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Verbrennen statt Recyclen

Die geplante Erneuerung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sieht vor, dass Recycling und die energetische Verwertung gleichgestellt werden. Umweltschützer befürchten, dass dann deutlich mehr Müll als bisher verbrannt wird.

Von Anja Nehls | 19.09.2011
    Die EU hat 2008 eine Abfallrahmenrichtlinie verabschiedet, die festlegt, wie innerhalb der Europäischen Union mit Müll umgegangen werden soll. Der Kernpunkt dabei ist eine fünfstufige Abfallhierarchie:

    Zuerst soll Abfall vermieden werden, wenn das nicht geht, soll er zur Wiederverwertung vorbereitet werden, wenn das auch nicht geht, soll er wenigstens recycelt werden, wenn auch das nicht möglich ist, muss er irgendwie anders verwertet werden, zum Beispiel energetisch und das heißt, im Regelfall er muss verbrannt werden.

    Und wenn auch das nicht geht, sprich, wenn man nicht mal mehr Energie daraus gewinnen kann, dann muss er einfach beseitigt werden. Also fünf Stufen, aus denen der neue Gesetzesentwurf für Deutschland einfach drei macht, kritisieren zum Beispiel die Umweltverbände.

    Denn im neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz werden die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die energetische Verwertung einfach gleichgestellt - jedenfalls für alles, was gut brennt, wie zum Beispiel Holz und Kunststoff.
    Das heißt im Klartext: Verbrennen ist genauso gut wie Wiederverwerten und das würde dann bedeuten, dass viel mehr Müll als bisher einfach verbrannt werden wird, kritisiert Jörg-Andreas Krüger vom Naturschutzbund Deutschland (NABU):

    "Wir haben in Deutschland eine ganze Reihe von Anlagen, die von Kommunen aber auch von Privaten betrieben werden, die energetisch Abfall nutzen, also Abfall verbrennen und damit kann man Gebührenhaushalte nicht weiter belasten, vielleicht sogar entlasten, damit kann man sozusagen bequem im alten Fahrwasser weiter bleiben."

    Seit nämlich 2005 die Deponierung von Abfällen verboten wurde, sind Verbrennungsanlagen wie Pilze aus dem Boden geschossen, viel davon sind noch nicht abgeschrieben und sowohl die Kommunen als auch die privaten Betreiber haben natürlich ein Interesse daran, diese Anlagen auch auszulasten.

    Neben den Müll aus den privaten Haushalten, die von kommunalen Entsorgern oder von Entsorgern, die die Kommune beauftragt hat, entsorgt werden müssen, gibt es ja in Deutschland noch 50 Millionen Tonnen Industrieabfälle. Für die gilt diese sogenannte Überlassungspflicht in der Regel nicht – und auch davon wird künftig dann viel mehr in den Verbrennungsanlagen landen, fürchten die Umweltverbände.

    Was also gebraucht wird, ist eine wesentlich härtere Vorgabe, wie viel Müll in Deutschland recycelt werden muss, fordern sowohl der NABU als auch die Deutsche Umwelthilfe. Bis jetzt werden bei uns circa 64 Prozent des Mülls recycelt, das neue Gesetz sieht als Ziel 65 Prozent bis 2020 vor und das ist lächerlich, findet der NABU und möchte die Hersteller viel stärker verpflichten Recyclingprodukte herzustellen, sagt Dr. Benjamin Bongardt, der Experte für Umweltpolitik.

    "Es gibt keinen runden Tisch, es gibt keine staatliche Institution, es gibt keine Förderung dafür, dass man jetzt sagt, ich möchte eine Brotdose oder ich möchte einen Putzeimer aus Recyclingkunststoff herstellen, sondern es gibt in Deutschland eine im Kunststoffbereich sehr mächtige chemische Industrie, die sagt, lasst die Finger von der Recyclingware, die könnte kontaminiert sein, nimm lieber unserer Primärware, wir verschwenden lieber ein bisschen Rohöl."

    Ähnliches gilt für den Bioabfall. Nur in der Hälfte aller deutschen Haushalte werden Bioabfälle bisher getrennt erfasst, klagt Jörg-Andreas Krüger

    "Es wird immer wieder argumentiert, dass das in der anderen Hälfte vielleicht gar nicht machbar ist, weil die Regionen zu dünn besiedelt sind, weil der Aufwand zu groß wäre. Aus der Gutachterlage, die wir haben, geht aber klar hervor, dass es noch viele Regionen gibt, die, in denen man damit Schätze heben könnten, das würde zum einen die Frachten entzerren und wir könnten über diese Bioabfälle, die getrennt erfasst worden sind, noch mal stärker in so Fragen reingehen, wie Kompostherstellung, damit eben auch Torf zu substituieren als natürlichen Rohstoff und diese Dinge weiter voranzutreiben."

    Gut läuft das mit dem Recycling bisher zum Beispiel bei Papier, Glas oder den zurzeit besonders lukrativen teuren Metallen. Deshalb ist das für die Abfallbeseitiger auch ein ganz attraktiver Markt. Das neue Gesetz erlaubt nun aber unter bestimmten Umständen auch sogenannte gewerbliche Sammlungen. Das heißt, dass private Firmen solche Stoffe einsammeln und wiederverwerten dürfen – was natürlich die kommunalen Entsorger ärgert, weil sie fürchten, dass für sie nur noch der unattraktive Restmüll übrig bleibt.

    Der Verband kommunaler Unternehmen warnt deshalb jetzt schon davor, dass dann die Müllgebühren für die Verbraucher steigen könnten.

    Ende Oktober wird die Beschlussfassung des Bundesstages zum neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz erwartet. Falls der Bundesrat dem Beschluss dann nicht zustimmt, wird das Gesetz im Vermittlungsausschuss behandelt.