Donnerstag, 28. März 2024

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Verdrängte heimische Arten
Biologe: Ausbreitung von invasiven Fischen vorbeugen

In deutschen Gewässern würden zunehmend invasive Arten die einheimischen Fische verdrängen, sagte der Biologe Jürgen Geist im Dlf. Seien die Arten einmal etabliert, müsse man in aller Regel mit ihnen leben. Daher sollte bei der Prävention angesetzt werden. Diese müsste politisch umgesetzt werden.

Jürgen Geist im Gespräch mit Georg Ehring | 05.10.2018
    Seitenansicht einer Amur-Schläfergrundel (Perccottus glenii)
    Einige Fische der Familie der Grundeln verdrängen in deutschen Gewässern heimische Fischarten (imago / blickwinkel / A. Hartl)
    Georg Ehring: Äsche, Barbe, Nase und Hecht - diese und viele andere Fischarten bevölkern traditionell unsere Flüsse. Und weil das Wasser heute meist deutlich sauberer ist als vor Jahrzehnten, haben sich viele Fischarten auch wieder vermehrt, oder sie sind an Orte zurückgekehrt, wo es sie lange nicht gegeben hat. Doch sie sind nicht allein: Invasive Arten sind dazugekommen und sie verdrängen zum Teil die Einheimischen. Zu dieser Erkenntnis sind Forscher der Technischen Universität München gekommen. Ein Team um Professor Jürgen Geist vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie hat die bayerischen Einzugsgebiete von Donau, Elbe und Main untersucht, und ich habe Professor Geist vor dieser Sendung gefragt, welche unerwünschten Arten sich denn bei uns breitgemacht haben.
    Jürgen Geist: Zunächst muss man natürlich sagen, dass die Einstufung, ob eine Art erwünscht oder unerwünscht ist, immer sehr stark von der menschlichen Einschätzung abhängt. Wenn Sie Angler fragen, die an der Donau unterwegs sind und zum Beispiel eine Schwarzmeergrundel nach der anderen fangen, statt des erwünschten Zanders oder Barsches, dann ist das sicherlich ein Beispiel dafür, dass das unerwünscht ist.
    Es hat sich in dieser Studie gezeigt, dass es wirklich einen massiven Wandel der Fischartengemeinschaft gibt, und das betrifft einerseits, dass einige der ehemaligen Charakterarten, der einheimischen Arten stark zurückgegangen sind, sowohl in der Fläche als auch in der Häufigkeit, und dass ein völlig entgegengesetzter Trend für einige der ehemals nicht heimischen Arten und auch für andere Generalisten mit niedrigen Lebensraumansprüchen sich abzeichnet. Das heißt, diese Arten, die wenig anspruchsvoll sind in Bezug auf ihren Lebensraum, die zum Teil mit dem Ballastwasser von Schiffen oder mit anderen Vektoren hier zu uns gekommen sind, die breiten sich zunehmend aus.
    Grundel statt Äsche
    Ehring: Können Sie mal das eine oder andere Beispiel nennen, sowohl von Arten, die verschwinden, als auch von Arten, die eingedrungen sind?
    Geist: Ja. Ein Beispiel für eine Art, die sehr stark in ihren Beständen eingebrochen ist, das ist die Äsche. Die Äsche war früher ein wirklich relativ häufiger Fisch. Wenn man heute in diesen Fließgewässer-Regionen Untersuchungen durchführt, findet man kaum noch Äschen. Das ist ein Beispiel von einer Art, die ganz massiv zurückgegangen ist.
    Auf der anderen Seite eine Art, die extrem erfolgreich ist, das ist die Schwarzmaulgrundel - eine der Grundelarten, die aus dem Raum des Kaspischen Meeres und des Schwarzen Meeres kommt, die wahrscheinlich mit dem Ballastwasser von Schiffen hier eingebürgert wurde. Und da sehen wir zum Beispiel in der bayerischen Donau, dass die in den Uferbereichen, vor allem in den Bereichen, wo wir Blocksteinschüttungen haben, also Lebensräume, die der Mensch stark überprägt hat, dass dort die Grundel mehr als 50 Prozent der Individuenanzahl und auch der Biomasse in diesen Uferbereichen ausmacht. Wirklich ein kompletter Wandel eigentlich dieser Lebensgemeinschaft.
    Politische Präventionsmaßnahmen
    Ehring: Was kann man denn da machen? Muss der Mensch das einfach hinnehmen?
    Geist: Wenn eine Art, die hier ursprünglich nicht heimisch war, sich mal etabliert hat und beginnt, sich weiter zu verbreiten, dann ist es in aller Regel extrem schwierig, noch etwas Sinnvolles zu unternehmen. Es wird zwar dann versucht, mit Hegeangeln oder mit anderen Maßnahmen die Dichten zu reduzieren. Wenn man das ehrlich sieht, bringt das in diesem Stadium aber nichts mehr. Es bleiben einem wenn dann nur sehr drastische Methoden, ganze Gewässerbereiche zu vergiften. Das wird bei uns in aller Regel nicht gemacht, in Amerika oder auch in Skandinavien zum Teil schon.
    Das heißt, wenn diese Arten sich mal wirklich gut etabliert haben und verbreitet haben, dann muss man in aller Regel damit leben. Von daher gilt es, in erster Linie bei der Prävention anzusetzen, zu verhindern, dass unerwünschte Arten überhaupt in neue Gewässer eingetragen werden. Im Fall des Schiffs-Ballastwassers gibt es da eigentlich sehr gute Möglichkeiten. Wenn man das entsprechend behandelt und filtert, besteht da keine Gefahr mehr. Das muss aber entsprechend politisch umgesetzt werden. Ähnlich sehe ich das auch für den Aquarienhandel.
    "Vor allem strukturelle Defizite"
    Ehring: Sind denn die heimischen Arten vor allem durch invasive Arten bedroht, oder durch andere Faktoren? Es gibt ja auch Begradigungen, schmutziges Wasser, Stauwerke und Ähnliches.
    Geist: Es ist in erster Linie nach unserer Einschätzung so, dass die vielfältigen Eingriffe, die der Mensch in die Fließgewässer vor allem vorgenommen hat, dass das die wesentliche Ursache ist für den Rückgang der heimischen Arten. Die Neuankömmlinge – es gibt Beispiele, wo die auch wirklich in direkte Konkurrenz treten können, oder auch entsprechende Probleme dann machen mit den heimischen Arten. Aber häufig ist es in der schon genannten Verkettung, dass zunächst die Lebensraumansprüche für heimische Arten nicht mehr gegeben sind und dann in einer zweiten Stufe Arten, die geringe Ansprüche an ihren Lebensraum haben, Fuß fassen können.
    Zu den bekannten Defiziten unserer Fließgewässer gehören natürlich Faktoren wie die Verbauung der Gewässer. In Bezug auf die Wasserqualität haben sich deutliche Verbesserungen ergeben durch verbesserte Kläranlagen-Technologien etc. Aber es sind vor allem diese strukturellen Defizite, die wir haben. Der Mensch hat einfach in den Regionen der Welt, die schon längere Zeit besiedelt sind, die Fließgewässer-Lebensräume ganz massiv verändert, und das macht sich in erster Linie bei den spezialisierten Fischarten bemerkbar, weil diese Arten häufig einen ganz komplexen Entwicklungszyklus haben und in verschiedenen Phasen des Entwicklungszyklus dann auch ganz unterschiedliche Ansprüche haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.