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Verborgene Schätze

Die Kunsthalle Mannheim widmet den privaten Leidenschaften von Sammlern eine Ausstellung. Die Exponate werden gemeinsam mit Abbildungen der Wohnräume der Sammlerfamilien präsentiert, sodass ein Eindruck von der Rolle der Kunstwerke im Alltag ermöglicht wird.

Von Christian Gampert | 26.11.2011
    Kunstsammler sind seltsame Wesen. Einerseits wollen sie anonym bleiben, damit niemand erfährt, was daheim über dem Sofa hängt – es könnte ja abhanden kommen; andererseits möchten manche, wenn zu Hause der Stau-Raum knapp wird, sich gern ein staatlich finanziertes Museum bauen lassen – oder zumindest das Grundstück dafür sollte Papa Staat schon stellen, möglichst in bester Lage.

    In Mannheim scheint vor allem die erste Variante ansässig zu sein. Von 17 betuchten Sammlerfamilien präsentiert sich ein einziger, der Rechtsanwalt Jürgen Sontheimer, mit vollem Namen der Öffentlichkeit, und mit seinen Rehberger-Möbeln beginnt auch die Ausstellung, also mit purer Gegenwartskunst. Die Kuratorin Inge Herold hat allerdings von den Wohnräumen vieler Sammlerhäuser wandgroße Fototapeten fertigen lassen, so dass man einen Eindruck bekommt, welche Rolle die Kunstwerke im Alltag spielen, jenseits der Kapitalanlage. Und die Fotos der Sammlerhäuser bestimmen auch inszenatorisch die Ausstellung: Manchmal sind die originalen Ölbilder in die Fotos gehängt, und dieser trompe-l’oeil-Charakter kann einen ganz schön irritieren. Oft wird auch der Stil des Sammlerhauses in den Museumsraum hinein verlängert: In Tobias Rehbergers Konzeptmöbeln stehen die Bücher des Sammlers - mit so schönen Titeln wie "Soll ich Rechtsanwalt werden" oder Eckhard Henscheids "Die Vollidioten".

    Das lässt tief blicken, aber die Mannheimer Kunsthalle, deren Jugendstilbau gerade saniert wird und die zusätzlich einen Neubau plant, spekuliert natürlich auf etwas ganz anderes: auf die Zusammenarbeit mit den Sammlern.

    "Langfristig, auch im Hinblick auf unser Vorhaben, hier einen Neubau hinzustellen, erhoffen wir uns eine engere Bindung an die Mannheimer Sammler. Auch verbunden mit der Hoffnung, dass es möglicherweise mal Schenkungen und Stiftungen gibt."

    Inge Herold sieht durchaus auch Probleme in diesem Verhältnis: ein Reinhold Würth etwa kauft den öffentlichen Museen eine Holbein-Madonna weg, und in manchen Sammlungen sind die Provenienzen immer wieder ungeklärt. Die Sammlungen der Mannheimer Bürger aber sind kleineren Kalibers, wenngleich manches, das hier ausgestellt ist, den Bestand der Kunsthalle gut ergänzen würde. Andererseits sind viele Sammlungen von der Arbeit der Kunsthalle beeinflusst, gerade was Nouveau Réalisme und die Neuen Wilden anbetrifft.

    Neben den gelängten Figuren des Wilhelm Lehmbruck, die prominent inszeniert sind, gibt es in dieser Überblicksschau einige großartige Ölbilder des deutschen Expressionismus, Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluf, Pechstein, aber auch die Kollegen Nolde, Münter, Jawlensky, Macke. Das sind die wertvollsten Werke. Ein Sammler besitzt Papierarbeiten von Otto Dix vom Ersten Weltkrieg bis zum Spätwerk, ein anderer betet offenbar den Jugendstilmaler Hans Christiansen an. Die europäische Nachkriegs-Abstraktion ist gut vertreten, Nay und Baumeister, Karl Fred Dahmen, ein "Feuerbild" von Otto Piene. Und die etwas ältere Gegenwartskunst hat einen wunderbaren Raum mit Schießbildern von Niki de Saint Phalle, zum Stillleben platt gepressten Kannen von César und ironischen Unterwäsche-Akkumulationen von Gérard Deschamps. Aber, bitte, was veranlasst jemanden, sich eine Konservendosen-Assemblage von Arman ins Wohnzimmer zu stellen?

    "Der Sammler hat immer wieder auch betont, dass, wenn er Besuch bekommt, viele Besucher gar nichts mit der Kunst, die da zu sehen ist, anfangen können. Er wird dann oft gefragt: Wo hast du das denn her, ist das vom Sperrmüll? Und es ist ja zum Teil auch tatsächlich vom Sperrmüll."

    So ist es, und Kunst sammeln heißt auch: die lieben Bekannten aufklären. Für die Kunsthalle Mannheim aber ist die lokale Recherche von Inge Herold ein Glücksfall: Mit vielen der jetzt ausgestellten Sammler wird sich eine Zusammenarbeit ergeben, vor allem, wenn sie systematisch ein Thema beackern. Und wenn 2014 der geplante Neubau an der Stelle des ausstellungstechnisch schwierigen Mitzlaff-Baus eröffnet wird, könnte Mannheim wieder ins etwas größere Ausstellungsgeschäft einsteigen.