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Verein von Zeitungs-Ombudsleuten
Ein Anwalt für den Leser

Statt per Leserbrief erhalten Zeitungen und andere Medien die Rückmeldungen heute meist über soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste. Direkt zu reagieren und zu kommunizieren, wird immer wichtiger. Auch eine Aufgabe für Ombudsleute, die sich nun in einem eigenen Verein vernetzen.

Von Vera Linß | 30.04.2018
    Pressestunde Zeitungsleser in einem Nachrichten_Kaffee im Bergmannkiez Berlin 2017
    Es wurde noch nie so viel mit den Lesern kommuniziert (imago stock&people)
    Facebook, Twitter, Blogs - nie wurde so viel mit dem Leser kommuniziert, wie heute. Sich über digitale Kanäle ans Publikum wenden und die eigene Arbeit transparent machen, gehört für jedes Blatt inzwischen zum Standard. Braucht man da noch Ombudsleute? Mehr denn je, sagt der ehemalige Deutschlandradio-Intendant Ernst Elitz. Seit gut einem Jahr arbeitet er für die BILD-Zeitung als Ombudsmann.
    "Ja, es ist wichtig geworden, weil man in der Fülle der Informationsbits, die so durch das Netz schwirren, ja leicht die Orientierung verliert. Und dass die Leute verunsichert sind und auch durch den Begriff Lügenpresse verunsichert sind. Und deshalb halte ich es für richtig und wichtig, dass man eine solche Institution schafft - als einen direkten Ansprechpartner für die Leser, also eine Person."
    Vor allem der menschliche Kontakt werde geschätzt, sagt Elitz.
    "Du brauchst schon Leute, die tief davon überzeugt sind"
    Ombudsleute können helfen, schnell und unbürokratisch sachliche Fehler oder Ungenauigkeiten zu korrigieren. Auch wenn sich die Redaktion im Ton vergriffen hat, unzulässig Werbung und redaktionelle Inhalte vermischt werden oder ein Artikel polarisiert, ist der Leseranwalt zur Stelle. Wie wichtig diese Vermittlerrolle ist, kann auch Paul-Josef Raue, zuletzt Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen", bestätigen. In seinem Berufsleben hat er nicht nur über viele Jahre Erfahrungen mit Ombudsleuten gesammelt, sondern auch selbst diese Position geschaffen - etwa bei der "Braunschweiger Zeitung" und bei der "Volksstimme" in Magdeburg. Aus seiner Sicht gibt es viel zu wenige Ombudsleute in Deutschland.
    "Redaktionen mögen Ombudsleute nicht, weil die gerne als Nestbeschmutzer gesehen werden. Chefredakteure und Verlagsmanager mögen Ombudsleute nicht, weil sie ein Kostenfaktor sind. Du brauchst schon Leute, die so tief davon überzeugt sind, dass du einen vernünftigen Leserkontakt auch für Redaktionen brauchst, die dann sagen: Ich schaffe diese Stelle und zieh das durch. Und dass wir so wenig haben, zeigt natürlich durchaus auch, welches Problem wir in Deutschland mit den Leserkontakten und mit Leservertrauen haben."
    Wie kritisch dürfen Ombudsleute sein?
    Dabei ist der Bedarf durchaus da. 50 bis 60 Leser wenden sich pro Woche an ihn, berichtet etwa BILD-Ombudsmann Elitz.
    Wie kritisch ein Ombudsmann dem eigenen Blatt gegenüber sein darf, ist schwer zu sagen. Schließlich ist er nicht nur dem Leser verpflichtet, wie der Medienethiker Alexander Filipovic einräumt.
    "Die Loyalität gilt natürlich auch der Redaktion und dem Verleger, wenn man dort angestellt ist. Von daher muss man, glaube ich, diese Ombudsleute unterstützen, die beobachten und sagen, dass es gut ist, was sie tun, aber auch kritisch drauf kucken, wenn man den Eindruck hat, das ist tatsächlich nur ein Feigenblatt."
    Umgang mit Beschwerden ist stark verrechtlicht
    Im besten Fall können Ombudsleute Medienkritik und Medienethik ergänzen. Wie auch die Arbeit des Presserats, bei dem man sich ebenfalls über unsaubere Recherchen oder unangemessene Darstellungen beschweren kann. Schließlich, so Paul-Josef Raue, gebe es eine ganze Reihe von Regeln, die der Presserat nicht abdeckt.
    "Es gibt Zeitungen, die sagen, wir haben keine Trennung zwischen Nachricht und Kommentar. Ist keine Regel beim Presserat. Oder sie haben eine ganz bestimmte Richtung in der Zeitung. Also der Bayernkurier hat eine andere Richtung als der Stern. Das sind so Geschichten, die müssen Redaktionen selber aushandeln. Ich sehe noch ein anderes Problem, es ist mittlerweile stark verrechtlicht. Und in vielen Redaktionen entscheidet gar nicht mehr die Chefredaktion, wie man mit einer Beschwerde umgeht, sondern gibt sie gleich dem Hausjustiziar oder einem Anwalt."
    Vernetzung statt Einzelkampf
    Bisher sind die wenigen Ombudsleute, die es gibt, als Einzelkämpfer unterwegs. Mit dem Verein soll sich das ändern.
    "Wir wollen eigentlich auch Leute dazu holen in diese Vereinigung, die jetzt im weitesten Sinne auch mit der Ethik des Journalismus was zu tun haben. Die also die Vertrauenskrise, die im Journalismus da ist, auch reflektieren. Wir würden auch zum Beispiel einen Juristen nicht ablehnen. Wir würden uns freuen über Hochschullehrer, die dabei sind. Wir wollen im Grunde Ombud plus Ethik im Journalismus zusammenbinden. Allerdings in einem sehr praktischen Sinne - wir wollen da keine große theoretische Veranstaltung draus machen."
    Deshalb arbeiten die Ombudsleute unter anderem mit dem Netzwerk Medienethik zusammen, dem auch Alexander Filipovic angehört.
    "Würde auch Öffentlich-Rechtlichen gut tun"
    Der Ethikprofessor von der Hochschule für Philosophie München kann sich gut vorstellen, dass das Thema "Ombud" auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk interessant sein könnte.
    "Ich glaub, dass die Öffentlich-Rechtlichen darüber nachdenken können, sowas zu machen. Der Schweizer Rundfunk hat sowas ja auch. Ich glaub, dass das dem Vertrauensverhältnis zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Zuschauern und Zuhörern auch gut tun könnte. Also ich würde das begrüßen, wenn´s da Modelle gibt. Kann man vielleicht ein bisschen kucken, ob sowas tatsächlich gelingt. Aber warum nicht? Ich glaub, die sollten mit dem Modell experimentieren."
    Bislang hat nur der Bayrische Rundfunk einen Ombudsmann.