Academy Awards 2021

Drei verdiente Oscars für "Nomadland"

06:15 Minuten
Regisseurin Chloé Zhao, Kameramann Joshua James Richards und Frances McDormand beim Dreh zu "Nomadland". Vor karger Landschaft und bewölktem Himmel.
"Nomadland" ist eine Art TÜV-Test für den amerikanischen Traum, sagt unser Filmkritiker. © picture alliance / Associated Press / Searchlight Pictures
Patrick Wellinski im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 26.04.2021
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Bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin: "Nomadland" ist der große Gewinner der diesjährigen Oscar-Verleihung. Zu Recht, betont unser Filmkritiker Patrick Wellinski. Die Oscar-Zeremonie fand er im positiven Sinne „irritierend“.
Eine Frau, die ihren Mann, ihr Haus, ihre Heimat verliert und in einem Van zu leben beginnt: Der US-Film "Nomadland" zeigt moderne Nomaden und spielt mit dem amerikanischen Western-Mythos. Aus Sicht unseres Filmkritikers Patrick Wellinski hat er sich die drei Oscars als bester Film, für die beste Regie (Chloé Zhao) und die beste Hauptdarstellerin (Frances McDormand) verdient.
Frances McDormand und Chloe Zhao zeigen ihre Oscar-Statuen
Oscar-Gewinnerinnen: "Nomadland"-Produzentin und Hauptdarstellerin Frances McDormand und Regisseurin Chloe Zhao© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Chris Pizzello
"Nomadland" zeige, wie tröstend dieser Mythos sein könne: Wenn man alles verliere, könne man sich immer noch in sein Auto setzen und in die Landschaft hinein fahren. "Dieser Mythos fängt dich auf", sagt Wellinski: "Das ist ein romantisches Bild, aber eines, das die Gesellschaft, vor allem die amerikanische, am Leben hält. 'Nomadland' ist so eine Art TÜV-Test dieses amerikanischen Traums. Ein sehr guter Film."
Überraschend findet Wellinski die Darstellerpreise für Frances McDormand und Anthony Hopkins, zumal Viola Davis und Chadwick Boseman ("Ma Rainey's Black Bottom") stark favorisiert waren. Hier seien Leistungen ausgezeichnet worden - und keine "grellen Performances", betont er. McDormand habe es geschafft, die anderen, nicht-professionellen Schauspieler in ihrem Film nicht zu überstrahlen. Hopkins in seiner Rolle als Alzheimerkranker zeige in dem Film "The Father" eine vollkommen neue Facette seiner Kunst.

Oscar-Show ohne Melodramatik

Die Oscar-Zeremonie, unter Pandemie-Bedingungen von Regisseur Steven Soderbergh produziert und aus dem Bahnhofsgebäude Union Station in Los Angeles übertragen, fand Wellinski mehr als außergewöhnlich: "Ich habe lange nicht mehr eine derart seltsame, irritierende, auch antiklimatische TV-Show gesehen. Soderbergh hat unsere Erwartungen hops genommen und eine Art Experimentalfilm produziert."
Dabei sei alles Melodramatische verweigert worden: "Es gab Tränen, aber dann schaltete die Kamera weg von den Tränen. Es wurde nicht vulgär, es wurde nicht infantil. Ich hatte das Gefühl, dass ich zum ersten Mal Hollywood so gesehen habe, wie es wirklich ist, auf ein sehr nachvollziehbares Maß zusammengeschrumpft: auf Menschen, die einfach nur arbeiten."

Filmmusik: H.E.R. setzt sich durch

Auch bei den Filmmusiken habe sich die Academy in diesem Jahr politisch und sensibel für aktuelle Debatten gezeigt, sagt unser Musikkritiker Vincent Neumann . Nominiert waren unter anderem Celestes "Hear My Voice" aus "The Trial of the Chicago 7", einem Gerichtsdrama über die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg, und Leslie Odom Jrs "Speak Now" aus dem Film "One Night in Miami", einem Kammerspiel über Malcolm X, Cassius Clay, Sam Cooke und Jim Brown, allesamt Ikonen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.
Ausgezeichnet wurde aber H.E.R.s Song "Fight for You" aus dem Film "Judas and the Black Messiah", einem Drama über die "Black Panther"-Bewegung in den USA. "All das spricht durchaus dafür, dass die Academy diverser, internationaler und politischer geworden ist", sagt Neumann.
Sehr zufrieden ist unser Kritiker aber auch mit Trent Reznors, Atticus Ross' und Jon Batistes Filmmusik zum Pixar-Animationsfilm "Soul", die als bester Soundtrack ausgezeichnet wurde: "Einer der herausragendsten Soundtracks in diesem Jahr, einfach, weil er so originell ist."
(bth/thg)

Hören Sie unseren Filmexperten Patrick Wellinski auch zu den Besonderheiten der diesjährigen Oscar-Verleihung:

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Die Oscar-Gewinner 2021 im Überblick

Bester Film: Nomadland
Bester Hauptdarsteller: Anthony Hopkins (The Father)
Beste Hauptdarstellerin: Frances McDormand (Nomadland)
Beste Regie: Chloé Zhao (Nomadland)
Bester Nebendarsteller: Daniel Kaluuya (Judas and the Black Messiah)
Beste Nebendarstellerin: Yoon Yeo-jeong (Minari – Wo wir Wurzeln schlagen)
Beste Filmmusik: Trent Reznor, Atticus Ross und Jon Batiste (Soul)
Bester Filmsong: H.E.R. (Fight for You aus Judas and the Black Messiah)
Bestes adaptiertes Drehbuch: Christopher Hampton und Florian Zeller (The Father)
Bestes Originaldrehbuch: Emerald Fennell (Promising Young Woman)
Beste Kamera: Erik Messerschmidt (Mank)
Bestes Szenenbild: Donald Graham Burt und Jan Pascale (Mank)
Bestes Kostümdesign: Ann Roth (Ma Rainey’s Black Bottom)
Bestes Make-up und beste Frisuren: Sergio Lopez-Rivera, Mia Neal und Jamika Wilson (Ma Rainey’s Black Bottom)
Bester Schnitt: Mikkel E.G. Nielsen (Sound of Metal)
Bester Ton: Nicolas Becker, Jaime Baksht, Michelle Couttolenc, Carlos Cortés und Phillip Bladh (Sound of Metal)
Beste visuelle Effekte: Andrew Jackson, David Lee, Andrew Lockley und Scott Fisher (Tenet)
Bester internationaler Film: Der Rausch (Druk), Dänemark
Bester Animationsfilm: Soul
Bester animierter Kurzfilm: If Anything Happens I Love You
Bester Kurzfilm: Two Distant Strangers
Bester Dokumentarfilm: Mein Lehrer, der Krake
Bester Dokumentar-Kurzfilm: Colette

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