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Verbandssprecher über Corona-Schutzimpfung
"Hersteller arbeiten intensiv daran, ihre Produktion auszubauen"

Lässt sich noch schneller noch mehr Corona-Impfstoff produzieren? Rolf Hömke vom Verband forschender Arzneimittelhersteller sagte im Dlf, Firmen wie Biontech täten längst, was die Politik von ihnen fordere: Partnerfirmen finden, um die Herstellung weiter zu beschleunigen.

Rolf Hömke im Gespräch mit Friedbert Meurer | 28.12.2020
Der begehrte Stoff: Corona-Impfdosen in einer gekühlten Transportbox
Der begehrte Stoff: Corona-Impfdosen in einer gekühlten Transportbox (picture alliance/dpa/Reuters/Pool / Fabrizio Bensch)
An vielen Orten in Deutschland haben Impfzentren ihren Betrieb aufgenommen - erhalten aber zunächst nur Impfdosen in begrenzter Zahl. Einige Oppositionspolitiker fordern daher, dass die Impfstoffentwickler Biontech und Pfizer Lizenzen an andere Hersteller vergeben, damit sie deren Impfstoff ebenfalls herstellen können. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn verspricht, alles für eine Eröffnung weiterer Produktionsstätten zu tun.
So einfach sei das aber nicht, erklärt Rolf Hömke, Forschungssprecher des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), dem auch Biontech angehört. Der mRNA-Impfstoff sei neuartig, dafür habe man nicht zufällig passende Produktionsanlagen zur Verfügung, so Hömke im Dlf.
Im Übrigen sei längst angestoßen, was FDP- und Linken-Politiker forderten: Impstoffentwickler wie Biontech/Pfizer, aber auch Moderna und AstraZeneca hätten binnen weniger Monate ein ganzes Netz weiterer Firmen für einzelne Herstellungsschritte gefunden.
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"Unglaubliche Geschwindigkeit"

Hömke sprach von "einer unglaublichen Geschwindigkeit", binnen eines Jahres einen Impfstoff zu entwickeln, zuzulassen, eine Großproduktion zu organisieren und kooperationsbereite Firmen zu finden. Er geht zudem davon aus, dass die Suche nach Produktionspartnern weitergeht.
Hömke verteidigte im Dlf das abgestimmte Vorgehen in der EU, auch wenn Deutschland bei einem Alleingang möglicherweise bessere Karten gehabt hätte. Ein solcher wäre unsolidarisch gewesen. Hömke glaubt, dass sich aktuelle Ungleichverteilungen beim Impfstoff schnell nivellieren werden und verweist dabei auch auf zu erwartende Zulassungen weiterer Corona-Impfstoffe.
Der Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer. Eine Krankenschwester im UC Davis Medical Center in Sacramento, Kalifornien, zieht die Subsatnz aus einem Gläschen in eine Spritze. Zu sehen ist nur ihre mit einem blauen Handschuh geschützte Hand.
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Das Interview im Wortlaut:
Meurer: Wäre das eine sinnvolle Idee, dass Biontech die Lizenz auch an andere weitergibt?
Hömke: In den letzten Monaten haben ja die Hersteller, die Entwickler der COVID-19-Impfstoffe intensiv dran gearbeitet, ihre Produktion auszubauen, und sie haben genau das auch schon gemacht. Sie haben weitere Firmen gefunden, die mitwirken können an der Produktion. Das gilt für Biontech und Pfizer, die mittlerweile ein ganzes Netz von weiteren Firmen haben, die peu à peu mit dazukommen können, um einzelne Herstellungsschritte zu übernehmen, das gilt aber auch für die anderen Hersteller. Das gilt für Moderna, die eben mit einem Schweizer Hersteller zusammenarbeiten, das gilt für AstraZeneca, die mehreren anderen Firmen schon die Lizenz gegeben haben und sie ihnen geholfen haben, die Produktion aufzubauen, damit auch die diesen Impfstoff herstellen können. Das ist also der Weg.

"Jede Produktionsanlage muss passend ausgerüstet werden"

Meurer: Die Frage stellt sich dann, wenn sie diesen Weg schon gegangen sind mit Lizenzvergabe, da Biontech den Weg gegangen ist, warum gibt es zu wenig Impfdosen im Moment in Deutschland?
Hömke: Das wirklich Erstaunliche ist ja, dass wir weniger als ein Jahr, nachdem diese Pandemie ausgebrochen ist, überhaupt einen Impfstoff nicht nur erfunden haben und durcherprobt haben, sondern dass wir überhaupt schon eine Großproduktion haben. Es ist normalerweise so, wenn Pharmaunternehmen neue Medikamente entwickeln, dass sie auf Jahre im Voraus auch schon Überlegungen anstellen, Planungen, Aufbauarbeiten, um eine Großproduktion rechtzeitig zur Zulassung hinzubekommen. Diese ganze Zeit hat ja diesmal gefehlt, und trotzdem haben es die Firmen geschafft, wirklich binnen weniger Monate nicht nur ihre eigene Produktion krass zu erweitern, sondern eben auch noch weitere Firmen zu finden, die bereit sind zu kooperieren, die jetzt schon ihre Anlagen ausrüsten, ihr Personal schulen und die da mit einsteigen.
Meurer: Dass es eine Herkulesaufgabe ist, ist ja allen klar, allen ist aber auch klar, um was es geht: dass jede Woche zählt, dass jeder Monat zählt. Gibt es keine zusätzlichen Ressourcen, Produktionsanlagen, die man noch zusätzlich sozusagen jetzt ins Rennen werfen könnte?
Hömke: Diese Impfstoffe sind neuartig in ihrer Herstellungsart, man hat also nicht einfach Produktionsanlagen rumstehen, die schon genau diese Technik haben. Jede Produktionsanlage muss passend für diesen Impfstoff umgerüstet, ausgerüstet werden, die Schulung muss erfolgen. Das wird auch für die weiteren Impfstoffe so gelten. Man kann es machen, aber es braucht natürlich etliche Monate, und das ist das, woran schon in den letzten Monaten gearbeitet wurde, und es wird natürlich auch weitergehen. Wir haben ja nun auch bald damit zu rechnen, dass weitere Impfstoffe dazukommen, einer vielleicht eben schon im Januar, wenn die Zulassung Anfang Januar kommt, und dann wird natürlich auch wesentlich mehr in Deutschland ankommen.

"Seit dem 7. November ist es irrsinnig schnell gegangen"

Meurer: Es wird geschätzt, dass bis Ende März fünf Millionen Deutsche geimpft sein werden, nur fünf Millionen in drei Monaten. Diese Zahlen, kann man die steigern?
Hömke: Die Hersteller arbeiten ja nun seit Monaten daran, ihre Produktion immer weiter auszuweiten, und diese Arbeit wird auch im nächsten Jahr fortgesetzt. Die EU hat um sicherzugehen auch das dafür gesorgt, dass sie eben nicht alles bei einem Hersteller oder bei zwei Herstellern einkauft, sondern dass sie bei verschiedenen Herstellern einkauft. Dadurch kommt ja immer mehr, mit jedem weiteren Hersteller, der dazukommt, auch wieder eine große Liefermenge noch wieder mit hinzu.
Meurer: Mancher fragt sich, war dieser Weg richtig, dass die Bundesregierung ganz auf die EU gesetzt hat zum Bestellen. Hätten wir auch alleine Material bestellen sollen?
Hömke: Wir hatten bis zum 7. November die Situation, dass überhaupt niemand wusste, ob auch nur einer dieser Impfstoffe irgendwie als Impfstoff tauglich ist. Wir waren da noch völlig in der Entwicklung begriffen, und wir waren unsicher über die Wirksamkeit, denn die Wirksamkeit des Impfstoffs kann man nicht frühzeitig feststellen, die kann man erst in den großen abschließenden Studien feststellen. Und seit dem 7. November ist es jetzt irrsinnig schnell gegangen. Es kamen dann die Endergebnisse, mit denen man die Zulassung vervollständigen konnte, es kam die erste Zulassung, all dies. Die EU hat eben dafür gesorgt, dass man verschiedene Hersteller beizeiten für die EU verpflichtet. Man hat ja auch richtig gelegen mit diesem einen, man hat richtig gelegen mit Moderna, man hat mit weiteren hoffentlich auch richtig gelegen, dass die eben kommen. Wenn Deutschland bei einem Hersteller bestellt in ganz großem Stil und sagt, wir beanspruchen das für uns, dann wäre das erstens grob unsolidarisch gewesen gegenüber anderen Ländern, und zum Zweiten hätte man auch das Risiko gehabt, dass dieser Impfstoff vielleicht genau nicht tauglich gewesen wäre.

"Es braucht natürlich eine Zeit, weitere Partner zu finden"

Meurer: Also sagen Sie, es war einfach nicht mehr möglich zu produzieren. Mancher wird sich fragen, die Briten verfügen, glaube ich, über mehr Impfstoffdosen als die Deutschen.
Hömke: Ich weiß nicht, wie es da momentan ganz aktuell steht. Wir wissen aber auch, dass die Hersteller schon in Aussicht gestellt haben, dass sie eben mit dem, was jetzt weiter produziert wird, ganz stetig weiter liefern können. Insofern wird sich, was immer die momentanen Zahlen sind, das sich ganz schnell nivellieren, und wir werden dann auch über viel größere Mengen verfügen.
Meurer: Herr Hömke, schließen Sie auch daraus, dass auch finanzielle Interessen eine Rolle spielen, denn dass ein Pharmaunternehmen eine Lizenz weitergibt, bedeutet doch faktisch Einnahmensverluste für dieses Unternehmen, oder?
Hömke: Ich glaube, alle Hersteller wussten, worauf es ankommt, und wir haben darauf hingearbeitet, dass von ihrem Impfstoff so viel wie überhaupt nur irgend möglich produziert werden kann. Es braucht einfach natürlich eine Zeit, weitere Partner zu finden, die entsprechend zu schulen, die auszurüsten, all diese Dinge. Das wurde in einer unglaublichen Geschwindigkeit jetzt im Laufe der letzten Monate gemacht, und damit hat man wirklich viel, viel mehr erreicht, als irgendjemand sich in der Branche vorstellen konnte vor zwölf Monaten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.