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Verboten, verlacht, verehrt!

Heute spielen Mädchen und Frauen wie selbstverständlich Fußball. Der DFB zählt über eine Million weibliche Mitglieder und die Frauenfußball-Nationalelf als siebenfacher Europameister und zweifacher Weltmeister ist in aller Munde. Bis dahin mussten die Fußballerinnen jedoch einen dornenreichen Weg zurücklegen, mit Schmähung, Behinderungen und Verboten.

Von Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza | 25.04.2011
    "Meine Idee, die kam nicht nur aus Liebe zum Fußballsport, sondern vor allen Dingen frauenrechtlerisch, ich hab gesagt, was die Männer können, das können wir auch. Das war mein Grundgedanke, einen Damenfußballclub zu gründen."

    Seit dem Frühjahr 1930 trainieren und spielen zirka 40 junge Frauen regelmäßig in Frankfurt miteinander, denn andere Clubs gibt es nicht. Doch Lotte Specht und die Fußballpionierinnen vom Main werden verhöhnt und als "Mannweiber" beschimpft.

    "Die Zuschauer und Männer, die haben sogar Steine nach uns geworfen. Und die Zeitungen haben uns all durch den Kakao gezogen und geschimpft, net. /.../ und dann haben wir nur ein Jahr existiert, also die Presse hat da kolossal gegen uns gearbeitet, und nach einem Jahr war der Traum aus."

    Unter den Nazis ist Frauenfußball undenkbar. Aber nach dem Krieg gründen sich in den 50er Jahren vor allem im Ruhrgebiet zahlreiche Frauenfußball-Teams. Der Deutsche Fußball-Bund reagiert unerbittlich. 1955 verbietet er in seinen Reihen den "Damenfußball" und führt einen vehementen Kampf gegen die Kickerinnen.

    Zitat: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand."

    So steht es in einer DFB-Verlautbarung als Begründung zu lesen. Erst im Oktober 1970, als in der Bundesrepublik bereits etwa 60.000 Frauen Fußball spielen und einen eigenen Verband gründen wollen, beugt sich die Altherren-Riege des DFB und hebt das Verbot auf, jedoch nicht ohne den Frauen besondere Regeln zu verpassen.

    "Wir haben am Anfang mit dem Jugendball spielen müssen, und dann durften wir am Anfang nicht mit Stollenschuhen spielen, das waren eigentlich alles Regeln, die uns mehr behindert als gefördert haben. Der DFB hat das 1970 erlaubt und gedacht, das ist eine kurze Stichflamme, die erlöscht dann wieder, und es ist auch nicht sehr viel getan worden, um das ganze zu fördern, auch nicht in den Vereinen."

    Monika Koch-Emsermann ist in den 70er-Jahren Spielerin und Trainerin beim damaligen Spitzenclub FSV Frankfurt. Bis Anfang der 90er Jahre tut der DFB so gut wie nichts, um den Frauenfußball voran zu bringen. Die erste Deutsche Meisterschaft müssen die Vereine dem Verband gewissermaßen abringen. 1974 ist es so weit.

    "Jetzt also haben sie es geschafft, auch auf dem Rasen hat das angeblich schwache Geschlecht endlich seinen Meister: TuS Wörrstadt. Fackelzug und 30Mann-Kapelle waren im Heimatort bestellt, längst bevor der Endspielschlußpfiff ertönte.....".

    4:0 gewinnen die Rheinhessinnen das erste Meisterschaftsfinale gegen DJK Eintracht Erle, ein Vorort von Gelsenkirchen. Und Bärbel Wohllebens fulminanten Schuss zum 3:0 wählen die ARD-Zuschauer zum Tor des Monats September 1974, womit erstmals eine Frau diese Auszeichnung erhält.

    Die Einrichtung einer Frauenfußball-Nationalelf lässt weitere acht Jahre auf sich warten. Im November 1982 findet in Koblenz das erste Länderspiel einer DFB-Frauenelf statt, gegen die Auswahl der Schweiz. 5:1 siegen die deutschen Kickerinnen. Unter den 5.000 Zuschauern ist viel Fußball-Prominenz, auch der Männer-Bundestrainer Jupp Derwall, der vor den zahlreichen Journalisten und den Fernsehkameras seine jahrelange Ablehnung vergessen machen möchte.

    "Ich habe damals gedacht, das ist so eine Modewelle der Damen, nach Maxi kommt Mini, und ich habe natürlich nicht geglaubt, dass der Damenfußball sich so entwickeln würde, wie wir das heute sehen."

    Als ersten Bundestrainer der Frauen-Elf hatte der DFB den Kölner Sporthochschuldozenten und Trainerausbilder Gero Bisanz verpflichtet, der wegen mangelnder Unterstützung oftmals drauf und dran war, den Job zu quittieren.

    Der Durchbruch kommt 1989 mit der Europameisterschaft im eigenen Land. Erstmals berichten die Medien gebührend über Frauenfußball – es gibt die erste Fernseh-Liveübertragung eines Länderspiels – und die deutsche Elf wird überraschend Europameister. 22.000 Zuschauer sehen am 2. Juli 89 im ausverkauften Osnabrücker Stadion an der Bremer Brücke den 4:1 Sieg über die hoch favorisierten Norwegerinnen.

    "Bereits in der 22. Minute hatte Uraula Lohn ihren ersten großen Auftritt, 1:0. Die 22.000 Zuschauer feuerten an, wollten mehr, und die Tore purzelten geradezu. Wunderbar, Freude über Freude, ein wahnsinniger Erfolg für die deutsche Mannschaft."

    "Und eben auch, dass viele junge Mädchen angefangen haben, sich dann in den Vereinen anzumelden oder die Eltern haben es dann befürwortet oder erlaubt, dass sie in einen Verein gehen dürfen und damit boomte das halt ganz einfach dieser Mädchen- und Frauenfußball,....."

    ....erinnert sich die heutige Bundestrainerin Silvia Neid. Den DFB-Oberen ist der Europameister-Titel ein Kaffee- und Tafelservice als Prämie wert. Aber auch im Verband hat man die Zeichen der Zeit erkannt und beginnt mit ernsthafter Förderung. Ein eigener Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball wird eingerichtet, und 1990 startet die zweigleisige Bundesliga. Die Nationalelf sammelt einen Titel nach dem anderen. Siebenmal werden Deutschlands Fußball-Frauen bis heute Europameister. Und 2003 gelingt die Krönung, der Gewinn der ersten Weltmeisterschaft:

    "Freistoß Lingor noch mal, wieder Künzer, jaaaa – Deutschland ist Weltmeister!"

    "Das war ein Gefühl, das is, ja, Gänsehaut pur, unbeschreiblich, dass man’s dann nach so vielen Spielen endlich geschafft hat, also, war klasse."

    Zurück in Deutschland sind die Kickerinnen überall gefragt. In fast jeder Talkshow erscheinen sie. Die Elf erhält den Bambi-Fernsehpreis, wird bei der Sportlerwahl "Mannschaft des Jahres", und der DFB spendiert für jede Weltmeisterin 15.000 Euro Prämie. Der Frauenfußball in Deutschland erlebt einen Boom wie noch nie. Der Deutsche Fußball-Bund wird - insbesondere unter Präsident Theo Zwanziger - zum größten Förderer, und 2007 gewinnen Deutschlands Kickerinnen erneut den Weltmeistertitel. Wenig später wählt der DFB Hannelore Ratzeburg als erste und bisher einzige Frau in sein Präsidium. Seit Anfang der 70er-Jahre war und ist die engagierte Hamburgerin der treibende Motor im deutschen Frauen- und Mädchenfußball.

    Bald rollt der Ball - Beiträge und Hintergründe vor dem Turnier in Deutschland

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