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Verfassungsgebende Versammlung
Entmachtung des Parlaments in Venezuela besiegelt

In dem erbitterten Machtkampf zwischen dem linksnationalistischen Präsidenten Nicolás Maduro und der Mitte-rechts-Opposition, leistet die auf Geheiß von Maduro gewählte Verfassunggebende Versammlung ganze Arbeit: Sie allein macht Gesetze, politische Gegner werden ausgeschaltet. Die Krise im Land verschärft sich.

Von Anne-Katrin Mellmann | 19.08.2017
    Venezuelas Präsident Maduro wirbt vor Anhängern für die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung
    Venezuelas Präsident Maduro hat die Verfassungsgebende Versammlung durchgedrückt. Mitglieder sind handverlesene Anhänger der sozialistischen Partei, auch Ehefrau und Sohn von Präsident Maduro. (AFP / Federico Parra)
    Die Arbeit der erst vor knapp drei Wochen eingerichteten Verfassungsversammlung verläuft planmäßig: Sie hat sich zur obersten Institution des Landes erklärt und duldet keine politische Konkurrenz. Deshalb hat das oppositionsdominierte Parlament ab sofort auch ganz offiziell keine Gesetzgebungsbefugnisse mehr. So beschlossen es die Mitglieder der Verfassungsversammlung, Vizepräsident Elvis Amoroso verliest:
    "Wir übernehmen die Gesetzgebungsvollmachten, die die Garantien zum Schutz des Friedens betreffen, der Sicherheit, der Souveränität, des sozioökonomischen und des Finanzsystems, die Ziele des Staates und die Rechte der Venezolaner."
    Maduro regiert per Dekret
    Schon seit die Venezolaner bei der Parlamentswahl Ende 2015 mit überwältigender Mehrheit für das Oppositionsbündnis stimmten, ist das Parlament de facto entmachtet: Der sozialistische Präsident Maduro regierte per Dekret und mit Unterstützung von Oberstem Gericht und Wahlrat am Parlament vorbei. Beide Gremien werden von seinen Anhängern beherrscht.
    Als die Sozialisten Ende März zum ersten Mal versuchten, Nägel mit Köpfen zu machen, und die Entmachtung des Parlaments schwarz auf weiß festschrieben, begann eine beispiellose Protestwelle – mit mehr als 120 Todesopfern. Für die meisten Toten sind nach Behördenangaben die venezolanischen Sicherheitskräfte verantwortlich. Die Regierung musste andere Wege finden und rief zur Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung auf. Angeblich sollte damit der Frieden im Land wieder hergestellt werden.
    Aber die ersten Entscheidungen des frisch inthronisierten Gremiums zielten vor allem auf die Beseitigung von politischen Gegnern ab: Die kritische Generalstaatsanwältin wurde auf einstimmigen Beschluss abgesetzt, eine Wahrheitskommission gegründet, die Justizaufgaben übernimmt und als erstes Ermittlungen gegen führende Politiker des Oppositionsbündnisses eingeleitet hat.
    Oppositionspolitikern drohen lange Haftstrafen
    So werden Parlamentspräsident Julio Borges und sein Vize Freddy Guevara beschuldigt, zu Gewalt und Terror angestachelt zu haben. Den Oppositionspolitikern drohen lange Haftstrafen. Sie weigern sich, die Verfassungsversammlung anzuerkennen. Freddy Guevara:
    "Wir Parlamentarier müssen nur der Verfassung und dem Volk gehorchen. Ich als Vize-Präsident und als Person gehorche nur Gott, dem Volk, der Verfassung und meinem Gewissen. Es gibt für mich und für keinen Abgeordneten einen Grund, an dieser betrügerischen Verfassunggebenden Versammlung teilzunehmen. Mit ihren Drohungen werden sie uns nicht in die Knie zwingen."
    Mit der endgültigen Entmachtung des Parlaments verschärft sich die politische Krise in dem südamerikanischen Land weiter: Die Verfassungsversammlung wird international nur von Verbündeten wie Nicaragua und Kuba anerkannt. Ihre Wahl vor drei Wochen war von massiven Betrugsvorwürfen begleitet. Die Mitglieder sind handverlesene Anhänger der sozialistischen Partei, darunter Ehefrau und Sohn von Präsident Maduro.