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Verbesserungsbedarf bei der Gedenkkultur

Seit 1992 sind 100 Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen. Ihnen soll unter anderem mit dem Ehrenmal für Gefallene am Bendlerblock in Berlin gedacht werden. Doch viele Bundestagsabgeordnete sehen Verbesserungsbedarf bei der Gedenkkultur.

Von Klaus Remme | 07.03.2013
    Wenn die Bundeswehr in diesen Tagen Feldlager in Afghanistan auflöst, dann ist das auf den ersten Blick vor allem eine logistische Herausforderung. Schweres Gerät, gepanzerte Fahrzeuge, Feldküchen, Sanitätsstationen, all das wird auf den Weg zurück nach Deutschland gebracht. Doch auch die sogenannten Ehrenhaine werden verpackt und mitgenommen, es sind Gedenkstätten für diejenigen, die nicht zurückkommen werden. Namensschilder von Gefallenen etwa, oftmals an Mauern oder auf Findlingen befestigt, oder Holzkreuze; sie sind auch emotionale Fracht auf dem Weg in die Heimat. Sie führen zurück, zum Beispiel zu Tagen wie dem 3. Juni 2011, als Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei einer Trauerfeier in der Epiphaniuskirche in Hannover sprach:

    "Wir nehmen heute Abschied von Major Thomas Tholi, Hauptmann Markus Matthes, Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein. Sie sind nicht mehr unter uns, sie fehlen, sie fehlen Ihnen als Ihren engsten Angehörigen, sie fehlen ihren Kameraden, sie fehlen der Bundeswehr, sie fehlen unserem Land."

    Die drei Soldaten waren wenige Tage zuvor durch Sprengstoffanschläge in Afghanistan ums Leben gekommen. De Maizière versicherte:

    "Wir werden sie nicht vergessen, wir werden ihnen ein ehrendes Gedenken bewahren."

    Ein Versprechen, das sicher für alle 100 deutsche Soldaten gilt, die seit 1992 bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind. Die Frage, wie es eingelöst werden kann, scheint auf den ersten Blick schnell beantwortet. Der leitende katholische Militärdekan Joachim Simon steht in der Hildebrandtstraße in Berlin und schaut auf die schlichte Stahlbetonkonstruktion vor ihm: 32 Meter lang, acht Meter breit, zehn Meter hoch:

    "Wir sind hier am neuen Ehrenmal für alle Gefallenen und im Einsatz ums Leben gekommenen Angehörigen der Bundeswehr, beim sogenannten Bendlerblock."

    Der Bendlerblock ist Dienstsitz des Verteidigungsministers. Erst 2009 wurde das Ehrenmal eingeweiht. Doch vor allem für die Abgeordneten im Bundestag besteht weiter Handlungsbedarf. Schließlich debattieren und entscheiden sie über die Entsendung von Soldaten. Zusammen mit Kollegen aller anderen Fraktionen hat die Vorsitzende im Verteidigungsausschuss, Susanne Kastner, SPD, über eine Verbesserung der Gedenkkultur im Parlament diskutiert. Im Konsens, so Kastner, habe man sich auf folgende Ergebnisse verständigt:

    "Wir schlagen vor, dass wir die Gedenkminute, die wir im Verteidigungsausschuss dann abhalten, wenn ein Soldat getötet worden ist, dass diese Gedenkminute fortbesteht, aber auch im Parlament stattfindet. Wir schlagen vor, in Ausschussnähe ein Buch mit einer vielleicht künstlerisch gestalteten Stele aufzustellen, wo man den im Einsatz gefallenen Kräften auch gedenken kann. Und wir schlagen vor, auch extern in Parlamentsnähe eine Gedenkstätte zu errichten, dabei wissen wir aber, dass das sicher noch ein wenig länger dauert."

    Militärdekan Joachim Simon findet das Ehrenmal auf dem Ministeriumsgelände künstlerisch überzeugend, er sagt aber auch:

    "Dieser Standort hier war von Anfang an problematisch, weil die Straße halt abgelegen ist, und auch wenn immer wieder gesagt wird, dass es öffentlich zugänglich sei, was ja meistens auch stimmt, wenn nicht gerade hochrangige Besuchergruppen da sind, dann muss man doch sagen, dass viele das gar nicht wissen oder den Weg hierher nicht finden, von daher kann ich den Gedanken verstehen, dass dort, wo letztlich die Verantwortung für die Auslandseinsätze zu verankern ist, nämlich im Parlament, ein Mahnmal geschaffen wird."

    In einem Brief an Bundestagspräsident Lammert wollen die Abgeordneten nun einen Ideenwettbewerb für die neue Gedenkstätte anregen. Dieser öffentliche Ort ist für den sicherheitspolitischen Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, das wichtigste Element der aktuellen Vorschläge. Gegenargumente überzeugen ihn nicht. Natürlich bestehe die Gefahr von Vandalismus, doch dies gelte für viele Denkmäler in Berlin, und zur Kritik, mit diesem neuen Denkmal für im Ausland gefallene Soldaten werde eine Heroisierung betrieben, meint er:

    "Wenn es darum geht, dass ein Heldenstatus geschaffen wird, bin ich dagegen, strikt. Es geht deshalb ja auch um einen Wettbewerb, damit es eine künstlerische Konzeption gibt, die auf der einen Seite die Opfer, das individuelle Leiden würdigt, auf der anderen Seite aber auch zum kritischen Nachdenken über Einsätze anregt."

    Und das ist nicht die einzige künstlerische Herausforderung. Einigt man sich auf eine Gedenkstätte in Reichstagsnähe, könnte das Ehrenmal beim Verteidigungsministerium schnell in Vergessenheit geraten, so die Befürchtung. Auch diese Gefahr müsste ein Gesamtkonzept berücksichtigen. Weiterhin, weiß auch Susanne Kastner, gilt es die Frage zu beantworten:

    "Was geschieht mit den Gedenkstätten in Feyzabad, in Mazar-e-Sharif, in Kundus, in OP North, wenn wir dort abziehen? Diese Ehrenhaine, übrigens nicht nur in Afghanistan, auch in Kosovo, ich denke, das ist Sache des Ministeriums, einen vernünftigen Umgang damit zu finden."

    Eine Möglichkeit, die sich abzeichnet: ein Ehrenhain auf dem Gelände der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Geltow bei Potsdam. Dort arbeitet das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, von dort werden alle Auslandseinsätze geleitet. Der Militärdekan hält das für eine gute Idee. Für die Hinterbliebenen wäre es ein Ort persönlicher Trauer, darüber hinaus, meint Simon, haben viele der dort dienenden Soldaten gefallene Kameraden persönlich gekannt.