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"Verantwortlich ist natürlich die Wirtschaft"

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle lädt heute zum "Benzin-Gipfel", um Klarheit zum Thema Biokraftstoff E10 zu schaffen. Die Deutschen rätseln, ob ihre Autos den neuen Sprit vertragen - auch ein Versäumnis der Autohersteller, findet FDP-Politiker Michael Kauch.

Michael Kauch im Gespräch mit Jasper Barenberg | 08.03.2011
    Jasper Barenberg: Und jetzt am Telefon ist Michael Kauch, der umweltpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen, Herr Kauch!

    Michael Kauch: Ja, schönen guten Morgen!

    Barenberg: Ist es Zeit sich einzugestehen, dass die Einführung des neuen Kraftstoffes ein kapitaler Fehler war und ist?

    Kauch: Nein. Ich glaube, was jetzt der Gegenstand des Gipfels ist, ist ja endlich das zu tun, was das Bundesumweltministerium eigentlich vor Einführung des Kraftstoffes hätte machen müssen, nämlich zu erklären, warum wird dieser Kraftstoff eingeführt, was sind mögliche Nebenwirkungen, auch ökologische Nebenwirkungen, und - ganz wichtig für die Verbraucher - ist das für meinen Motor verträglich? Und da sind ganz viele Falschinformationen in der Welt, Halbwahrheiten, und ich glaube, deshalb ist es gut, dass der eigentlich gar nicht zuständige Wirtschaftsminister die Initiative ergriffen hat und gesagt hat, ich hole die jetzt alle an einen Tisch, und wir finden gemeinsam eine Lösung, und das muss heute passieren.

    Barenberg: Das heißt, der Umweltminister hat gepatzt und der Wirtschaftsminister richtet die Sache jetzt?

    Kauch: Ja, wir müssen feststellen, dass die Automobilhersteller bisher nicht bereit waren, klare Aussagen zu treffen. Man hat die Verbraucher teilweise mit unklaren Aussagen allein gelassen. Die Mineralölwirtschaft hat offensichtlich mehr Interesse gehabt, ihr Erdöl, was sie in Ländern wie Libyen oder Saudi-Arabien fördern, zu verkaufen. Und das zusammen führt dann dazu, wo wir heute sind. Und ich glaube, es ist richtig, dass man sich jetzt an den Tisch setzt. Der ADAC hat gestern ja auch sehr deutlich gemacht - das ist ja ein Akteur, der kein wirtschaftliches Interesse an diesem Kraftstoff hat -, dass dieser Kraftstoff eine richtige Option ist, und genau so verstehe ich dieses Angebot auch. Die Politik hat nicht gesagt, die Autofahrer müssen E10 tanken, wir haben nicht gesagt, dass die Mineralölhersteller dieses Angebot zwingend machen müssen. Es ist eine zusätzliche Möglichkeit, die wir als Koalition auch hier den Mineralölgesellschaften gegeben haben, um ihre Biokraftstoffvorgaben zu erfüllen. Und es ist nicht der einzige Weg, man könnte theoretisch die Vorgaben, die die Europäische Union macht, auch mit den bisherigen Treibstoffen erfüllen, wenn man zusätzlich reine Biokraftstoffe ins Angebot nehmen würde. Ich habe gestern beispielsweise mit einem Freund gesprochen, der einen Saab fährt, der ist für 85 Prozent Ethanol zugelassen, und beklagte sich bei mir, diesen Treibstoff bekomme ich nur bei freien Tankstellen, die Markenanbieter haben es nicht im Programm. Und auch das ist eine Frage, wenn die Mineralölkonzerne sagen, sie kriegen E10 nicht los: Es gibt Kunden, die würden gerne auch höhere Biokraftstoffe, Biokraftstoffbeimischungen nutzen, haben es aber nicht im Angebot der Standardanbieter. Und da kann man nicht sagen, na wenn die Leute E10 nicht kaufen, dann müssen wir halt Strafzahlungen zahlen und das Benzin wird teurer. Das ist eine zu einfache Lösung, die Mineralölwirtschaft ist hier auch tatsächlich gefordert, eben ein breites Angebot zu geben und den Kunden auch die Auswahl zu lassen.

    Barenberg: Herr Kauch, Sie haben eben von Fehlern aufseiten der Wirtschaft gesprochen. Was ich noch nicht verstanden habe, ist, wo der Fehler beim Bundesumweltminister liegt?

    Kauch: Na also, verantwortlich ist natürlich die Wirtschaft an dieser Stelle. Sie hat gesetzliche Vorgaben, sie hat mehrere Optionen sie zu erfüllen, E10 oder Reinbiokraftstoffe. Aber es ist natürlich so, dass wir schon mal ein Informationsdesaster erlebt haben, nämlich als Umweltminister Gabriel von der SPD damals versucht hat, E10 sozusagen zwangsweise in den Markt zu bringen, mit einer Pflichtbeimischung von zehn Prozent. Damals gab es ja einen großen Aufschrei. Und man hätte eben erkennen müssen, dass es eben nicht automatisch läuft, sondern dass man solche Prozesse möglicherweise auch moderieren muss. Und deshalb finde ich es gut, dass der Wirtschaftsminister das jetzt macht.

    Barenberg: Und jetzt gibt es eine neue Infobroschüre und das Problem ist vom Tisch?

    Kauch: Nein, ich glaube, Infobroschüre nützt uns nichts, denn wir haben ja schon Listen im Internet ...

    Barenberg: ... die aber unverständlich sind ...

    Kauch: ... und alle möglichen Hotlines, aber das ist jetzt keine ausreichende Information. Ich denke, die Automobilhersteller, und das ist jetzt die Forderung auch an sie, ist, sie müssen verbindlicher sagen beispielsweise auch eben in den Werkstätten, mit Aufklebern auf die Fahrzeuge oder Briefe an ihre Kunden deutlich machen: Ihr Modell ist dafür tauglich, und wir als Hersteller stehen auch dafür gerade. Ich glaube, das ist das, was man von einem Hersteller erwarten muss, dass er weiß, was mit seinem Produkt gemacht werden kann ...

    Barenberg: ... das heißt, Herr Kauch ...

    Kauch: ... und das eben auch den Kunden verbindlich zu versichern.

    Barenberg: Was Sie sagen, Herr Kauch, ist, dass die Hersteller haften werden und haften müssen für Schäden, die dadurch entstehen?

    Kauch: Der Punkt ist, dass ich ... Wenn ich mir anschaue, in Brasilien haben wir einen Praxistest über viele Jahrzehnte, es ist ja nicht so, dass wir in Deutschland die Ersten sind, die diese Kraftstoffe einführen. In den USA ist Beimischung von Ethanol in dieser Höhe Standard, in Frankreich ist es im letzten Jahr gelaufen, in Brasilien seit Jahrzehnten mit höchsten Ethanolbeimischungen, 25, 30 Prozent, alle deutschen Hersteller sind dort im Markt. Ich frage mich, warum die deutschen Automobilhersteller das in Brasilien ohne Probleme über die Bühne kriegen und in Deutschland es bisher nicht möglich ist! Ich glaube, wenn wir ins Ausland schauen und sehen, dass dort die Fahrzeuge mit diesem Kraftstoff seit vielen Jahrzehnten fahren, dann sollte man nicht die Angst- und Panikmache verbreiten, wie einige Experten machen. Die meisten sagen hier ganz klar: Es ist eine Möglichkeit, die die meisten Fahrzeuge nutzen können, und so muss man es auch verstehen, es ist ein Angebot, das man nutzen kann, es gibt aber auch andere Wege, die Vorgaben zu erfüllen.

    Barenberg: Und das heißt eben auch, dass die Hersteller nach Ihrer Auffassung haften sollen. Wie soll denn einer, der einen Schaden feststellt an seinem möglicherweise etwas älteren Auto, diesen Schaden dann nachweisen?

    Kauch: Also das ist natürlich ein Punkt, der in den Werkstätten am Schluss, wenn es tatsächlich dazu kommt, dass es Hinweise gibt, dass dieser Kraftstoff dafür zuständig ist, dann wie üblich bei allen Versicherungsfällen über Gutachter geklärt werden muss. Nur ich glaube, dass dieses Problem eben angesichts der Erfahrungen in den anderen Ländern nicht auftreten wird. Deshalb kann die deutsche Industrie aus meiner Sicht auch sich relativ entspannt zurücklehnen. Bei den Modellen, die sie freigibt, wo sie auch internationale Erfahrungen hat, werden diese Fälle nicht auftreten, weil wir eben entsprechend ja empirisches Material haben an Zahlen, an Problemfällen. Und das kann die Industrie aus meiner Sicht einschätzen.

    Barenberg: Sagt der umweltpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch, Michael Krauch!

    Kauch: Sehr gerne!