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Vereinigung angestrebt

Physik. - In Hamburg am Deutschen Elektronensynchrotron DESY dreht sich in dieser Woche alles um SUSY - zumindest was das Konferenzleben der Physiker anbelangt. SUSY ist das Kürzel für eine viel versprechende Theorie: die Supersymmetrie. Sie soll das Wissen um die elementaren Teilchen und Kräfte erweitern und uns der Antwort auf die Frage Goethes näher bringen, was denn nur die Welt im Innersten zusammenhält. '''' heißt die Konferenz, auf der die Physiker nach Antworten suchen.

19.06.2002
    Von Frank Grotelüschen.

    Es wäre ein ganz großer Schritt vorwärts im Verständnis einer vereinigten Theorie für Kräfte - die Theorie von Allem. Wir können auch sagen: der Universaltheorie der Materie.

    Der große Schritt, den Professor Peter Zerwas vom DESY in Hamburg so sehnsuchtsvoll erwartet, heißt Supersymmetrie, kurz SUSY. Sie baut auf dem auf, was sich die Physiker in den letzten Jahrzehnten mühevoll erarbeitet haben - dem Standardmodell der Teilchenphysik. Dieses beschreibt, so Zerwas, vereinfacht gesagt:

    Dass die Materie aufgespalten werden kann in Teilchen. Und die Grundelemente für diese Teilchen sind die Quarks und die Leptonen. Quarks bauen die Kerne auf über Protonen und Neutronen, sind also deren Bestandteile. Und zur Familie der Leptonen gehören Elektronen und Neutrinos.

    Zusammengehalten werden all diese Teilchen durch vier verschiedene Naturkräfte: die Gravitation, also die Schwerkraft, die elektromagnetische Kraft und zwei Varianten von Kernkräften, die man als starke und als schwache Kraft bezeichnet. Nun hat sich das Standardmodell in zahllosen Beschleunigerexperimenten zwar bestens bewährt. Dennoch sind die Experten mit ihm nicht so recht glücklich. So stehen im Standardmodell die beiden Phänomene Materie und Kräfte recht unverwandt nebeneinander. Abhilfe schaffen soll SUSY, die Supersymmetrie - und zwar wie folgt, sagt Jan Kalinowski, Physikprofessor an der Universität Warschau:

    Zusätzlich zu jedem der bekannten Teilchen sollte ein weiteres Partikel existieren, eine Art Partnerteilchen. Diese Partner unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihren Spin, ihren Eigendrall. Die Supersymmetrie sagt also voraus, dass es noch viel mehr Teilchen gibt, als wir bislang beobachten.

    Und obwohl die Existenz dieser SUSY-Teilchen noch nicht bewiesen ist, haben sich die Physiker vorsorglich schon mal hübsche Namen für sie ausgedacht. Kalinowski:

    Den supersymmetrischen Partner des Elektrons bezeichnen wir als Selektron. Für das Myon haben wir das Smyon, für das Tau das Stau, für das Quark das Squark. Der Partner des Photons heißt Photino, der des Neutrinos Neutralino und so fort.

    Ein Wirrwarr von Teilchen, das auf den ersten Blick als Rolle rückwärts erscheinen mag. Schließlich würde SUSY die Anzahl der Elementarteilchen auf einen Schlag verdoppeln. Statt klarer und einfacher erschiene die Physik komplexer und undurchsichtiger. Dennoch: Die Fachleute würden die Teilchenverdoppelung liebend gern in Kauf nehmen. Der Grund: Mit SUSYs Hilfe würden die beiden Phänomene Materie und Kräfte viel dichter zusammenrücken, sagt Peter Zerwas:

    Diese beiden Sorten werden in der Supersymmetrie in einem einheitlichen Konzept zusammengefasst. Man vereinheitlicht auf diese Weise die Materieteilchen in der Natur zusammen mit den Kraftpartikeln in der Natur.

    Damit dürften Kräfte und Teilchen auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen, dürften einen gemeinsamen Ursprung haben. Die Natur wäre damit ein gutes Stück symmetrischer. Genau das schätzt der Physiker über alle Maßen - und spricht erwartungsfroh von Supersymmetrie. Auch den Kosmologen kämen die SUSY-Teilchen wie gerufen. Denn sie könnten einen Großteil der heiß gesuchten Dunklen Materie ausmachen.

    Doch die Sache hat einen Haken: Bislang ist SUSY reine Theorie, und ihr Beweis steht noch aus. Doch er soll in absehbarer Zeit erfolgen, und zwar durch den LHC, den größten und teuersten Beschleuniger aller Zeiten. Er wird zurzeit am CERN in Genf gebaut.

    Ich hoffe, dass der LHC 2007 oder 2008 die Entdeckung des ersten SUSY-Teilchens vermelden wird.

    sagt Jan Kalinowski. Dann dürften nicht nur die Teilchen im Beschleuniger aufeinander knallen, sondern auch die Champagnerkorken in der Studierstube.