Freitag, 19. April 2024

Archiv


Verdorbenes Fleisch in Regalen der Supermärkte

Es ist keine Seuche wie BSE, die in jüngster Zeit für Schlagzeilen sorgt. Die neuesten Fleischskandale sind hausgemacht. Da wird abgelaufenes Fleisch wieder in den Handel gebracht, Schlachtabfälle zu Wurst verarbeitet - insgesamt wird jede fünfte Fleischprobe in Deutschland beanstandet. Sollte nach der BSE-Krise 2001 nicht alles anders und vor allem besser für die Verbraucher werden?

Von Annette Eversberg | 23.11.2005
    " Es gab, was wir häufig haben, einen Hinweis eines ehemaligen Mitarbeiters, der eben diese Verdachtsmomente kundgetan hat, und diese Hinweise haben sich aufgrund der Ermittlungen gestern tatsächlich bestätigt."

    Gudrun Großkopf, Staatsanwältin aus Oldenburg, wundert sich nicht über den jüngsten Fleischskandal in einem Geflügel verarbeitenden Betrieb in Niedersachsen. Denn es liegt noch nicht lange zurück, dass sich die Staatsanwaltschaft Oldenburg bei der Supermarktkette Real mit der Umetikettierung von Fleisch befassen musste.

    Bei dem Fall in Niedersachsen soll ein Geflügelverarbeiter tonnenweise ungenießbares und sogar verdorbenes Hühnerfleisch aufgetaut und wieder in den Verkehr gebracht haben. Zudem habe man Hühnerfleisch mit Wasser aufgespritzt. Staatsanwältin Gudrun Großkopf.

    " Um es ganz deutlich zu sagen, wer Wasser ins Fleisch tut, das Fleisch wird dadurch schwerer, versucht einen Irrtum zu erregen und die Leute zu täuschen, gewinnt dadurch mehr Geld. Gleiches gilt natürlich für die aufgetauten und wieder eingefrorenen oder zurückgekommenen und wieder eingefrorenen und dann als frisch verkauften Gegenstände. Auch hier erwartet natürlich der Kunde, dass solche Sachen vernichtet werden und nicht noch mal quasi in den Verkaufsumlauf gebracht werden."

    Die beiden Fleischskandale sind nicht die einzigen. Gerade wurden in einem Kühlhaus in Gelsenkirchen 60 Tonnen Roastbeef und Putenhackfleisch beschlagnahmt. Das Fleisch soll - mit neuen Haltbarkeitsdaten versehen - wieder in den Handel gebracht worden sein. In Bayern wurden jüngst Schlachtabfälle zu Wurst und anderen Fleischprodukten verarbeitet. Insgesamt wird jede fünfte Fleischprobe in Deutschland beanstandet.

    Dabei wollte doch die erste Verbraucherschutzministerin der Bundesrepublik, Renate Künast, auf dem Höhepunkt der BSE-Krise in Deutschland im Januar 2001, über die nicht nur der damalige Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke, CDU, und Gesundheitsministerin Andrea Fischer von den Grünen stürzten, alles anders und vor allem besser für die Verbraucher machen. Durch neue Standards in der Agrarproduktion, auf ganzer Linie.

    " Wir, meine Damen und Herrn, setzen auf die Agrarwende. Und der Maßstab dabei ist jetzt Klasse statt Masse. Das ist das Neue."

    Doch es war keine Stunde Null, nach 50 Jahren konservativer Agrarpolitik, sondern eher die Übernahme einer schweren Hypothek. Ihr Vorgänger Funke hatte noch bis zum letzten Moment behauptet, Deutschland sei frei von BSE. In der sicheren Überzeugung, dass alle hinter ihm standen. Die Bauern und ihr Verband. Der Druck war groß, denn nach dem Bekanntwerden der ersten BSE-Fälle in Großbritannien war der Rindfleischverbrauch stark zurückgegangen. Viele große Fleischvermarkter schrieben tiefrote Zahlen.

    Statt die Verbraucher aufzuklären, ging man in Deutschland den Weg der Vertuschung. Eine Tierärztin, die schon lange vor der Entdeckung des ersten BSE-Rindes Unregelmäßigkeiten in einem schleswig-holsteinischen Schlachthof gemeldet hatte, wurde erfolgreich von ihrem Amt suspendiert. Das Gewicht der Lebensmittelkontrolleure war gering. Damit wollte Renate Künast ein für allemal Schluss machen.

    " Wir werden dafür Sorge tragen, dass es vom Stall, bzw. vom Futtermittelhersteller über den Stall, über die Verarbeitung bis zur Ladentheke eine gläserne Produktion gibt, und wir werden dazu notfalls im Futtermittelrecht die Strafen erhöhen."

    Als Beispiel diente ihr die Bioproduktion mit dem direkten Weg vom Landwirt zum Verbraucher. Diese Produktion wollte sie in zehn Jahren auf einen Anteil von 20 Prozent erhöhen. Biografien, wie die des ehemaligen Besitzers der Herta-Fleischwarenfabrik Karl Ludwig Schweisfurth, gaben ihr recht. Er verkaufte seine Wurstfabrik und stieg auf die biologische Landwirtschaft um.

    Schon ein Jahr nach ihrem Amtsantritt gab es auch in diesem Bereich den ersten Skandal. In Putenfleisch wurde das schon längst verbotene Pflanzenschutzmittel Nitrofen gefunden.

    Für die Bioproduzenten war der Vertrauensverlust hoch. Hatte es sich doch gezeigt, dass die versprochene gläserne Produktion auch in diesem Bereich nicht so ohne weiteres durchzuhalten war. Denn bei steigender Produktion mussten die Abläufe immer arbeitsteiliger werden, weil große Mengen von Biofutter erst einmal erzeugt werden müssen.

    Der Nitrofenskandal zeigte aber auch, dass die Informationspolitik alles andere als zufrieden stellend war. Zwar hatte damals die Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach das Nitrofen im Putenfleisch gefunden. Das Ergebnis wurde dennoch nicht gemeldet, weil der betroffene Landwirt selber sich um Aufklärung bemüht hatte.

    Der gute Wille reichte den Fleischforschern. Auch die weiteren Kontrollen stockten zunächst im Dickicht vieler Instanzen, die die grüne Ministerin in der kurzen Zeit ihrer Amtszeit noch nicht hatte straffen können.

    Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisierte den Fortbestand alter Strukturen. Bei der Bundesanstalt für Fleischforschung würden kommerzielle Interessen mit staatlichen Aufgaben vermischt, betonte die Vorstandsvorsitzende Professor Edda Müller. Gleichzeitig mahnte sie mehr Kontrollen an.

    Die Ministerin reagierte. Im gleichen Jahr wurden zwei neue Ämter aus der Taufe gehoben. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und das Bundesinstitut für Risikobewertung: Ein nun scheinbar wasserdichtes Netz von Kontrollinstanzen, um Lebensmittelskandale künftig zu verhindern. Wäre da nicht das Eigenkontrollrecht für die Lebensmittelqualität von Herstellern, Importeuren, Spediteuren und Händlern. Und da hat sich - so Christian Fronczak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin - nicht viel geändert.

    " Eigenkontrolle ist ja nur so gut, wie sie dann auch wirklich kontrolliert und nachgewiesen werden kann. Wir haben das Problem, dass hier Informations- und Beweispflichten da sind, die ja auf dem Papier auch sehr gut auszufüllen sind, aber eine Überwachung dieser Angaben und Informationen nicht stattfindet."

    Die Eigenkontrolle wurde seinerzeit bei der Übernahme von EU-Vorgaben Deutschland zugestanden. Auf eine ausdrücklich verankerte Selbstanzeige bei Fehlern oder Pannen hat man von der EU gegenüber Deutschland verzichtet. Der Mangel staatlicher Kontrollmöglichkeiten liegt damit bereits im System.

    Der Betrieb in Niedersachsen, dessen EU-Zulassung nach dem Fleischskandal nun ruht, hatte die Verpflichtung zu dieser Eigenkontrolle: in Form einer lückenlosen Dokumentation aller Vorgänge. Die Aufgabe der Behörden war es aber, diese Eigenkontrolle noch einmal zu kontrollieren.

    Überall wird entbürokratisiert. Das trifft auch die Lebensmittelämter. Dabei kommt es zu einer paradoxen Entwicklung. Die Verquickung kommerzieller Interessen und staatlicher Kontrollaufgaben hatte man mit der Schaffung neuer Ämter gerade erst beseitigt. Durch Übertragung von Kontrollaufgaben auf die Wirtschaft im Zuge der Entbürokratisierung wird die Entflechtung von Interessen wieder zunichte gemacht. Zum Nachteil der Verbraucher.

    Aber es gibt noch andere Fehler im System. Bei Geflügelfleisch lässt sich die Herkunft noch nicht lückenlos nachweisen. Bei dem Fall in Bayern, bei dem rund 2600 Tonnen Schlachtabfälle wie Hühnerskelette, Euter, Hörner, Rinderfüße, Schweineschwarten und Blut auf die Pizza und in die Wurst geraten sein sollen, gibt es sogar noch nicht einmal die Pflicht zur lückenlosen Dokumentation und damit zur Eigenkontrolle.

    Der Grund: Es handelt sich um so genanntes K3 Material, das nur zur Verarbeitung von Tierfutter für Zoo- und Haustiere bestimmt ist. Deshalb braucht es nicht deklariert zu werden. Christian Fronczak unterstützt daher den Vorschlag des bayerischen Verbraucherschutzministers Werner Schnappauf.

    " Es muss eindeutig durch eine farbliche Kenntlichmachung gesichert sein, dass der, der diese Produkte dann weiterverarbeitet, auf den ersten Blick erkennt - manchmal hätte man es angeblich auch riechen können, so dass da auch den Weiterverarbeitern ein Vorwurf zu machen zu ist - dass hier Ware verarbeitet wird, die in Lebensmitteln nichts zu suchen hat."

    Die von Renate Künast zu Beginn ihrer Amtszeit beschworene gläserne Produktion hat noch immer ihre Mängel. Fleisch nimmt viele Wege, von der Zerlegung in so genannte Umpackbetriebe, in Kühlhäuser, Lagerhäuser, ins Ausland und wieder zurück, bis es endlich beim Verbraucher landet. Als Frischfleisch, als Wurst, Schinken oder als Formfleisch in Fertiggerichten. Beim jüngsten bayerischen Fleischskandal sollen die Lebensmittel zwischen Frankreich, Österreich, der Schweiz, Italien und Deutschland hin und her geschoben worden sein. Im Gelsenkirchener Fall zwischen verschiedenen Bundesländern.

    Auf all diesen Wegen wird angeblich kontrolliert. Die Kriterien sind jedoch unterschiedlich. Von Bundesland zu Bundesland. Auch zwischen den Betrieben. Deutschland war es noch vor der von Renate Künast verkündeten Agrarwende gelungen, Ausnahmen von den Kontrollen zu erreichen. Dr. Ernst Jütting von der Lebensmittelüberwachung des Kreises Nordfriesland in Schleswig-Holstein kontrolliert anders, wenn er sich in einem Betrieb befindet, der noch nach nationalem Recht arbeitet, also lediglich als Lebensmittelverarbeiter registriert ist. Dazu gehört auch der Schlachter an der Ecke.

    " Bei registrierten Betrieben ist die Anwesenheit der Kontrolle während der Schlachtung nicht zwingend vorgeschrieben. Es ist auch nicht zwingend vorgeschrieben eine Anwesenheit bei der Zerlegung des Fleisches. Die Frequenz der Untersuchung hängt davon ab, wie gut der bauliche Zustand, wie gut der hygienische Zustand des Betriebes in der Vergangenheit gewesen ist, und wie sich der Betrieb auch sonst in der Vergangenheit benommen hat."

    Der niedersächsische Betrieb in Lastrup soll ein solcher registrierter Betrieb gewesen sein. Aber auch die EU-Zulassung ist in Deutschland keine Garantie, wie der Hauptbetrieb des Geflügelverarbeiters gezeigt hat, dessen EU-Zulassung derzeit ruht. Sie ist allenfalls ein Mindeststandard für Qualität.

    Damit geben sich die großen Lebensmitteldiscounter oder Lebensmittelketten schon längst nicht mehr zufrieden. Sie vertrauen der Eigenkontrolle nicht. Bruno Michaelis vom Schlachtzentrum Nordfriesland des dänischen Schlachtunternehmens Danish Crown muss seine Betriebstore und Bücher für die Kontrolleure der Kunden öffnen.

    " Die großen Handelsketten in Deutschland und Europa verlangen im Vorwege schon, dass die Betriebe, wie wir auch, zertifiziert worden sind und abgenommen worden sind. Und das wird jedes Jahr oder alle zwei Jahre kontrolliert und dokumentiert."

    Dass bei den Eigenkontrollen ein grundsätzliches Defizit besteht, war Renate Künast durchaus bewusst. Sehr viel Energie hat sie deshalb auf den Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes verwandt. Die Behörden sollten künftig die Möglichkeit haben, jederzeit Produkte und Betriebe zu nennen, die gegen das Lebensmittel- oder Fleischhygienerecht verstoßen haben.

    Damit scheint die Agrarwende, die nicht nur den Verbraucher stärken, sondern auch die Landwirtschaft endlich zu einem Teil der Wirtschaft machen sollte, vorerst gescheitert: An den Unionsgeführten Ländern im Bundesrat, in denen noch immer viele Vertreter der früheren Agrarlobby zu Hause sind.

    Für Christian Fronczak ist das neue Lebensmittel- und Futtermittelrecht von diesem Jahr nur ein Papiertiger. Aus seiner Sicht wurde eine wichtige Chance vertan, denn er ist überzeugt, dass man mit einem Verbraucherinformationsgesetz, die Fleisch- und Lebensmittelskandale besser hätte vermeiden können als bisher.

    " Wir haben fehlende Kontrollen, wir haben aber auch fehlende Sanktionen. Das macht sich zum einen fest an hohen Bußgeldern, das macht sich fest an Gefängnisstrafen, wenn hier kriminelle Energie besteht. Wir halten für eine effektivste Sanktion allerdings ein öffentliches Anprangern. Was in Deutschland fehlt ist, dass Ross und Reiter genannt werden, von den Produkten, in denen solche Lebensmittel - in Anführungszeichen-, die nicht hätten verarbeitet werden dürfen, enthalten sind. Es muss hier Verantwortung stattfinden. Es muss dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, diese Produkte zu sanktionieren, indem er die rote oder die gelbe Karte erhebt. Das haben wir im Moment nicht."

    Trotzdem: Die Agrarwende geht weiter. Sie hat an Eigendynamik gewonnen. Darum haben sich seit der BSE-Krise viele engagierte Bauern, unter denen die Zahl der Akademiker steigt, längst gekümmert. Sie haben sich Markenfleischprogrammen und besonderen Qualitätskriterien unterworfen, die Renate Künast zu Beginn ihrer Amtszeit ebenfalls angekündigt hat.

    " Das erste Qualitätszeichen wird sein das Zeichen für den ökologischen Landbau. Das zweite Qualitätszeichen steht für die konventionelle Landwirtschaft, aber auch dafür, dass dort Mindeststandards eingehalten werden."

    Das Biosiegel hat die grüne Ministerin umgesetzt, und es hat sich im Markt etabliert. Ökologische Erzeugerverbände wie Bioland, Demeter oder Naturland haben sich damit arrangiert und stehen für Kontrollen, die sich bisher - vom Nitrofenskandal einmal abgesehen - auch bewährt haben. Hans Karstens ist konventioneller Landwirt im schleswig-holsteinischen Dithmarschen und mästet Bullen im Rahmen eines Markenfleischprogramms.

    " Grundsätzlich machen wir dies ja nicht aus Spaß, sondern einmal, weil wir mit Lust und Liebe Bauern sind, und damit Geld verdienen wollen. Und da müssen wir heute erkennen, wer dieses als Ansinnen hat, hat einen gesellschaftlichen Auftrag. Er produziert für den Verbraucher. Und der Verbraucher hat Anrecht, dass wenn er ein Lebensmittel genießen will, dass er höchste Qualitäten bekommt."

    Hans Karstens weiß noch, dass es unter den Bauern verpönt war, wenn man überhaupt in der Landwirtschaft Geld verdienen wollte. Auch unternehmerische Investitionen waren damals noch Fremdwörter, die heute jedoch selbstverständlich sind. Deshalb hat er mit anderen Landwirten, Vermarktern und Futtermittelherstellern Millionen in das konventionelle Qualitätssicherungssystem QS investiert.

    Ulrich Goulon vom schleswig-holsteinischen Bauernverband weiß sich in der positiven Bewertung des Systems mit den Verbraucherschützern einig und verweist auf den Erfolg.

    " Das QS-System ist eigentlich sehr gut angenommen worden. Wir haben im Schweinefleischbereich eine flächendeckende Akzeptanz des Systems, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, eine sichere Produktion über die verschiedenen Stufen ablaufen zu lassen. Das fängt bei den Futtermitteln an, das geht über den landwirtschaftlichen Betrieb, zur Verarbeitung bis hin zum Verkauf."

    Dem stimmt auch der Agrarökonom Professor Uwe Latacz-Lohmann von der Universität Kiel zu, denn der freiwillige Verbraucherschutz, in den man Geld investiere, sei attraktiver als der staatliche Verbraucherschutz.

    " Da besteht ein gewisser Eigenanreiz dadurch, dass man sich erhofft, durch den Zusammenschluss zu einer Wertschöpfungskette den Marktanteil zu erhöhen, die Gewinnmarge zu erhöhen, das beruht also auf Eigenanreizen der Unternehmen, auch hier etwas auf freiwilliger Basis zu tun für den Verbraucherschutz letztendlich, was über die staatlichen Vorgaben auch hinausgehen kann."

    Der Gewinn für den Landwirt oder Lebensmittelbetrieb ist gleichzeitig der Gewinn für den Verbraucher. Er besteht darin, dass die Produzenten nicht nur viel Geld in ihr Projekt der gläsernen Produktionskette stecken, sondern sich auch gegenseitig kontrollieren. Missstände werden - davon ist Hans Karstens überzeugt - automatisch aufgedeckt.

    " Wenn es so aufbricht, dann kann man dadurch ganz schnell beweisen, dass dieses System funktioniert, und dass die Sicherheit des Verbrauchers dadurch gewährleistet ist. Das ist ja bei anderen Systemen, wo da keine Kontrollen drin sind, ist es nicht möglich, da den Verursacher zu erwischen, der da ein Problem für alle gemacht hat. Und diese Kollektivhaft, die da entsteht, ich denke mal, da ist auch heute so ein bisschen Änderung im ganzen bäuerlichen Verhalten. Wir lassen es uns auch nicht mehr so gefallen, wenn einige oder einer für alle zum Problem wird."

    Ein Verbraucherschutz, der sich rechnet, wird leichter eingehalten, als einer, der nur kostet. Das Fleischwerk der Handelskette Edeka fährt bereits seit den 90er Jahren gut damit. Hier gibt es eine direkte Produktionskette vom Stall bis auf den Tisch. Feste Verträge mit konventionellen Bauern und Ökobetrieben, die Verarbeitung und der Verkauf in eigenen Filialen sichern den Nachschub.

    Eigene Kontrollen werden durch unabhängige Institute überprüft. Eine Umetikettierung von Fleisch, wie es verschiedenen Real-Betrieben vorgeworfen wird, verhindert ein hauseigenes Qualitätsicherungssystem, für das Roland Ferber verantwortlich zeichnet.

    " Wir haben ja einen so genannten Mengennachweis, wir wissen genau, was wir an einen Einzelhandel liefern, und diese Mengen gleichen wir miteinander ab. Die Einzelhändler selber haben keine Abpackstationen in den Märkten. Darauf haben wir großen Wert gelegt. Es wird bei uns alles zentralseitig im Fleischwerk abgepackt."

    Der Chef des Edeka-Fleischwerks, Rolf Heidenberger, wird wegen seiner kompromisslosen Haltung in der Branche gerne als bunter Vogel belächelt. Das stört ihn nicht. Er hat aber auch keine Angst vor kritischen Umweltverbänden.

    " Wir öffnen für die Verbraucher jede Schranktür, wir öffnen den PC, jeder kann bei Biorindfleisch am PC zu Hause die Ohrmarkennummer nachprüfen und kann dann im Internet die Herkunft dieses Rindes mit allen Angaben nachprüfen. Wir haben eine Verantwortung für den Verbraucher, nur er muss auch bereit sein, etwas mehr dafür auszugeben."

    Die Verbraucherpreise sind allerdings noch eine besonders heikle Angelegenheit. Große Discounter machen es vor und vermitteln den Eindruck, dass nach unten hin alles offen ist. Dumping und Schnäppchenjagd auch bei Pizza, Würstchen und Kotelett ist in Deutschland -und nur hier - zum Sport geworden.

    Die Billigpreise sind manchen Verbraucherschützern schon lange ein Dorn im Auge. Das ist ein Grund dafür, dass die Verbraucherschutzministerin ihr Ziel, die Bioproduktion in Deutschland auf 20 Prozent zu steigern, nicht erreicht hat.

    Zwar ist der Verbrauch an ökologisch erzeugten Lebensmitteln nach ihren eigenen Angaben um fast 70 Prozent gestiegen. Doch überwiegend dadurch, dass sie günstig sind. Und günstige Bioprodukte kommen vor allen aus dem Ausland. Neben den Lücken im System gesetzlicher Kontrollen wiegt daher das bloße Preisdumping bei Lebensmitteln für die Verbraucherschützer nicht minder schwer. Christian Fronszak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

    " Wir haben einen enormen Kampf um Marktanteile. Ein enormer Preisdruck, der hier auf die vorgelagerten Stufen auch weitergegeben wird. Stichwort: Discounter. Stichwort: Geiz ist geil. Auch bei Lebensmitteln. Wir haben immer dafür geworben, dass höchste Lebensmittelsicherheit, höchste Lebensmittelqualität nicht mit Billigst- und Dumpingpreisen zu machen ist. Und das fördert natürlich eine kriminelle Energie. Insofern ist das, was wir jetzt geballt an Lebensmittelskandalen haben, was vielleicht nur die Spitze eines Eisberges ist, ein Indiz dafür, dass wir hier grundsätzlich gegensteuern müssen, und nicht nur die Preise, sondern auch die Qualität wieder in den Vordergrund rücken müssen."