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Vergeudete Zeit oder kompaktes Ergebnis?

War der Bildungsgipfel ein Erfolg, wie das zum Beispiel Jürgen Rüttgers gestern betonte, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident? Oder war er eine kläglich vergebene Chance, wie das Arend Oettker, der Präsident des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft, bedauerte? Die Einschätzungen über das gestrige Polit-Palaver in Dresden gehen ziemlich weit auseinander. Wie das Ereignis dort vor Ort und von einigen Teilnehmern bewertet wird, fasst Armin Himmelrath zusammen.

Von Armin Himmelrath | 23.10.2008
    Martin Conrad war eine der Hauptpersonen des Bildungsgipfels - auch wenn das gestern niemand so richtig bemerkt hat. Der 20-Jährige macht eine Ausbildung zum Mechatroniker beim Chiphersteller AMD, also genau da, wo gestern in Dresden der Bildungsgipfel statt fand. Im weißen Ganzkörper-Schutzanzug wartete er auf die Politiker, um ihnen ein paar Sekunden lang seinen Arbeitsplatz vorzustellen. Die bloße Ankündigung, mehr Geld für Bildung ausgeben zu wollen, reicht ihm nicht. Martin Conrad erwartet von der Politik jetzt schnelles Handeln:

    "Ich erwarte, dass es einen vernünftigen Konsens gibt zur Bildung, zur Bildungspolitik in Deutschland, und dass auch - ich denke mal - eine Vereinfachung der Bildungssysteme, der Bildungswege stattfindet und dass wir das Potenzial in Deutschland dann doch noch wecken und rauskitzeln können in der Richtung."

    Auch seine Mit-Auszubildene Juliane Woye, Physiklaborantin im dritten Lehrjahr, hätte ein paar Tipps für die Verantwortlichen:

    "Ich sehe es halt, dass man von Anfang an, von klein auf mehr fördert. Auch, dass in den Schulen mehr gemacht wird, auch auf den Beruf dann hin in den älteren Klassen, aber auch von klein auf. Dass dann eben die Möglichkeit gegeben wird, eine ordentliche schulische Ausbildung von Anfang an zu machen."

    Zeit, diese Vorschläge den Politikern zu unterbreiten, blieb den Schülern und Azubis beim Bildungsgipfel gestern jedoch nicht. Trotzdem war Juliane Woye von der Begegnung mit der Kanzlerin angetan:

    "Ich denke eigentlich schon, dass sie interessiert waren. Hat man ihnen auch angesehen, sonst hätten sie vielleicht woanders hingeguckt oder so. Also, ich fand es eigentlich ganz menschlich und auch interessiert."

    Klaus Wowereit dagegen trifft Angela Merkel öfter mal. Und Interesse am Bildungsthema unterstellt er der Kanzlerin auch. Dennoch ist der Regierende Bürgermeister von Berlin mit den gestrigen Verabredungen zur Steigerung der Bildungsausgaben ziemlich unzufrieden - sie sind ihm zu unkonkret:

    "Die Kanzlerin hat ja selber diesen Gipfel angeregt und den Eindruck erweckt, dass das die oberste Priorität auch dann für sie selber darstellt. Und jetzt haben wir feststellen müssen, dass in dem Moment, wo es konkreter wird, es etwas offener formuliert wird, um es mal vorsichtig auszudrücken."

    Unterstützung erhält SPD-Mann Wowereit von vielen Seiten, etwa von seinem Parteifreund Kurt Beck:

    "Es war gut, dass meine Erwartungen nicht zu hoch waren. Ich bin schon sehr enttäuscht darüber, dass der Bund ohne ein wirkliches Finanzierungsangebot gekommen ist."

    Und auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ulrich Thöne, hält den Gipfel für vergeudete Zeit:

    "Es war eine große Ankündigung, dass es auf eine Einigkeit hinauslaufen sollte, und ein Anstoß für eine wirkliche Veränderung zustande kommen sollte, aber wir haben keine konkreten Verbesserungen ins Auge fassen können, es sind zum Teil alte Ladenhüter, die dort noch mal als neue Maßnahmen vorgestellt wurden. An vielen Stellen, wo es wichtig wäre, konkret zu werden, ist man genau die Sache umgangen."

    Im großen Chor kritischer Bewertungen gehen die Stimmen derjenigen, die die mageren Gipfel-Vereinbarungen als Erfolg bewerten, fast unter. Neben der Bundeskanzlerin ist das zum Beispiel der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich:

    "In der Tat ist es erstmalig, dass es ein solch kompaktes und in sich geschlossenes Papier zur Bildung gemeinsam zwischen Bund und Ländern gibt. Und ich glaube, das ist das wichtigste Ziel: Es ist ein gemeinsames Verständnis über diese gesamtstaatliche Aufgabe, für Bildung Verantwortung zu tragen."

    Zur moralische Verantwortung für die Bildung bekannten sich gestern alle, bei der finanziellen Verantwortung allerdings übte vor allem die Bundesregierung vornehme Zurückhaltung. Alle wirklichen Entscheidungen sind damit um ein Jahr vertagt, erst dann soll es endlich Ergebnisse geben. Klaus Wowereit:

    "Da bleibt jetzt die Hoffnung, dass diesen Ankündigungen auch tatsächlich die Taten folgen, nämlich dass der Bund sich da stärker engagiert."