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Verdis "Aida"
Ein grazil-elegantes Klanggemälde

Neuaufnahmen bekannter Opern von Verdi gibt es immer wieder. Aber so wie in der jetzt erschienenen Studioproduktion mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros hat man "Aida" tatsächlich selten gehört. Dazu leisten auch Chor und Orchester unter der Leitung von Antonio Pappano ihren Beitrag.

Von Klaus Gehrke | 15.11.2015
    Der Startenor Jonas Kaufmann
    Der Startenor Jonas Kaufmann brilliert in einer "Aida"-Neuaufnahme. (picture alliance / dpa / Robin Townsend)
    1869 bat der ägyptische Vizekönig Ismail Pascha Verdi um ein Bühnenwerk für die Neueröffnung des Opernhauses in Kairo; doch der Komponist lehnte ab. Erst der französische Ägyptologe Auguste Mariette brachte den Stein ins Rollen: sein Szenario weckte Verdis Neugier. Im November 1870 hatte er die Oper vollendet. Stilistisch markiert sie den Beginn von Verdis Spätwerk, denn nach ihr sollten abgesehen von einigen Bearbeitungen älterer Bühnenwerke nur noch der "Othello" und der "Falstaff" folgen. Am 24. Dezember 1871 ging "Aida" im Opernhaus von Kairo in Szene und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Ihren eigentlichen Siegeszug trat die Oper wenige Monate später nach ihrer Premiere an der Mailänder Scala an.
    Bemerkenswerte Neuaufnahme
    Sie sei "die" "Aida" des neuen Jahrtausends, kündigte Warner Classics diese Opernaufnahme an; bemerkenswert ist sie in vielerlei Hinsicht. Studioproduktionen von Opern, früher normales Tagesgeschäft, sind heute aus Kostengründen selten geworden; in der Regel werden zumeist Mitschnitte von konzertanten oder Bühnenaufführungen veröffentlicht. Im Falle der Neuaufnahme von Giuseppe Verdis "Aida", die vor Kurzem beim Label Warner Classics auf den Markt kam, hätte man beide Optionen gehabt: Denn nach der Produktion mit Anja Harteros, Jonas Kaufmann sowie Chor und Orchester der Accademia nazionale di Santa Cecilia Rom unter Antonio Pappano im institutseigenen Großen Saal im Februar 2015 folgte dort eine fulminante konzertante Aufführung.
    Großes Staraufgebot
    Neben Anja Harteros in der Titelpartie und Jonas Kaufmann als Radames ist auch der Rest der Solistenbesetzung mit Ekaterina Semenchuk als Amneris, Ludovic Tézier als Amonasro und Erwin Schrott als Ramfis starverdächtig. Vor allem Kaufmann, der in diesem Jahr bereits ein Album mit Tenor-Arien aus Puccini-Opern vorgelegt hat, zeigt sich hier als sehr beeindruckender Radames, der überaus nuanciert und akzentuiert seine Rolle angeht; darüber hinaus präsentiert er präzise Spitzentöne mal kraftvoll und mal innig zart, etwa in der berühmten Arie "Celeste Aida" im ersten Akt. Gleiches gilt für die Sopranistin Anja Harteros, die ihre Aida selbstbewusst und mit großer berührender Dramatik gestaltet.
    Entschlackter Klang
    Vor allem Pappano gebührt großes Lob: Denn dem Dirigenten gelingt eindrucksvoll eine Befreiung des Werkes von allem blechernen Breitwandschinken-Pathos. Unter seiner Leitung agieren Chor und Orchester der Accademia nazionale di Santa Cecilia Rom überaus differenziert und nuanciert und erstellen damit ein beinahe grazil-elegantes Klanggemälde, das bei aller Brillanz ganz ohne ölig dicke Farben auskommt. In dieser Hinsicht dürfte man Verdis "Aida" so tatsächlich selten gehört haben. Kein Zweifel: diese Einspielung ist überaus gelungen. Die Solisten, allen voran Anja Harteros und Jonas Kaufmann, überzeugen ebenso wie Chor und Orchester. Antonio Pappano, einer der derzeit besten Operndirigenten, tut das Seine dazu. Ob diese Aufnahme tatsächlich "die" "Aida" für das neue Jahrtausend ist, bleibe einmal dahingestellt; das hat ja so gesehen gerade erst angefangen. Aber toll ist sie auf jeden Fall.
    Vorgestellte CD:
    "Verdi: Aida", Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Chor und Orchester der Accademia nazionale di Santa Cecilia Rom, Leitung: Antonio Pappano, Warner Classics, EAN: 0825646106639