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Verfilmung menschlicher Tugend

Der Name Sir Richard Attenborough ist heute untrennbar mit dem Namen "Gandhi" verknüpft. Als Regisseurs erfüllte er sich mit der Verfilmung einen Herzenswunsch. Heute feiert er seinen 90. Geburtstag.

Von Marli Feldvoß | 29.08.2013
    Keiner außer Richard Attenborough traute sich zu, die Verfilmung des erfolgreichen, aber als schwierig geltenden Broadway-Musicals "A Chorus Line” zu übernehmen. Aber auch der erprobte Monumentalfilmer klagte, dass dieses Unternehmen eine größere Herausforderung für ihn gewesen sei, als sein "Gandhi", der ihm zwei Jahre zuvor – 1983 - acht Oscars eingebracht hatte. Kein Himalaja bot sich von Natur aus für dramatische Überhöhungen an, da standen nur 15 Tänzer an einer weißen Linie und warteten auf ihren Einsatz.

    Dass ihm "A Chorus Line" dann nur einen Achtungserfolg einbrachte, störte den Regisseur wenig. Entscheidend war für Richard Attenborough: Er wollte wieder einmal seinem Image entkommen. In den Fünfzigern, als er noch Schauspieler war, plagte ihn das Typecasting. Er spielte nicht nur einmal den jugendlichen Gangster, sondern wurde zum unbedarften, feigen Straftäter schlechthin.

    Danach flüchtete der Vieltalentierte in den Beruf des Produzenten, ein zufälliges Angebot kürte ihn zum Regisseur. So kam es, dass Richard Attenborough nicht eine, sondern gleich drei erfolgreiche Karrieren durchlaufen sollte. Sie alle verbindet seine humanistische, engagierte Grundhaltung. Mit "Gandhi" erfüllte er sich jedoch seinen Lebenstraum.

    Gandhi: "Sie werden uns ins Gefängnis stecken, sie werden uns bestrafen, uns alles nehmen, was wir besitzen. Aber sie können uns nicht unsere Selbstachtung nehmen, wenn keiner von uns bereit ist, sie ihnen zu geben."
    Zwischenruf: "Waren sie schon mal im Gefängnis? Sie werden uns foltern und zusammenschlagen."
    Gandhi: Worum ich euch bitte, ist, zu kämpfen, gegen ihren Zorn zu kämpfen und sie nicht zu provozieren. Wir werden nicht die Hand gegen sie erheben."


    Richard Attenborough hat immer wieder unterstrichen, dass er 20 Jahre lang für die Realisierung seines Traums gespart und gekämpft hat. Der Oscar-Segen für "Gandhi" war die Belohnung für eine lange Durststrecke und für eine Obsession, die weniger mit Ehrgeiz, als mit Moral zu tun hat. Mahatma Gandhi, der Erhabene, verkörperte für den Regisseur alle menschlichen Tugenden, die ihm aus der Kinderstube vertraut waren.

    Der am 29. August 1923 in Cambridge in einer Akademikerfamilie geborenen Richard Samuel Attenborough tanzte aus der Reihe, als er mit 17 zum Schauspielstudium nach London aufbrach und früh zum Film kam. Das Zeug zum leading man hatte der untersetzte, bubenhafte Attenborough jedoch nicht; erst spät setzte er sich als Charakterdarsteller durch.

    Die Liebe zur Schauspielerei und das Gespür für Talente prägte auch seine heute bekanntere Arbeit als Produzent und Regisseur. Er entdeckte den charismatischen Ben Kinsley für "Gandhi" und förderte Anthony Hopkins. Auch Denzel Washington verdankt seinen Karriereschub seiner Rolle als südafrikanischer Widerstandskämpfer Steve Biko in "Cry Freedom", einem Film gegen die Apartheid.

    "Ich wollte diesen Angriff machen, weil ich rassistische und religiöse Intoleranz hasse. Aber ich muss das in Kontext von Unterhaltung machen, denn wenn es nicht unterhaltend ist, gibt es keinen Grund für einen Film."

    Gehört wurde der Regisseur Richard Attenborough von Anfang an. Schon seine erste Regie "Oh! What a Lovely War" - 1969 -, ein Musical oder vielmehr eine Meditation über die Erfahrungen des "Großen Krieges", war ein Triumph. Dennoch hielt er sich für einen langweiligen Regisseur, er war kein Auteur, sondern war und blieb ein Schauspielerregisseur.

    Er glaubte an das Wort und an die magische Kraft des epischen Kinos, das er für seine politischen Überzeugungen als Humanist und Kämpfer für die Menschenrechte zu nutzen verstand. Dafür stehen Filme wie "Young Winston" über Winston Churchill, "A Bridge Too Far" über den Zweiten Weltkrieg, aber auch eine tragische Liebesgeschichte wie "Shadowlands”.

    Als Sir Richard Attenborough 1992 den renommierten Shakespeare-Preis erhielt, erfüllte sich für ihn ein Herzenswunsch.

    "Ich glaube, dass das Kino die Kunstform des Jahrhunderts ist. Es gab lange Zeit die Arroganz der anderen Künste gegenüber dem Kino. Dass nun eine so angesehene Stiftung mit diesem Preis auch das Kino als gleichwertig anerkennt, das bedeutet mir am meisten."