Donnerstag, 28. März 2024

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Verborgen im Wald
Die Rückkehr der Wildkatze in Deutschland

Sie galt fast als ausgestorben und noch immer steht sie auf der Roten Liste für stark gefährdete Arten: Der Lebensraum der europäischen Wildkatze wird immer kleiner. Trotzdem konnte sie in Deutschland wieder nachgewiesen werden, sagte Dennis Klein im DLF. Er ist Referent für Naturschutzpolitik beim BUND, der eine große Wildkatzeninventur durchgeführt hat.

Dennis Klein im Gespräch mit Britta Fecke | 08.08.2016
    Eine Wildkatze (Felis silvestris) klettert am 29.10.2015 auf einem Baum im Wisentgehege in Springe in der Region Hannover (Niedersachsen).
    Wildkatzen sehen aus wie Hauskatzen und sind in ganz Deutschland zu finden. Aktuell schätzt der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) den Populationsstand auf 5.000 bis 7.000 Individuen. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Britta Fecke: Sie ist so scheu und zudem nachtaktiv, dass sie kaum jemand sieht. Erschwerend kommt hinzu, dass die europäische Wildkatze fast ausgestorben war, auch weil ihr Lebensraum immer kleiner wurde. Sie steht noch immer auf der Roten Liste, konnte aber in Deutschland wieder nachgewiesen werden.
    Heute ist der Tag der Katze, und das nehmen wir zum Anlass, um nach ihrem Bestand in deutschen Wäldern zu fragen. Ich bin jetzt verbunden mit Dennis Klein, Referent für Naturschutzpolitik und Biotopverbund beim BUND. Herr Klein, wie viele Wildkatzen streifen denn schon wieder durchs Unterholz deutscher Wälder?
    Dennis Klein: Aktuell schätzen wir den Populationsstand auf 5.000 bis 7.000 Individuen. Wie Sie schon gesagt haben, galt die Katze fast als ausgestorben zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ihr wurde nachgestellt, sie hat stark gelitten unter den Zerschneidungen ihres Lebensraums. Die industrielle Landwirtschaft hat immer zugenommen, große, zusammenhängende Waldgebiete wurden immer weniger, innerhalb des Waldes wurde die Waldwirtschaft immer mehr auf Monokultur umgestellt, genauso im offenen Land.
    Das alles sind Ausbreitungsbarrieren für die Katze, da sie sich hauptsächlich in strukturreichen Wäldern wohlfühlt und es auch meidet, weit außerhalb des Waldes unterwegs zu sein. Sie ist angewiesen auf strukturreiche Areale, um die Landschaft durchwandern zu können.
    Fecke: Lassen Sie uns noch mal konkret auf diese Lebensraumansprüche eingehen: Sie braucht einen strukturreichen Wald – muss der sehr groß sein, muss der im Zusammenhang stehen mit einem anderen großen Waldstück, oder wie sind so die Ansprüche der Katze?
    Klein: Unter strukturreich verstehe ich Ansammlungen von Todholz, von Wurzeltellern, stehendes und liegendes Todholz, Tierbau- oder Bodenmulden, also Naturverjüngungen, und das sind alles Strukturen, die lassen sich in reinen Wirtschaftswäldern nicht finden. Zu der Größe: Natürlich, umso größer die zusammenhängenden Gebiete, umso besser, dann bilden sie auch einen Kernraum, zum Beispiel in Eifel und Hunsrück oder im Thüringer Wald. Genauso wichtig sind aber auch kleine Trittsteine, um zu diesen großen Waldgebieten zu gelangen.
    Fecke: Wie sieht so ein Trittstein aus?
    Klein: Ein Trittstein kann unterschiedliche Funktionen haben. Wenn er nur klein ist, kann er, wie der Name schon suggeriert, helfen, die Landschaft zu durchstreifen, ist aber selber nicht unbedingt als Habitat zur Aufzucht geeignet. Das ist ein Rastplatz, man kann sich verstecken und kann von dort aus neue Lebensräume besiedeln.
    Fecke: Wie sieht so ein Trittstein aus?
    Klein: Das sind kleinere Waldinseln sozusagen oder Korridore können das auch sein. Idealerweise sind die 50 Meter bereit, die Korridore, es können aber auch kleinere Strukturen sein, und der Trittstein selber ist natürlich schön, wenn das ein Waldklima entwickelt, und der ist ab einer gewissen Größe erst gegeben.
    Fecke: Sie haben es gerade schon gesagt, im Thüringer Wald konnten Sie die Katze nachweisen und im Hunsrück, wo denn noch in Deutschland?
    Klein: Wir haben eine große Wildkatzeninventur durchgeführt, und da sind die Kernlebensräume in Eifel und Hunsrück, im Weser-Leine-Bergland konnten wir große Dichten nachweisen und im Harz und Hainich. Das sind so die Gebiete, wo die Dichte der Wildkatze am Höchsten ist. Ansonsten sind allgemein ein typischer Lebensraum die deutschen Mittelgebirge, und wir konnten auch in neuester Zeit feststellen, dass sie sich nach Osten in Richtung Sachsen ausbreitet – da hatten wir Nachweise in der Dübener Heide oder sogar im Leipziger Auwald.
    Nach Süden hin in Richtung Bayern konnten wir Nachweise erbringen über die Haßberge und den Steigerwald und das Nürnberger Land bis hin zu den Wäldern westlich von Augsburg und zum Nationalpark Bayerischer Wald. Lediglich im Norden und im äußersten Nordosten konnten wir bis jetzt noch keine Nachweise erbringen. Auch wenn bekannt ist, dass die Wildkatze beispielsweise im Südwesten im Schwarzwald nachgewiesen wurde in der Vergangenheit, konnten wir in den letzten fünf Jahren da keine aktuellen Nachweise erbringen. Das klingt jetzt auch zunächst mal positiv, aber wir konnten auch feststellen aufgrund der genetischen Analysen, dass es eine klare Trennung gibt zwischen der zentraldeutschen Population und der in Westdeutschland.
    Fecke: Und es kommt zu keinem Austausch bisher?
    Klein: Es kommt nur minimal zu Austausch. Es gibt kleinere Kontaktzonen, so an der Linie Rothaargebirge/Kellerwald Richtung Vogelsberg, aber diese eigentlichen Hauptverbreitungsgebiete in Mittel- und Westdeutschland sind schon deutlich voneinander getrennt. Und da gehen wir auch davon aus, dass es darauf zurückzuführen ist, dass die Landschaft stark durch Siedlungen, durch Verkehrswege durchschnitten ist, und diese Fragmentierung trägt natürlich dazu bei, dass die Katzen an Wanderungen gehindert werden. Es ist augenscheinlich, dass die meisten toten Wildkatzen, die wir finden, dem Straßenverkehr zum Opfer fallen.
    Fecke: Dennoch kann die Europäische Wildkatze in Deutschland wieder nachgewiesen werden. Ich sprach mit Dennis Klein, Referent für Naturschutzpolitik und Biotopverbund beim BUND. Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.