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Verfilmung "Ich und Kaminski"
Der blinde Maler und sein Biograf

Die Verfilmung des Romans "Ich und Kaminski" von Daniel Kehlmann ist der erste Film des "Good-Bye-Lenin!"-Regisseurs Wolfgang Becker seit zwölf Jahren. Er erzählt die Begegnung zweier unterschiedlicher Männer, eines Künstlers und seines Biografen - ein Film, den man mögen möchte.

Von Rüdiger Suchsland | 17.09.2015
    Daniel Brühl und Regisseur Wolfgang Becker bei der Kino-Premiere von "Ich und Kaminski" am 15.09.2015 in Berlin.
    Daniel Brühl und Regisseur Wolfgang Becker bei der Kino-Premiere von "Ich und Kaminski". (imago/APress)
    Nachrichtenszenen vom Tod des berühmten Malers Manuel Kaminski eröffnen den Film. Eine lange Einleitung, virtuos geschnitten und inszeniert, zugleich eine Einführung in die freche Behauptung, die dem Film zugrunde liegt: Fast wie "Forrest Gump" ist dieser Manuel Kaminski eine fiktive Figur, die in die komplette Kunstgeschichte der Moderne eingeschrieben wird: Ein Freund von Picasso, ein Surrealist, ein Vertreter jeder modernen Kunstrichtung und: ein blinder Maler. Ein blinder Maler ist an sich schon interessant.
    "Aus Verlegersicht ist Kaminski ein ungehobener Schatz. Diese Biographie wird ein Riesenerfolg. Da rollt ein Kaminski-Tsunami auf uns zu. Natürlich muss er noch sterben."
    Die beschriebene Eröffnungs-Sequenz entpuppt sich als Traum. Der Traum des Biographen ist der Tod seines Objekts - diese Sottise ist die erste von vielen Bosheiten in einem Film, der frech anfängt. Großartig, bildreich, voller Poesie, dabei böse, sarkastisch.
    Eine Satire auf ein dankbares Objekt, auf den Betrieb rund um die bildende Kunst, auf die Künstler selbst, ihre Musen, auf Galeristen und Sammler, auf die Kunstkritiker: Ein Parasit, eine vampirische Existenz, die sich vom Blut der großen Künstler nähert - so zeigt dieser Film den Kunstkritiker, und so werden Kritiker vermutlich von ziemlich vielen Künstlern gesehen.
    Aber er ist die Hauptfigur: Der aufdringliche Kunstkritiker Sebastian Zöllner, der zum Biographen des Malers Kaminski wird. "Sie sind berühmt. Berühmt sein heißt, jemand wie mich zu haben."
    Ein Werk aus einem Guss
    "Ich und Kaminski" ist ein Ereignis. Die Verfilmung des Bestsellers von Daniel Kehlmann, vor allem aber der erste Film des "Good-Bye-Lenin!"-Regisseurs Wolfgang Becker nach zwölf Jahren. Es war für Becker eine schöpferische Pause, vielleicht gewürzt mit einer Prise "Director's Block", aber auch eine Entdeckung der Langsamkeit.
    Becker hat viele Jahren mit verschiedenen Autoren an dem Stoff geschrieben, und allein gute zwei Jahre nach dem Dreh mit verschiedenen Editoren an der fertigen Fassung geschnitten.
    Diese schwierige Entstehungsgeschichte merkt man dem Film kaum an. Es ist ein Werk aus einem Guss. Erzählt wird die Begegnung dieser zwei unterschiedlichen Männer, des Künstlers und seines Biografen, und ihre allmähliche Annäherung.
    "Jeder sagt was anderes, alle widersprechen sich, nix passt zusammen."
    Anfangs will Zöllner nur möglichst neue unbekannte Fakten, und ein paar biographische Sensationen. Dann wird der Film zum Roadmovie: Denn Kaminskis Leben ist sein unvollendetes Kunstwerk - er will seine Jugendliebe und Muse wiederfinden, die ihn vor über 50 Jahren verlassen hat.
    Der Film fängt großartig an: gutes Unterhaltungskino, mit kleinen burlesken Zügen. Dann wird "Ich und Kaminski" allmählich liebevoller, wärmer, menschenfreundlicher, ja: zärtlicher. Er wird aber auch etwas weniger interessant. Denn über die positiven Botschaften kommt ihm die Poesie abhanden.
    Es wachsen die Zweifel
    Mehr und mehr ist dies eine imaginäre Vater-Sohn-Geschichte, mehr und mehr lernt Zöllner von Kaminski, was wirklich zählt im Leben, und wird ein besserer Mensch. "Ich hab das Gefühl, statt in meine Vergangenheit sind wir in ihre geraten", sagt Kaminski. Und der Biograph, der anfangs seinen Tod kaum abwarten konnte, nur an den eigenen Ruhm dachte, ist ein anderer geworden: "Mir ist alles egal. Ich will nur nicht, dass er stirbt."
    So ist dies ein Film, der einen etwas ratlos zurücklässt. Man möchte ihn mögen, der erste Eindruck ist nicht schlecht, doch je länger man darüber nachdenkt, umso mehr wachsen die Zweifel.
    Einerseits erlebt man Daniel Brühl in einem seiner allerbesten Kinoauftritte. Selten schien Brühl so eins mit seiner Rolle. Dieser Film ist auch fürs deutsche Kino zunächst mal eine Riesenleistung. Eine Produzentenleistung, zudem der sehr seltene Fall von stargestütztem Entertainment: Außer Daniel Brühl gibt es hier noch Dutzende von großen internationalen und deutschen Stars: Jesper Christensen, Geraldine Chaplin, Amira Casar, Denis Lavant - und viele andere.
    Andererseits werden in der zweiten Hälfte zunehmend Stationen abgehakt, reihen sich Szenen an Szenen einfach aneinander. Es wird viel geredet, auch viel Belangloses, und zu viel Pseudobedeutendes. Da fällt der Film sich selbst gegenüber ab.
    Auch werden gegen Ende schon recht aufdringlich Altersweisheiten geboten - so wirkt "Ich und Kaminski" am Ende doch etwas zu konventionell und alles in allem enttäuschend.