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Verfassungsschutz-Affäre in Österreich
Eine Razzia und ihre Folgen

Eine Hausdurchsuchung beim österreichischen Verfassungsschutz wirft viele Fragen auf. Besonders brisant dabei: Das Innenministerium, das die Durchsuchung angeordnet hat, wird von der rechtskonservativen FPÖ geführt. Versucht die Partei, sich auf diesem Weg Informationen zu beschaffen?

Von Srdjan Govedarica | 19.03.2018
    Das Bild zeigt Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) von der Seite. Er spricht im Januar 2017 auf einer Sitzung des Ministerrates in Wien und steht dabei vor zwei Mikrofonen. In der linken Hand hält er Akten.
    Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im Januar 2017 auf einer Sitzung des Ministerrates in Wien (dpa-bildfunk / APA / Roland Schlager)
    Seit Tagen sind die Ermittlungen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ein wichtiges Thema in Österreich. Der Fall hat viele Ebenen; viele Fragen sind noch offen. Ein Überblick.
    Der Hintergrund
    Alles dreht sich um Peter Gridling, den Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ihm und vier weiteren Mitarbeitern wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Grund für die Ermittlungen ist ein seit Mitte 2017 bekanntes Dossier anonymer Verfasser sowie ebenfalls anonyme Zeugenaussagen. Ende Februar durchsuchte eine Spezialeinheit der Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Räume des Verfassungsschutzes und Wohnungen.
    Verfassungsschutzdirektor Peter Gridling ist inzwischen vom Dienst suspendiert. Über die Ermittlungen und die Hausdurchsuchung streiten nun Regierung und Opposition. Der sozialdemokratische Oppositionsführer Christian Kern glaubt: "Das sind alles Vorgänge, die sind höchst bedenklich." Innenminister Herbert Kickl von der rechtspopulistischen FPÖ weist die Kritik zurück: "Das ist die Umsetzung von Gesetzmäßigkeit, und das ist die Umsetzung von Rechtsstaatlichkeit."
    Dass Regierung und Opposition nicht einer Meinung sind, ist nicht ungewöhnlich –, aber viele stufen diesen Streit als besonders gravierend ein. Denn seit Regierungsantritt wird darüber diskutiert, dass die rechtspopulistische FPÖ den kompletten Sicherheitsapparat unter sich hat. Die Affäre rund um den Verfassungsschutz ist der erste konkrete Fall. Vor allem um diese Punkte wird gestritten:
    Streitpunkt Nummer eins
    Nutzt FPÖ-Innenminister Herbert Kickl sein Amt, um sich den Ermittlungsstand über Rechtsextreme zu verschaffen? - Unbestritten ist, dass bei der Razzia beim Verfassungsschutz auch Unterlagen und Datenträger einer Abteilungsleiterin mitgenommen wurden. Sie beobachtet unter anderem Rechtextremisten, von denen viele mit der FPÖ gut vernetzt sind. Christian Plinacek vom Justizministerium kann nicht ausschließen, dass auch solche Ermittlungsdaten konfisziert wurden, bestreitet aber, dass das gezielt geschehen ist:
    "Es ist überall dort eine Sicherstellung angeordnet worden, wo nicht ausgeschlossen werden kann, dass entsprechende Hinweise oder E-Mails über Vorgänge, die zu untersuchen sind, aufgefunden werden können."
    Streitpunkt Nummer zwei
    Bei der Razzia wurde eine Spezialeinheit der Polizei eingesetzt, die sonst für etwas anderes zuständig ist und von einem FPÖ-Politiker geleitet wird. - Und wieder die Frage: Standen hier parteipolitische Interessen der FPÖ im Vordergrund, wie Journalisten und Opposition mutmaßen? Nein, sagt die Regierung. Die Polizeieinheit sei angefordert worden, weil sie keine Kontakte zum Verfassungsschutz habe und die Haussuchung geheim bleiben sollte. Christian Plinacek vom Justizministerium sieht den Einsatz inzwischen aber kritisch:
    "Im Rückblick hätte ich sicher nach Methoden gesucht, die dieses Aufsehen vermieden hätten."
    Streitpunkt Nummer drei
    Beschädigt die Affäre das Vertrauen in österreichische Geheimdienste im Ausland, zum Beispiel in Deutschland? - Innenminister Herbert Kickl bestreitet das, Geheimdienstexperten sprechen aber von einem Vertrauensverlust. Auch der deutsche Grünen-Politiker Konstantin von Notz, der sich im Bundestag mit der Arbeit von Geheimdiensten beschäftigt, sieht das so:
    "Das merkt man eben auch daran, dass deutsche Sicherheitsbehörden sagen, dass man aufgrund der Regierungskonstellation in Österreich nicht mehr unbefangen Informationen austauschen kann."
    Wie geht es jetzt weiter?
    Die Affäre ist zum Fall für das Parlament und die Gerichte geworden. Heute soll Innenminister Herbert Kickl die offenen Fragen in einer Sondersitzung des Parlaments aufklären. Gelingt ihm das nicht, droht die Opposition mit einem Untersuchungsausschuss. Auch ein Misstrauensantrag gegen den Innenminister ist im Gespräch. Außerdem hat Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling angekündigt, gegen seine Suspendierung gerichtlich vorzugehen – er sei sich keiner Schuld bewusst.