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Ventilatoren-Hersteller Ziehl-Abegg
Luft für den Viren-Kampf in Wuhan

Zur Bekämpfung des Coronavirus entstehen in der chinesischen Metropole Wuhan in kürzester Zeit provisorische Krankenhäuser. Diese Kliniken erhalten auch Ventilatoren des baden-württembergischen Maschinenbauers Ziehl-Abegg.

Von Uschi Goetz | 07.02.2020
    Ein Arbeiter montiert am 29.10.2012 im Werk 4 der Ziehl-Abegg AG in Künzelsau (Baden-Württemberg) einen Ventilator. Foto: Marijan Murat/dpa | Verwendung weltweit
    Ventilatoren-Montage bei Ziehl-Abegg: Lieferungen gehen auch nach Wuhan (dpa)
    "Da werden Einzelteile aus dem ebenen Blech rausgeschnitten, rausgestanzt, die wir hinter biegen und zusammenbauen zu Gehäuse, wo anschließend Ventilatoren drin arbeiten."
    Kommunikationschef Rainer Grill führt durch eine riesige Produktionshalle im baden-württembergischen Kupferzell. Ziehl-Abegg ist unter anderem spezialisiert auf Antriebs- und Regeltechnik, vor allem aber auf die Entwicklung und Herstellung von Ventilatoren:
    "Bei uns ist die Philosophie, möglichst viel selbst zu machen. Das lassen andere bei Vorlieferanten machen, im europäischen Ausland, im asiatischen Ausland, und wir gehen sogar dazu über, dass wir Fertigungstiefe zurück ins Werk holen."
    Die Unternehmensgruppe Ziehl-Abegg gehört der Haller Familie Ziehl. Aufsichtsratsvorsitzender ist Uwe Zieh, der Enkel des Firmengründers. Rund 80 Prozent des Umsatzes macht Ziehl-Abegg außerhalb Deutschlands. Wichtigste Märkte sind dabei USA und vor allem China. Auch dort gibt es ein eigenes Werk:
    "Wir haben in China ein Werk mit insgesamt 450 Mitarbeitern."
    Nur wenige Kilometer sind es von der Produktionshalle bis zum Stammsitz des Unternehmens in Künzelsau. Dort steht Thomas Brommer jetzt im Showroom. An den Wänden hängen große und kleine Ventilatoren, im Hintergrund läuft eine Präsentation.
    Ventilatoren fürs "Sechs-Tage-Krankenhaus" in Wuhan
    An diesem Tag hat der internationale Vertriebsleiter bereits mehrfach mit dem Geschäftsführer des Shanghaier Werks gesprochen:
    "Wir haben jetzt aktuell, ganz kurzfristig, den Auftrag bekommen, für dieses Sechs-Tage-Krankenhaus in Wuhan die Ventilatoren zu liefern. Ich habe heute Morgen von unserem Geschäftsführer erfahren, wir haben die Ware rausbekommen, obwohl an "Chinese New Year" alles zu ist, sind dort die Ventilatoren für das Krankenhaus rausgegangen."
    Sechs-Tage-Krankenhaus nennt Brommer die Klinik in Wuhan, die in kürzester Zeit gebaut werde. Offenbar reicht die Kapazität der vorhandenen Krankenhäuser nicht mehr aus, um mit dem Corona-Virus infizierte Patienten zu behandeln, beziehungsweise Verdachtsfälle abzuklären.
    Trotz des chinesischen Neujahrsfestes ist in wenigen Tagen eine Klinik mit mehr als 25.000 Quadratmetern Fläche gebaut worden. Für saubere Luft sorgen dort ab sofort in Deutschland entwickelte Spezialventilatoren:
    "Unsere Ventilatoren sind speziell auch für Hygieneanwendungen entwickelt worden. Wir haben einen speziellen Kunststoff auf unseren Ventilatoren, der antibakteriell ist. Das ist die moderne Methode, um in Krankenhäusern zu belüften."
    Erklärt Thomas Brommer und hält einen kleinen Prototyp in der Hand. Zusammen mit Kommunikationschef Rainer Grill steuern die beiden jetzt auf einen etwa zehn Meter großen, quadratischen Raum zu.
    "Jetzt gehen wir in den weltgrößten, kombinierten Mess- und Prüfraum für Ventilatoren. Wir messen hier zeitgleich Akustik und Leistung von Ventilatoren."
    Ventilatoren, die keiner hört
    Rainer Grill betritt den Raum, indem keine Geräusche mehr zu hören sind. Mikrofone hängen in der Luft, die Wände sind mit keilförmigen Schallschluckern ausgekleidet.
    "Die Akustik ist weg, hier ist alles still. Wir haben hier einen Ruhepegel von 15 Dezibel. Das heißt, deutlich unter dem, was Sie hören können. Und hier messen wir Ventilatoren auf Herz und Nieren, um festzustellen, wie leise sind sie, wie leise sie auch in Geräten sind."
    Das Unternehmen erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 630 Millionen Euro. Im Unterschied zu anderen Maschinenbauern stehe Ziehl-Abegg zurzeit gut da, sagt Thomas Brommer:
    "Wir haben ganz stark angefangen in 2019, haben dann einen Durchhänger gehabt und sind im letzten Quartal wieder auf ein für von uns akzeptables Wachstum gekommen im Auftragseingang. Unser Umsatz lief in 2019 noch sehr gut, der Auftragseingang hat sich abgeschwächt, aber wir sind deutlich weg von einem Minus, was der deutsche Maschinenbau in der Summe zeigt."
    Mundschutz in Japan geordert
    Weltweit arbeiten etwa 4300 Mitarbeiter für das Unternehmen, knapp die Hälfte davon in Deutschland. Im Moment habe man einen besonderen Fokus auf die Mitarbeiter in China. Sobald die Beschäftigten in Shanghai aus dem verlängerten Neujahrsurlaub zurückkehren, bekommen alle einen Mundschutz. 2.000 Stück sind gerade von Japan nach Shanghai unterwegs, weitere kommen aus Deutschland:
    "Hier bei unserem Einkauf haben wir 5.000 geordert. Und jetzt müssen wir einmal schauen, ob es die richtigen sind, was die genau benötigen. Aber wir haben jetzt das, was wir machen konnten, auf Basis unseres rudimentären Wissens, eingeleitet."
    Sorgen um die Mitarbeiter in China
    Im Moment verlassen die Mitarbeiter, darunter fünf deutsche, nur ihre Wohnungen, um Essen zu besorgen. Am 10. Februar soll der Betrieb wieder anlaufen, dann sind auch die verlängerten Ferien um das Neujahrsfest vorbei. Die nächsten Aufträge warten schon:
    "Die Sensibilität in China für diese Art von Ventilatoren für Krankenhäuser ist sehr stark gestiegen. In Europa ist unser Konzept, ich nenne es jetzt einmal unser Konzept, Standard. In China ist es noch die Nische für die Spezialisten. Aber wir haben trotz Chinese New Year sehr viele Anfragen bekommen für Modernisierung, Umbau bestehender Krankenhäuser auf die neue Technologie. Weil ein ganz großer Vorteil haben unsere Ventilatoren - neben dem, dass sie sehr leise sind und einen geringen Energieverbrauch haben, sie sind gut zu reinigen."
    Mitte Mai soll in Wuhan eine große Fachmesse für die Einrichtung von Krankenhäusern stattfinden. Das deutsche Unternehmen Ziehl-Abegg ist zumindest angemeldet. Ob die Messe überhaupt stattfinden kann, das mag zurzeit noch keiner vorhersagen.