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Verfahren in der Türkei
Keine Haftstrafe für Fußballer Deniz Naki

Der frühere Bundesligaprofi Deniz Naki stand in der Türkei wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda vor Gericht. Nun wurde er freigesprochen, gleich nach Eröffnung der Verhandlung. Der Jubel ist groß - vor allem bei einem ehemaligen Verein.

Von Michael Borgers | 08.11.2016
    Deniz Naki bei seinem Abschied vom FC St. Pauli 2012.
    Deniz Naki bei seinem Abschied vom FC St. Pauli 2012. (picture alliance / dpa / Malte Christians)
    Ein Staatsanwalt habe unter Verweis auf die Meinungsfreiheit um Freispruch gebeten, teilte Nakis Anwalt mit. Zuvor hatten Prozessbeobachter und der Linken-Abgeordnete Jan van Aken der Deutschen Presse-Agentur von einer Einstellung des Verfahrens berichtet. Er sei glücklich und erleichtert, sagte Naki nach der Entscheidung. "Denn so, wie sich die Dinge in der Türkei gerade entwickeln, konnte ich wirklich nicht davon ausgehen, freigesprochen zu werden." Die Staatsanwaltschaft hatte dem 27-Jährigen Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Hintergrund waren Nachrichten, die Naki über Soziale Netzwerke verbreitet hatte.
    Nach einem Sieg seines aktuellen Vereins, des türkischen Drittligisten Amed SK gegen den Erstligisten Bursaspor im Pokal, hatte der frühere DFB-U21-Nationalspieler im Januar auf Facebook gepostet, er widme den Erfolg denen, "die bei den Grausamkeiten, die seit über 50 Tagen auf unserem Boden stattfinden, getötet oder verletzt wurden". Über Twitter verbreitete er seine Botschaft.
    Naki hatten bis zu fünf Jahre Haft gedroht. Er sei bereit gewesen, seine Strafe anzutreten, hatte er gegenüber Jan van Aken noch kurz vor dem Freispruch erklärt. Der Linken-Politiker war gemeinsam mit seiner Parteikollegin Martina Renner in die südosttürkische Kurdenmetropole Diyarbakir gereist, um den Prozess zu begleiten - und Naki vorher zu sprechen.
    Im Deutschlandfunk berichtete van Aken von der Unterhaltung: Dass der Fußballer guten Mutes sei und sich nicht vorstellen könne, wirklich verurteilt zu werden. Dass er aber, sollte es doch so kommen, nicht nach Deutschland fliehen will, wo noch immer seine Familie lebe, in Düren, wo seine Karriere begann. Dass er noch immer zu dem stehe, was er geschrieben hat. Den Vorwurf der PKK-Unterstützung hatte Naki zurückgewiesen. Er habe "seinem Volk, seinen Menschen hier in Kurdistan helfen und sie unterstützen" wollen, sagte er laut van Aken. Während seiner Zeit beim Erstligisten Ankara zuvor sei er als Sohn kurdischer Eltern angefeindet worden.
    "Bleib stark"
    Nun ist die Erleichterung groß - auch beim FC St. Pauli, einem Verein, der nicht jeder vermeintlichen Gesetzmäßigkeit des Profi-Fußballs folgt. Und einem familiärer Verein. Deniz Naki war vier Jahre lang Teil dieser Familie, von 2009 bis 2012. Und ein besonders geliebter. Noch lange nach seinem Abgang vom Millerntor forderten die Fans auf Schildern "Naki Back". Doch zurück kam er nicht. Im Anschluss an St. Pauli führte sein Weg über den SC Paderborn in die Türkei, die ursprüngliche Heimat seiner Eltern - und schlussendlich vor Gericht. Nach dem Ende des Verfahrens twitterte der Hamburger Klub:
    Man habe das Geschehen in der Türkei vor Anfang an verfolgt und wünsche Deniz Akin alles Gute, hatte St. Pauli-Sprecher Christoph Pieper noch kurz vor der Verhandlung dem Deutschlandfunk gesagt. Anfang Oktober war der Club im Testspiel gegen Werder Bremen in speziellen Trikots mit der Aufschrift "Für Deniz" aufgelaufen. Und nannte in der vorab veröffentlichten Mannschaftsaufstellung alle Spieler mit Nachnamen Naki.
    Fast alle Spieler. Enver Cenk Şahin und Ersin Zehir nahmen sie von der Aktion aus. Man wolle sie "auf Grund der politischen Lage in der Türkei nicht in die Bredouille bringen". Beide haben türkische Wurzeln.
    Die Linkspartei hatte nicht nur Freiheit für Naki, sondern "für alle anderen Oppositionellen in der Türkei" gefordert. Vom "oft zu mächtigen Fußball" wünschte sich Linken-Chef Bernd Riexinger auf Twitter eine Solidaritätsbekundung. Die von Riexinger adressierte Deutsche Fußball Liga (DFL) wollte sich allerdings nicht äußern. Man wisse nicht um die genauen Hintergründe und gebe deshalb auch keine Stellungnahme ab, sagte ein Sprecher gegenüber dem Deutschlandfunk.