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Energiepreise
Heizkosten werden für Vereine zum Problem

Stark steigende Energiepreise sind nicht nur für viele Familien und für Unternehmen ein Problem, sie belasten auch Sportvereine. Viele sehen so hohe Kosten auf sich zukommen, dass sie momentan nicht wissen, wie sie das finanzieren sollen. Vereins-Verantwortliche appellieren an die Politik.

Von Jessica Sturmberg | 30.04.2022
Holger Dahlke steht neben dem Becken und lächelt.
Holger Dahlke, Vorstandsvorsitzender des MTV Köln im vereinseigenen Schwimmbad (Sturmberg/Dlf)
Ein Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskurs für 6- bis 9-Jährige. Rund 20 Mädchen und Jungen laufen in der Halle, sobald Kursleiter Josef Spolaore eine Farbe ausruft, gilt es zu den roten, grünen oder gelben Sportringen zu laufen und sich zusammen mit den anderen Kindern dorthin zu retten.
Es ist eine von 800 Sportstunden, die der MTV, der größte Breitensportverein in Köln mit rund 5.000 Mitgliedern, anbietet. Gerade erst zum Jahresbeginn hat der Verein nach fünfeinhalb Jahren seine Beiträge erhöht, Erwachsene zahlen im Monat 20 Euro, Kinder 13,50 Euro. Es war keine leichte Entscheidung, denn für viele im rechtsrheinischen Mülheim zählt jeder Euro. Dass sein Verein nach so kurzer Zeit schon wieder schwer kalkulieren muss, fällt dem Vorstandsvorsitzenden Holger Dahlke nicht leicht. Momentan will er noch gar nicht daran denken, wie das gehen soll, wenn der Strom- und Gasvertrag am Ende des Jahres ausläuft und es auf eine Verdopplung der Kosten oder sogar noch mehr hinauslaufen könnte:
„Dann wäre das schon eine echte Belastung, weil wir hier alleine an Gas im Jahr rund 16.000 Euro ausgeben für den Betrieb, der ja insbesondere auch in die Schwimmbadlüftung, Schwimmbadheizung fließt. Würde man sich überlegen, dass sich das verdoppelt, dann wäre das natürlich ein ordentlicher Aufschlag, der nicht mal eben so für einen gemeinnützigen Verein zu verkraften ist.“

"Alleinstellungsmerkmal Schwimmbecken" als Problem

Der mit Abstand größte Kostenblock kommt durch das vereinseigene Schwimmbad. Erst seit 2019 in Betrieb, durch Corona konnte es immer wieder nicht genutzt werden wie geplant und trotzdem ist es das Aushängeschild des Vereins. 12 Meter 50 lang, 6 Meter breit, 1 Meter 35 tief:
„Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, was wir hier mit viel Aufwand betreiben, was auch bewusst ansetzt an dem Punkt, dass die öffentlichen Bäder ja immer mehr an Nutzungszeiten zurückfahren oder es werden Bäder geschlossen. Und da sind wir froh, dass wir dieses kleine aber feine Bewegungsbad haben.“
Gerade jetzt, wo die Nachfrage nach Schwimm- und Wasserbewegungskursen wieder in die Höhe schießt. Innerhalb von einer halben Stunde waren beim MTV die verfügbaren 80 Kursplätze ausgebucht. Für Holger Dahlke ist Schwimmen eine Kernsportart, die ein Breitensportverein einfach anbieten müsse. Aber beim Neubau würde er heute einiges anders machen. Zum Beispiel doch auf Photovoltaik setzen, von der ihm die technischen Planer wegen der Komplexität bei der Planung 2015 noch abgeraten hatten.

Eintracht Dortmund spart mit nachhaltigen Projekten Geld

In Dortmund bei der TSC Eintracht, dem größten Breitensportverein der Stadt, hat der Vorstandsvorsitzende Alexander Kiel gerade sein Photovoltaik-Projekt umgesetzt. Anfang Mai werden die Paneele ans Netz angeschlossen, ein Sechstel des Strombedarfs werden dann von Sonnenenergie abgedeckt. Es kommt zur rechten Zeit, sagt Kiel:
„Die Anlage hat 70 Kilowatt Peak nennt sich das und da hoffen wir so auf 50.000 bis 60.000 Kilowattstunden Strom im Jahr.“
Die Paneele aus deutscher Produktion wurden im November bestellt, ebenso frühzeitig die Handwerksbetriebe eingebunden. Der Verein war vor dem großen Ansturm aktiv, es kam damals noch nicht zu Lieferschwierigkeiten.
„Wenn wir da jetzt anfangen würden, wären wir ja dieses Jahr nicht mehr fertig gewesen. Das Tempo, das jetzt gemacht werden soll, hängt mit so vielen Dingen zusammen. Wir haben schon gesagt, wir müssen jetzt wissen, was in einem Jahr kaputtgeht, damit wir dann schon mal einen Handwerker bestellen. Für energetische Dinge genau dasselbe.“
Kiel steht im vereinseigenen Gewächshaus und lächelt
Alexander Kiel, Vorstandsvorsitzender des TSC Eintracht Dortmund, steht im vereinseigenen Gewächshaus - Teil eines Ernährungsprogramms des Vereins (Sturmberg/Dlf)
Der Dortmunder Verein hat rund 7.000 Mitglieder und im Vergleich zum Kölner Verein MTV ein viel größeres eigenes Vereinsgelände. Bei Eintracht Dortmund beträgt der aktuelle Mitgliedsbeitrag 19 Euro für Erwachsene und 14 der ermäßigte Satz. Im kommenden Jahr dürfte es wegen der Inflation einen deutlichen Schritt nach oben gehen.
Der Verein investiert laufend in neue Energiespar- und Klimaprojekte. Seit 2009 ist Alexander Kiel Jahr für Jahr dabei, Energie im Verein einzusparen: nur noch LED-Lampen, ein effizientes Blockheizkraftwerk, der Hockeyplatz hat ein Drainage-System mit dem Wasser aufgefangen und wiederverwendet werden kann. Durch all das spart der Verein bereits jetzt viel Geld, erklärt Alexander Kiel:
„Wir würden jetzt 250.000 Euro, wenn man das Wasserprojekt mit dazu nimmt, statt 120.000 Euro, die wir jetzt zahlen, zahlen müssen. Das heißt, wir haben jetzt 130.000 Euro Einsparungen pro Jahr. Und wenn man sieht, dass sich die Energiepreise gegebenenfalls ab nächstem Jahr verdoppeln, kann man sich das ja hochrechnen, was wir dann sparen.“

Wunsch an die Politik: Nachhaltigkeit stärker und unkomplizierter fördern

Und trotzdem: auch ihm graut es schon davor, wenn die zum Jahresende auslaufenden Energieverträge neu verhandelt werden müssen. So schnell wie möglich will er ganz weg von fossilen Brennstoffen. Und steuert dafür auch schon das nächste Projekt an:
„Das nächste Projekt ist Erdwärme. Hier sind wir jetzt an der südlichsten Ecke unserer sportlichen Anlage. Hier kann der Bohrer gut hinfahren, hier können Leitungen in die Erde gebracht werden und wenn die entsprechenden geologischen Ergebnisse vorliegen, würden wir hier entsprechende Bohrungen vornehmen.“
Was sich sowohl Alexander Kiel als auch Holger Dahlke von der Politik wünschen: dass solche energetischen Projekte stärker gefördert werden und es vor allem unbürokratischer gemacht wird. Es vergehe viel zu viel Zeit mit Genehmigungen, die die Vereine in der akuten Lage jetzt in große Schwierigkeiten bringen kann. Sie warnen beide: Nach zwei Pandemiejahren, bei denen viele Mitglieder ihren Vereinen die Treue gehalten haben, seien große Beitragssteigerungen kaum noch durchzusetzen und könnten durch Vereinsaustritte am Ende zu Verlusten führen.      

Rationierung würde zum Problem für Vereine

Und wenn Gas vielleicht sogar rationiert werden muss, dann würden sie nach aktuellem Stand hinten anstehen. Eine Vorstellung, die noch keiner aussprechen mag, meint Alexander Kiel:
„Na gut, kalt duschen geht, aber wenn es dann im Winter losgeht, dann haben wir zu niedrige Temperaturen im Gebäude, was nicht nur den Komfort der Mitglieder extrem einschränken würde, sondern auch Probleme mit sich ziehen, was die Gebäudesubstanz angeht.“
Darum sensibilisiert der Verein schon jetzt seine Mitglieder nicht mit dem Auto zum Verein zu kommen, es wurden extra neue Fahrradständer angeschafft, die es ermöglichen teure E-Räder sicher abzuschließen.