetzt
    Vielen, die den Papst von außerhalb Roms beobachten, gehen die Reformen zu langsam, sind sie zu vage. Und viele Mitarbeiter an der Kurie beklagen sich ausgerechnet über mangelndes Taktgefühl unterwegs. An der Tür zur Wohnung des Papstes im vatikanischen Gästehaus Santa Marta, wo er seit dem Konklave 2013 wohnt, hängt ein Schild, auf dem steht: "Jammer verboten." Das gilt auch für hohe Kurienvertreter, die von Franziskus in diesem Jahr spektakulär de facto abgesetzt wurden. Kardinal George Pell zum Beispiel war bis zum Sommer eine Art Superminister im Vatikan, zuständig für Wirtschaft und Finanzen. Doch Franziskus hat ihn nach Australien geschickt, damit er sich dort in einem Kindesmissbrauchsverfahren gegen ihn verteidigen kann. Pell, ein durchsetzungsstarker Australier, wird nach allem was man hört nie wieder nach Rom zurückkehren. Aber er nahm es sportlich:
    "Ich freue mich darauf, endlich vor Gericht erscheinen zu können. Ich bin unschuldig, die Anschuldigungen sind falsch. Ich verabscheue die bloße Idee sexuellen Missbrauchs. Ich habe Papst Franziskus, den Heiligen Vater, in dieser Zeit regelmäßig informiert und mit ihm bei einer Reihe von Gelegenheiten gesprochen, gerade erst vor einem Tag. Wir haben darüber gesprochen, dass ich gehen muss, um meinen Namen reinzuwaschen."
    Ganz anders reagierte da Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der seit Sommer ohne festen Job ist. Da wurde er als Präfekt der Glaubenskongregation, also als oberster Hüter der Katholischen Lehre, nicht verlängert. Warum versteht er bis heute nicht - und das sagt er auch offen in zahlreichen Interviews:
    "Insofern war das für mich eigentlich nicht verständlich. Und viele, viele Kardinäle, Bischöfe, Theologen aus der ganzen Welt haben mir gesagt, dass sie diese Entscheidung nicht verstehen."
    Papst Franziskus hat in seiner Weihnachtsansprache Kardinal Müller zwar nicht direkt angesprochen - er konnte sich aber durchaus angesprochen fühlen:
    "Die Verräter des Vertrauens oder die Profiteure der Mütterlichkeit der Kirche: Sie lassen sich von Ehrgeiz oder Ruhmessucht korrumpieren. Und wenn sie dann sachte entfernt werden, dann erklären sie sich fälschlicherweise zu Märtyrern des Systems, des nicht informieren Papstes - anstatt das 'mea culpa' aufzusagen."
    Versteckte und offene Kritik am Papst
    2017 war das Jahr, in dem Papst Franziskus so heftigen Gegenwind wie noch nie bekommen hat. Vielleicht auch deshalb seine heftigen Worte. Im Februar machte eine gefälschte Ausgabe der Vatikanzeitung Osservatore Romano die Runde. Wenige Wochen zuvor hatten Unbekannte in Rom zahlreiche Plakate aufgehängt, die den Papst in ein schlechtes Licht setzen sollten. Die Kritik richtet sich am Ende auch gegen die angebliche Oberflächlichkeit. Die einfachen pastoralen Gesten, die Franziskus so liebt, sind Wächtern der reinen Lehre, wie Kardinal Müller ein Graus.
    "Es geht ja eigentlich nicht um irgendwelche Sensationen. Das und das ist zum ersten Mal gemacht worden. Es wäre besser, die Glaubensbotschaft des Papstes zu hören und darauf zu achten, das im eigenen Leben umzusetzen, als sozusagen mit sekundären Aufmerksamkeitselementen den Papst populär zu machen mit schwarzen Schuhen und Santa Marta."
    Es läuft längst nicht alles rund im Vatikan: So haben in diesem Jahre die letzten Vertreter der Opfer die päpstliche Missbrauchskommission verlassen. Sie beklagen sich unter anderem über eine Blockadehaltung der päpstlichen Behörden.
    Hoffnungsträger im Ausland
    Fast wohltuend waren da die vier Auslandsreisen - hier war Papst Franziskus in seinem Element. Das zentrale Thema war meist Versöhnung: in Ägypten zwischen den Religionen, im Konflikt mit den Rohingya in Bangladesch und Myanmar - und in Kolumbien zwischen Rebellen und der Regierung. Hier kam der Papst jeweils als Hoffnungsträger:
    "Sich versöhnen heißt, allen, die das Drama des Konflikts erlebt haben, eine Tür zu öffnen. Wenn die Opfer die verständliche Versuchung zur Rache überwinden, werden sie zu den glaubwürdigsten Vertretern der Prozesse zum Aufbau des Friedens. Es ist nötig, dass einige den Mut fassen, den ersten Schritt in diese Richtung zu tun, ohne darauf zu warten, dass die anderen es tun. Es genügt eine gute Person, damit es Hoffnung gibt!"
    Diese Botschaft kam an und sorgte für Begeisterung. Doch in Rom erwartet den Papst auch 2018 eher Graubrot. Er braucht auch im neuen Jahr einen langen Atem. Damit die Reform der Kurie mehr ist, als eine eher vage Hoffnung für die einen und eine diffuse Drohung für die anderen.