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Verfassungsschutzreform
Streit um Umgang mit V-Leuten

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll mehr Befugnisse bekommen, damit sich ein Versagen der Behörden wie bei den Morden des NSU nicht wiederholt. Auch der Umgang mit V-Leuten wird neu geregelt. Sie sollen Straftaten begehen dürfen, ohne die sie in ihrer Szene auffallen würden - zum Ärger der Linkspartei.

Von Gudula Geuther | 24.04.2015
    Das Bundesamt für den Verfassungsschutz, fotografiert am 04.02.2014 in Köln
    Bundesamt für Verfassungsschutz (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Verfassungsschutzbehörden, die sich voneinander und vor allem von der Polizei abschotten, die eine Richterin täuschen, die gänzlich ungeeignete V-Leute beschäftigen und möglicherweise damit noch die rechtsextremistische Kameradschaftsszene stärken. Der NSU-Untersuchungsausschuss, der die Verfehlungen im Umfeld der rechtsextremistischen Mordserie aufzuklären versuchte, hatte in der vergangenen Legislaturperiode ein vernichtendes Fazit gezogen. Der Gesetzentwurf zur Reform des Verfassungsschutzes soll ein Baustein zur Umsetzung der Empfehlungen sein, die der Ausschuss ausgesprochen hat. Das betonte bei der ersten Lesung im Bundestag Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
    "Der Verfassungsschutz ist und bleibt ein wichtiger Teil unserer Sicherheitsarchitektur. Gerade deshalb aber muss er sich fortentwickeln, weiterentwickeln, sich zukunftsorientiert aufstellen."
    Schluss mit Nebeneinander von 16 Behörden
    Die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Land sollen nicht nur enger zusammenarbeiten. Das Bundesamt soll daneben auch weiter als Zentralstelle ausgebaut werden, das soll das Recht umfassen, selbst in einem Bundesland tätig zu werden, wenn das dortige Landesamt eine Aufgabe nicht bewältigen kann oder will. Vor allem daran stören sich die Bundesländer. Burkhard Lischka, SPD, dagegen bekräftigte: Es müsse Schluss sein mit den 16 Schlapphut-Provinzen.
    "Wir wissen heute: Nur etwa 20 Prozent dieser Informationen, die seit 1998 zum NSU-Mördertrio in den Landesämtern für Verfassungsschutz vorlagen, wurden auch tatsächlich weitergeleitet. Das war fatal, denn so konnte nirgendwo ein Gesamtbild über die Lage entstehen, noch konnte das Bundesamt für Verfassungsschutz seiner Koordinierungsfunktion nachkommen."
    Im Mittelpunkt der Debatte aber stand die künftige Rolle von V-Leuten, Zuträgern aus der Szene also, die dem Verfassungsschutz Informationen liefern. So eine Zusammenarbeit soll nicht mit solchen Leuten möglich sein, die schwere Vorstrafen haben – soll, das heißt: Ausnahmen sollen möglich sein. Und: Der V-Mann soll die Straftaten begehen dürfen, ohne die er in seiner Szene auffallen würde, so de Maizière.
    "In der rechtsextremistischen Szene kann es beispielsweise die Verwendung verfassungswidriger Nazi-Symbole sein, ein Hitler-Gruß oder Ähnliches. Das ist szenetypisch. Das kann man noch akzeptieren. Klare Grenze ist aber: keine Eingriffe in Individualrechte. Sachbeschädigungen bleiben verboten, egal ob sie szenetypisch sind, oder nicht. Hier gibt es keine Ausnahmen."
    Kritik an Umgang mit V-Leuten
    Das widerspreche allem, was man aus dem Debakel der V-Leute-Führung im Umfeld des NSU hätte lernen können, so Petra Pau und André Hahn von der Linkspartei.
    "Der Verfassungsschutz half, Verfassungsfeinde aufzubauen, anstatt die Verfassung zu schützen. Klarer kann sich das Amt nicht delegitimieren."
    "Wir halten es für völlig falsch, dass im Gesetzentwurf Straftaten für V-Leute legitimiert werden sollen."
    Die Mehrheit der Linksfraktion möchte den ganzen Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form abschaffen, die Mehrheit der Grünen zumindest dessen V-Leute. Das Misstrauen, das beidem zugrunde liegt, formulierte der Grüne Christian Ströbele:
    "Das ist die Ideologie, die dahinter ist: Dass die Verfassungsschutzbehörden der Meinung sind, sie stehen außerhalb des Gesetzes und sie können machen, was sie wollen, Hauptsache, die Quelle sprudelt."
    Politiker auch der SPD machten klar: Sie sehen noch Veränderungsbedarf. Der Entwurf wird jetzt in den Ausschüssen diskutiert.