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Verabschiedung von der kommunistische Vergangenheit

Als Oppositionspartei zu den Christdemokraten spielte die Kommunistische Partei Italiens eine Hauptrolle im politischen Leben des Landes. Nach dem Fall der Berliner Mauer suchte sie eine neue, eine sozialdemokratische Identität - und wurde am 03. Februar 1991 aufgelöst.

Von Henning Klüver | 03.02.2011
    Am 3. Februar 1991 ging in Rimini der 20., der letzte Parteikongress der Kommunistischen Partei Italiens zu Ende. Die Delegierten, die zwei Tage vorher angereist waren, kamen in eine winterlich kalte Stadt. Libero Traversa aus Mailand war einer von ihnen:

    "Ich konnte mit einem anderen Delegierten in einer Wohnung übernachten, die lag in der 25. Etage eines Hochhauses von Rimini. Unter uns war der Nebel. Der Nebel hatte Rimini verschluckt. Und die Partei. Von oben war nichts mehr zu sehen. Es gab keine Kommunistische Partei mehr, keinen Kongress, nichts."

    Auf dem Parteitag standen sich unter den mehr als tausend Delegierten zwei Blöcke feindlich gegenüber. Der eine wurde vom Generalsekretär der KPI, Achille Occhetto, angeführt, der für die Gründung einer neuen politischen Formation plädierte. Der andere Block lehnte diesen Vorschlag ab, der zugleich die Auflösung der Kommunistischen Partei bedeutet hätte, und setzte sich für eine Reform der KPI ein. Achille Occhetto erinnert sich:

    "Es gab auch auf menschlicher Ebene harte Gegensätze, zumal wir als Partei nicht gewohnt waren, Konflikte öffentlich auszutragen. Wir haben alle gelitten. Es ging mir nah, wie sich Genossen so unerbittlich, so tief auseinandersetzten."

    Als sich Italien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine neue Verfassung gab, wurde dieser demokratische Prozess aktiv von den Kommunisten unterstützt. Die KPI, die sich zur größten kommunistischen Partei Westeuropas entwickelte, blieb jedoch wegen ihrer ideologischen Ausrichtung von der Regierungsmacht in Rom ausgeschlossen.
    Bereits Anfang der 80er-Jahre suchten reformwillige Teile der Partei, eine neue, eine Art sozialdemokratische Identität. Es ging in einem veränderten politischen Klima vor allem um eine Annäherung an die sozialistische Partei im Land, von der sich die Kommunisten unter Antonio Gramsci 1921 in Livorno abgespalten hatten. Und - in europäischer Perspektive - um eine Annäherung an die Sozialistische Internationale. Wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer, Mitte November 1989, kündigte Generalsekretär Achille Occhetto bei einem Treffen von Widerstandskämpfern in der Bolognina, einem Stadtteil von Bologna, den Kurswechsel an.

    "Es kommt darauf an, mit demselben Mut voranzugehen, der im Widerstand offenbar wurde. Wir dürfen nicht auf ausgetretenen Pfaden verharren, sondern müssen neue Wege suchen, um die progressiven Kräfte zu vereinigen."

    Und zu diesen neuen Wegen sollte auch ein neuer Name gehören. Diese Rede ging als "Die Wende von Bolognina" in die Parteigeschichte ein. Für viele Genossen, wie für den Mailänder Libero Traversa, war das ein Schock:

    "Zunächst wollten wir das gar nicht glauben. Und dann waren seine Worte nicht ganz klar. Es schien nur um einen neuen Namen zu gehen und nicht um die Existenz der Partei."

    Doch der Generalsekretär wollte mehr. Die kommunistische Vergangenheit sollte in einer neuen Formation unter dem Namen Demokratische Partei der Linken nur noch historische Bedeutung haben. Am Abend des 3. Februar 1991 konnte Achille Occhetto ausrufen:

    "Heute ist ein wichtiger Augenblick für jeden Einzelnen wie für unsere Gemeinschaft. Und es ist ein erinnerungswürdiger Tag für die italienische Politik, denn es ist unsere stolze Aufgabe, neue Horizonte zu eröffnen für die Zukunft von Italien."

    Während die Mehrheit eine neue Partei gründete, rief die Minderheit, zu der auch Libero Traversa gehörte, die Bewegung der Rifondazione Comunista, der "kommunistischen Wiedergründung" ins Leben.

    Livorno 1921, Rimini 1991 – eine siebzigjährige Geschichte war zu Ende.