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Verantwortliche für "Tokio 2020"
Skandale als Konstante

Die neue Präsidentin des Tokioter olympischen Organisationskomitees, Seiko Hashimoto, soll nach einem Sexismusskandal ihres Vorgängers Yoshiro Mori Ruhe und Fortschritt bringen. Dabei wurde Hashimoto selbst schon aus ähnlichen Gründen wie Yoshiro Mori zum Problem.

Von Felix Lill | 20.02.2021
Seiko Hashimoto steht an einem Rednerpult
Seiko Hashimoto, Präsidentin des Tokioter olympischen Organisationskomitees (picture alliance / Kyodo )
"Ganz Japan soll hinter den Spielen stehen. Wir müssen alles tun, damit wir das Virus weiter unter Kontrolle bringen. Dafür ist es wichtig, dass die Impfungen in Japan nun begonnen haben. Und die Sportwelt muss zeigen, dass sie in Gesundheitsfragen als Vorbild agiert."
Mit diesem Plädoyer trat Seiko Hashimoto am Donnerstag erstmals vor die Öffentlichkeit. In Japan ist die 56-jährige zwar längst bekannt. Seit 2019 ist sie als Olympiaministerin ein Mitglied der Regierung gewesen. Davor hatte sie schon als Ministerin für Frauen und Geschlechtergleichstellung agiert. Nun aber ist sie auch für die globalen Medien von größerem Interesse: Seit Donnerstag ist Hashimoto die neue Vorsitzende des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele von Tokio.
"Und wir müssen uns bemühen, dass sich alle Menschen auf Olympia freuen. Ich möchte mich auch an die Volunteers wenden, damit sie wieder mitmachen wollen."

Hashimoto als "beste Option, die sie hatten"

Schließlich haben in den letzten zwei Wochen Hunderte der Freiwilligenhelfer, ohne die Olympische Spiele gar nicht zu stemmen wären, ihre Hilfsbereitschaft zurückgezogen. Denn Anfang Februar war Hashimotos Amtsvorgänger Yoshiro Mori durch mehrere sexistische Äußerungen aufgefallen: Mori hatte behauptet, dass Frauen Komitee-Sitzungen unnötig in die Länge ziehen würden, weil sie Probleme hätten, sich präzise auszudrücken. Bei seiner halbherzigen Entschuldigung gab er dann auch noch zu, dass er schon lange nicht mehr mit Frauen gesprochen habe. Daraufhin hagelte es so viel Kritik, dass Mori schließlich zurücktreten musste.
Nun ist mit Seiko Hashimoto also eine Frau im Amt. Ist sie schon deshalb die richtige Wahl? Koichi Nakano, Politikprofessor an der Sophia Universität in Tokio, ist geteilter Meinung: "Es war die beste Option, die sie hatten. Wenn man überlegt, dass die Durchführung der Olympischen Spiele weiterhin ungewiss ist, brauchst du jemanden an der Spitze, die ein starkes Profil und gute Verbindungen zur Regierung hat. Und Hashimoto ist eine Frau und eine bekannte Athletin. Sie ist auch Teil der Sportwelt."

Japanische Rekord-Olympionikin

Als Sportlerin hat sich Seiko Hashimoto sowohl für Olympische Winter- als auch Sommerspiele qualifiziert. Von 1984 bis 1996 war sie siebenmal Olympionikin – für japanische Sportlerinnen ein Rekord. Als Bahnradfahrerin gewann sie zwar keine Medaille, als Eisschnellläuferin aber schon: 1992 in Albertville holte sie Bronze.
Seiko Hashimoto, Olympia-Organisationschefin der Spiele in Tokio.
Japans neue Olympia-Chefin: Seiko Hashimoto verbreitet Zuversicht
Seiko Hashimoto ist Japans neue Olympiachefin. Sie folgt dem bisherigen Organisationschef Mori nach, der wegen sexistischer Bemerkungen gehen musste.
Skeptisch ist Koichi Nakano aus anderen Gründen: "Es gibt einen Grund, warum sie bis zur Spitze aufgestiegen ist. Sie weiß, wie sie sich zu verhalten hat. Hashimoto ist die Art von Person, die Leuten wie Mori gefällt. Sie kennt ihren Platz, sie macht keine unbequemen Äußerungen. Auch nach der Kontroverse um Yoshiro Mori blieb sie still. Angeblich hat sie ihn in einem Telefonat kritisiert. Aber ganz ehrlich: Man kann es sich nicht vorstellen."
Jedenfalls fiel Hashimoto – wie auch andere Mitglieder der Regierung – nicht durch eine Distanzierung vom politisch gut vernetzten Yoshiro Mori auf. Auch bei ihrer Antrittsrede am Donnerstag äußerte sich Seiko Hashimoto erst auf Nachfrage zu diesem ganzen Thema.

Jedes Führungsmitglied des Komitees in Skandal verwickelt

Und dafür gibt es womöglich einen weiteren Grund, sagt Koichi Nakano: "Es gab einen Fall sexueller Belästigung, in dem sie die Aggressorin war. 2014 bei den Winterspielen von Sochi war Hashimoto die Chefin der japanischen Olympiadelegation. Und auf einer Party drängte sie sich an den Athleten Daisuke Takahashi heran und küsste ihn. Es gab Fotos davon, dann war die Sache überall in den Medien. Später musste sie sich entschuldigen. Hashimoto war damals schon eine Politikerin, Abgeordnete im Parlament, und eben verantwortlich für die Athleten bei den Olympischen Spielen."
Auf diese Themen angesprochen sagt Seiko Hashimoto selbst: "Damals wie heute habe ich über die Dinge noch einmal nachgedacht und bedauere sie zutiefst. Wir müssen uns gegenseitig respektieren. Und damit wir das schaffen, brauchen wir auch eine Förderung von Diversität. Dafür will ich mich einsetzen."
Gerade weil diese Worte erst auf Nachfrage kommen, klingen sie wie eine wohlgewählte Verteidigung. Das wiederum ist man von den Verantwortlichen der Tokioter Spiele mittlerweile gewöhnt. Mit dem Rücktritt Yoshiro Moris ist nun jedes Führungsmitglied des einst erfolgreichen Bewerberkomitees von der Bühne gegangen. Jeder von ihnen war auf die eine oder andere Weise in einen Skandal verwickelt.

Nachfolger ähneln ihren Vorgängern

"Ich möchte die Planung der Spiele von Tokio nicht behindern. Deswegen biete ich meinen Rücktritt an", verkündete im Dezember 2013 Tokios damaliger Gouverneur Naoki Inose. Kurz nachdem Tokio das olympische Austragungsrecht gewonnen hatte, war herausgekommen, dass Inose Geld von einer Krankenhauskette angenommen hatte. Korruptionsvorwürfe wies er von sich, seinen Hut nahm er dennoch.
Ähnlich ging es gut fünf Jahre später Tsunekazu Takeda, der das Tokioter Bewerbungskomitee und Japans Olympisches Komitee angeführt hatte: "Es tut mir leid, wenn ich für Unruhe gesorgt habe. Deswegen möchte ich mein Amt freimachen für einen Nachfolger, der unbelastet ist." Gegen Takeda hatte zuvor die französische Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen, weil sie ihn verdächtigte, die für das Tokioter Austragungsrecht nötigen Stimmen gekauft zu haben. Auch Takeda wies die Anschuldigungen von sich, der Fall ist noch immer nicht final geklärt.
March 19, 2019 - Tokyo, Japan - Tsunekazu Takeda President of the Japanese Olympic Committee (JOC) answers questions from members of the press following a board directors meeting in Tokyo. Takeda said during a JOC board directors meeting that he will resign when his current term ends in June. JOC Chief Takeda announces to resign in June PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAm191 90220253st Copyright: xRodrigoxReyesxMarinx
Auch Tsunekazu Takeda war nach Korruptions-Verdacht zurückgetreten (Imago / ZUMA Wire)
Mitte letzten Jahres trat dann auch Japans Premierminister Shinzo Abe zurück. Offiziell gab er gesundheitliche Gründe an. Zugleich hatte sich Abe über die Monate zuvor unbeliebt gemacht: zu Vorwürfen der Vetternwirtschaft und der Veruntreuung war eine halbherzige Reaktion auf die Pandemie gekommen.
Die Nachfolger der Verantwortlichen fallen vor allem durch eines auf: sie sind ihren Vorgängern in der Regel so ähnlich, dass es scheint, als wären sie noch von ihnen ausgesucht worden. So sagt selbst Seiko Hashimoto, die sich von Yoshiro Moris Äußerungen schließlich auch hätte persönlich angegriffen fühlen können: "Yoshiro Mori hat seine Äußerungen kurz darauf zurückgenommen." Ein Aufbruch in Richtung mehr Diversität sähe wohl anders aus.