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Verband Bildung und Erziehung
"Die IT-Ausstattung an den Schulen ist mittelalterlich"

Schulen könnten den Datenschutz aufgrund von mittelalterlicher IT-Ausstattung nicht garantieren, sagte Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). "Hier muss dringend nachgebessert werden." Diese Aufgabe müsse aber nicht durch Sponsoren, sondern durch die Politik gelöst werden. Der Verband hat einen Leitfaden zum Datenschutz an Schulen veröffentlicht.

Udo Beckmann im Gespräch mit Michael Böddeker | 20.11.2015
    Schülerinnen und ihre Lehrerin beugen sich über ein Tablet
    Datenschutz ist auch an Schulen ein wichtiges Thema (imago / Westend61)
    Michael Böddeker: An Schulen werden laufend Daten erzeugt. Früher standen die in Klassenbüchern oder Protokollen, heute wird das mehr und mehr digital gemacht. Und dadurch gibt es immer mehr Daten, auf die auch viele Menschen Zugriff haben, und das ist schwieriger zu kontrollieren. Mit dem Problem hat sich jetzt der Verband Bildung und Erziehung beschäftigt, und ich spreche mit Udo Beckmann. Er ist Vorsitzender des VBE. Guten Tag!
    Udo Beckmann: Guten Tag!
    Böddeker: Um welche Daten geht es da an den Schulen?
    Beckmann: Sie haben es gerade ja selbst beschrieben, dass wir immer mehr sensible Daten in den Schulen haben. Das sind Schülerdaten, es sind aber auch Daten von Eltern und auch Daten von anderen Institutionen. Diese Daten werden natürlich zunehmend auf PCs oder auf anderen digitalen Medien festgehalten. Und wir haben festgestellt, dass Schulen den Datenschutz nicht gewährleisten können, weil sie aufgrund ihrer mittelalterlichen IT-Ausstattung keinen ausreichenden Schutz für diese Daten garantieren können.
    Böddeker: Warum müssen diese Daten eigentlich so dringend geschützt werden, oder anders gefragt, was könnte denn passieren, wenn es keinen ausreichenden Datenschutz gibt?
    Beckmann: Ja nun, wenn es keinen ausreichenden Datenschutz gibt, entstehen Datenlecks oder es könnte ein Hacking entstehen, oder es könnte auch unkontrollierter Zugang zu solchen Daten durch interessierte andere Menschen geben. Und es sind ja hier Daten von Schülerinnen und Schülern, das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass die Persönlichkeitsrechte der Schüler und der Eltern und zum Teil auch der Lehrer, die in diesen Daten versteckt sind, schützen. Und das ist zurzeit nicht gewährleistet.
    "Wir geben mit diesem Leitfaden Sicherheitshinweise"
    Böddeker: Deshalb haben Sie jetzt auch diesen Leitfaden entwickelt vom Verband Bildung und Erziehung aus, für Lehrpersonen und Schulleitungen. Was sollen die machen?
    Beckmann: Dieser Leitfaden ist gemeinsam entwickelt worden mit unserem Partnerverband in Österreich und in der Schweiz. Wir geben mit diesem Leitfaden Sicherheitshinweise, das heißt, wie kann ich mir eine geschützte E-Mail-Adresse anlegen? Was muss der Schulleiter beachten, damit die Daten, die vorgehalten werden, geschützt sind? In diesem Leitfaden sind Forderungen an die Politik gerichtet, dass die Politik dafür sorgen muss, dass Lehrerinnen und Lehrer auch in diesem Bereich qualifiziert und fortgebildet werden, und vor allen Dingen auch, dass die notwendige IT-Ausstattung zur Verfügung gestellt wird.
    Böddeker: Das wäre nämlich genau meine Frage gewesen: Haben die Schulen überhaupt die Mittel dafür, also die Technik, das Know-how und auch die Zeit, die man dafür braucht?
    Beckmann: Nein. Die Technik ist nicht vorhanden. Der VBE hat vor Kurzem eine Forsa-Umfrage durchgeführt unter Lehrkräften, um mal herauszubekommen, wie die Situation an den Schulen ist. Und ich sagte es bereits eingangs, das Ergebnis dieser repräsentativen Lehrerbefragung ist, die IT-Ausstattung an den Schulen ist mittelalterlich. Hier muss dringend nachgebessert werden. Und es kann auch nicht die Aufgabe von Sponsoren sein, dies an der einen Schule zu leisten, und an einer anderen Schule ist das dann nicht möglich. Hier ist eine grundsätzliche Aufgabe der Politik, die sie zu lösen hat.
    Leitfaden soll Lehrern praktische Hilfe geben
    Böddeker: Gibt es vielleicht in dem Leitfaden auch einige Punkte, die Lehrer relativ einfach und schnell umsetzen könnten?
    Beckmann: Ja, es gibt viele Hinweise, es gibt auch Mustervordrucke, die man sich herunterladen kann, auf die im Anhang hingewiesen wird. Hier sind eine Vielzahl von praktischen Hilfen enthalten, die die Autoren zusammengestellt haben und die den Lehrern helfen. Ein Beispiel ist, wenn ein Lehrer auf seinem Privat-PC zum Beispiel Schülerdaten hat und der PC ist defekt, dann gibt er ihn ab, lässt die Festplatte reparieren, dann gibt es einen Musterantrag dabei, den er sich von der Reparaturwerkstatt unterschreiben lassen kann, dass dieser mit den Daten nichts machen darf, wenn die Festplatte wieder in Gang gesetzt wird. Das sind so Kleinigkeiten, aber die sind eben sehr hilfreich für den Alltag des Lehrers.
    Böddeker: Wir haben Sie jetzt gerade telefonisch erreicht auf der Herbsttagung des Deutschen Lehrertags in Dortmund. Wird da auch über das Thema diskutiert?
    Beckmann: Das Thema Medienkompetenz, digitale Ausstattung war heute Morgen in der Eröffnungsveranstaltung mit dem Bildungssenator von Hamburg, Thies Rabe, sicherlich auch ein Thema neben anderen Themen wie Inklusion und die zunehmende Zahl von Flüchtlingskindern in den Schulen.
    Böddeker: Wie reagieren denn die Kollegen darauf? Sehen die Lehrer selbst auch dieses Problem in Sachen Datensicherheit?
    Beckmann: Die Lehrer selbst sind sehr sensibilisiert für dieses Thema, fühlen sich aber von den Arbeitgebern, von den Schulministerien, von den Behörden im Stich gelassen und begrüßen sehr, dass wir dieses Thema jetzt erneut aufgegriffen haben.
    Böddeker: Vielen Dank für das Gespräch!
    Beckmann: Herzlichen Dank auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.