Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Vereinigung bildender Künstler
Als die "Münchener Secession" gegründet wurde

"Münchener Secession" klingt zwar nach Aufbruch in eine neue Ära der Kunst, den Mitgliedern ging es aber um etwas anderes: verbesserte Ausstellungsmöglichkeiten, internationale Kontakte und die Befreiung von der Dominanz einflussreicher Malerfürsten und der Obrigkeit. Vor 150 Jahren gründete sich die Vereinigung bildender Künstler.

Von Carmela Thiele | 04.04.2017
    Bilderrahmen aus verschiedenen Epochen hängen am 15.12.2012 in Düsseldorf (Nordrhein- Westfalen) im Rahmenmuseum. Dem Besucher des Museums bietet sich eine Sammlung von Rahmen von der Gotik bis zum 19. Jahrhundert.
    Dank der Secession entwickelte sich in München um 1900 eine lebhafte Kunstszene. (picture-alliance / dpa / Horst Ossinger)
    "Herr Gott, war das schön, der Eintritt in die Secessionshalle. Ich vergess den Eindruck nimmer und nimmer mehr. Mein erster Eindruck war ein unbezwinglicher Jubel. Und nun sind wir fertig, wir sind erfrischt und gekräftigt. Keine Spur von Ermüdung. Wir haben wenig gesehen, aber das Wenige war kostbar."
    So schwärmte der Publizist Oskar Panizza über die erste internationale Ausstellung der Münchener Secession 1893. Aber waren 883 Werke von 340 Künstlern wirklich "wenig"? Aus damaliger Perspektive schon. Der Secession war es gelungen, die Zahl der Werke, die zuvor jährlich von der Königlich Privilegierten Allgemeinen Deutschen Künstlergenossenschaft gezeigt wurden, zu halbieren. Es hatte sich Unmut über die unübersichtlichen und nur mehr nationalen Mega-Schauen breitgemacht, nicht zuletzt, weil zu wenig Bilder von Münchener Malern verkauft wurden. Ende Februar 1892 trafen sich zehn Maler im Atelier des Akademiestudenten Josef Block und verfassten ein Flugblatt, das zur Gründung der Münchener Secession führte.
    "Collegen! Der Kampf, der jahrelang geheim geführt wurde, ist mit Erbitterung an der Oberfläche entbrannt."
    Protestler einte kein gemeinsamer Stil
    Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehörten heute wenig bekannte Künstler wie Bruno Piglhein, der spätere erste Vorsitzende der Münchener Secession, Ludwig Dill und Hugo von Habermann, aber auch der junge Franz Stuck. Mit seinen Gemälden, die alte Mythen mit moderner Freizügigkeit kombinierten, sollte er als eines der wenigen Mitglieder berühmt werden. Die Protestler einte kein gemeinsamer Stil, aber der Wunsch, mit der Dominanz der Künstlergenossenschaft zu brechen, wie Michael Buhrs, Direktor der Villa Stuck in München, betont:
    "Die Jahresausstellungen wurden immer größer, wurden aber nicht unbedingt vielfältiger. Und von daher war es wohl auch der Wunsch nach einem neuen Schwung innerhalb dieser Künstlerschaft. Wobei die Werke sozusagen sich nicht unbedingt verändert hatten. Es ging im gleichen Stil weiter, aber der grundsätzliche Unterschied war mit Sicherheit, dass man gesagt hat, wir müssen von außen Ideen nach München holen, wir müssen internationale Gäste einladen und dadurch das Schaffen der Münchener Künstler befruchten."
    Am 4. April 1892 gründeten rund 100 Künstler den Verein bildender Künstler München. Der Name Münchener Secession setzte sich erst ein halbes Jahr später durch. Unterstützer sammelten Geld, geeignete Ausstellungsräume mussten her. Ein Mäzen stellte ein Grundstück am Rande des Englischen Gartens zur Verfügung, und das Secessionsgebäude wurde bereits im folgenden Jahr eingeweiht.
    Alles andere als ein Hort der Avantgarde
    Aus heutiger Sicht war die Münchener Secession jedoch alles andere als ein Hort der Avantgarde. Es herrschte aber Offenheit gegenüber neueren Tendenzen. Landschaften, Porträts, Genreszenen waren zu sehen, auch Werke von Gustave Courbet, Camille Corot, Fernand Khnopff oder Jan Toroop. Für einen Skandal sorgte bei der ersten Ausstellung Franz Stuck, späterer geadelter Ritter Franz von Stuck. Der Titel seines damals ausgestellten Bildes lautete "Die Sünde". Michael Buhrs:
    "Eva mit dem Apfel und der Schlange, das würde an sich noch keinen Skandal hervorrufen. Aber die Schlange, die sich um den Hals dieser fast unbekleideten Dame wickelt und der offene Blick auf den Betrachter, das kombiniert mit einer bestimmten Farbigkeit, die das Ganze ins mysteriös Dunkle zieht, das war mit Sicherheit das, was die Betrachter sozusagen herausgefordert hat."
    Dank der Secession entwickelte sich in München um 1900 eine lebhafte Kunstszene, wenn auch der Verein bald wieder mit der Künstlergenossenschaft gemeinsam Ausstellungen organisierte. Dennoch bildeten sich weitere Abspaltungen und Künstlergruppen wie etwa 1912 der Blaue Reiter, dem Wassily Kandinsky und Franz Marc angehörten. 1938 lösten die Nationalsozialisten die Münchener Secession auf. Sie wurde zum Vorbild der berühmten Secessionen in Berlin und Wien.