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20 Jahre Ökosteuer
Rentner profitieren, die Umwelt bisher kaum

Am 1. April vor 20 Jahren führte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Ökosteuer ein. So sollten die belastet werden, die verschwenderisch mit Energie umgingen. Nach Protesten von Autofahrern wurde die Steuer wieder zurückgefahren. Wissenschaftler sagen nun: Gebracht hat sie wenig.

Von Daniela Siebert | 29.03.2019
Selbst tanken in Hamburg
Der Spritverbrauch ist durch die Ökosteuer leicht gesunken. Darüber hinaus attestieren Experten der Steuer wenig Wirkung. (picture alliance/dpa/Foto: Christin Klose)
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW hält die Ökosteuer umweltpolitisch für einen Flop. Die vor 20 Jahren eingeführte Steuer habe nicht die beabsichtigte Lenkungswirkung entfaltet. DIW-Steuerexperte Stefan Bach:
"Die damaligen Ökosteuer-Erhöhungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Kraftstoffe an der Tankstelle. Da hat man 15 Cent plus Mehrwertsteuer oben drauf geschlagen. Im Bereich Heizöl und Gas waren die Steuererhöhungen nur sehr moderat."
Keine nachhaltige Wirkung
Gleich in zwei Studien zum Jubiläum resümiert das DIW die Schwächen der Ökosteuer. Demnach hat sie nicht nachhaltig zur Senkung des Energieverbrauchs beigetragen. Nur bei Benzin und Diesel habe die Besteuerung der Kraftstoffe ein bisschen geholfen, nicht aber im Bereich Wärme, beim Verbrauch von Heizöl und Erdgas. Innovation und einschlägige Investitionen habe die Steuer nicht ausreichend angestoßen, das lag auch am damaligen Ansatz:
"Heute würde man das einheitlicher machen, dass man den CO2-Gehalt besteuert."
Positiv sei die Wirkung der Ökosteuer im Rentensystem, so das DIW. Denn die jährlich 20 Milliarden Euro aus dem Steueraufkommen fließen in die Kasse der Rentenversicherung. Der Rentenbeitragssatz wäre ohne diese Geldspritze 1,2 Prozent höher.
Wer der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterliegt - wie Selbstständige und Beamte - profitiert jedoch nicht. Und einkommensschwache Haushalte litten unter der Ökosteuer mehr als wohlhabendere, moniert das DIW außerdem, da sie gemessen an ihrem Budget höhere Ausgaben für Energie hätten. Abschaffen ist für Stefan Bach trotzdem keine Option.
Neugestaltung statt Abschaffung
"Ökosteuer beibehalten, aber weiterentwickeln, da die Umweltwirkungen bisher nur wenig zu spüren sind und wir jetzt ja auch ganz neue Herausforderungen beim Klimaschutz haben. Da brauchen wir ein breites Instrument, das die Preise für Energie, für CO2-Emissionen sukzessive anhebt und deswegen ist es an der Zeit, die ökologische Steuerreform weiterzuentwickeln."
Eine positivere Bilanz zieht Uwe Nestle, Geschäftsführer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS):
"Die Ökosteuer war gut und richtig. Die Bilanz ist, dass es sehr bedauerlich ist, dass sie nicht weiter geführt wurde, dass sie nicht weiter erhöht wurde. Aber hätten wir sie nicht, sähe es noch schlimmer aus."
Die Wirkungen der Ökosteuer auf die Rentenkassenbeiträge, die Steigerungen bei der Energieeffizienz, die niedrigen Verbrauchszahlen im Straßenverkehr zwischen 1999 und 2003 – all das beurteilt er positiv. Für einen Kardinalfehler hält Nestle jedoch, dass die Steuersätze ab 2003 gleich blieben:
Politik sollte für mehr Akzeptanz der Steuer sorgen
"Steuern sollten so, dass man es planen kann, langfristig steigen, dann werden die Investitionen richtig gesetzt. Und dann wirken sie auch klimafreundlich. Das war teilweise der Fall, weil man von 1999 an wusste, es wird Schritt für Schritt jedes Jahr ein wenig angehoben und entsprechend haben sich die Leute verhalten. Und entsprechend war plötzlich in der Werbung der Spritverbrauch eines Autos ein Thema, was vorher und auch nachher kaum einen interessiert hat."
Die Politik könnte wohl dafür sorgen, die Akzeptanz solcher Steuern in der Bevölkerung zu verbessern – wenn das Motiv besser erklärt würde und die Bürger eine faire Rückverteilung der Einnahmen erwarten könnten. Auch eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes in allen Lebensbereichen sei nötig. Die Ökosteuer sei spätestens ab 2003 zu "klein" konzipiert worden.
EU empfiehlt strengere Maßnahmen
"Dadurch, dass es keine Anpassung an die Inflation gab, sind ja real die Steuern auf Energie gesunken. Seit 2003. Das hat dazu geführt, dass der Anteil an Umweltsteuern am Gesamtsteueraufkommen seit 2003 von 6,5 Prozent auf 4,3 Prozent gesunken ist. Zum Vergleich: Die europäische Kommission empfiehlt einen Anteil von zehn Prozent."
Die ehemalige Vorkämpferin für die ökologische Steuerreform beim BUND, Angelika Zahrnt, heute dort Ehrenvorsitzende, bilanziert die letzten 20 Jahre so: Die Neukonzeption der ökologischen Steuerreform sei klimapolitisch überfällig. Der Ansatz von 1999 habe ökologisch wenig gebracht. Das liege aber nicht am Konzept, sondern am fehlenden Mut der Politik. Damals wie heute.
Ganz anders: Die Meinung des Steuerzahlerbundes. Er hält die Ökosteuer für eine fragwürdige Konstruktion. Ungerecht, weil nur Rentner profitierten. Und widersprüchlich, weil Tanken so aus Sicht der Rentenpolitiker gut sei, aus Sicht der Umweltpolitiker aber nicht.