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Verhärtete Fronten

In ganz Europa wird über Zuwanderung und Integration diskutiert – auch in Dänemark, dort sind die Fronten allerdings völlig verhärtet: Seit der Streit über die Mohamed-Karikaturen vor fünf Jahren zum Kampf der Kulturen eskalierte, hat sich die Lage nicht beruhigt.

Von Marc-Christoph Wagner | 16.04.2010
    Ein Parkplatz in einem Industriegebiet in einer Kopenhagener Vorstadt. Einige hundert Meter entfernt die Wohnblocks, die überwiegend von Menschen ausländischer Herkunft bewohnt werden. Der Somalier, der sich hier am Neujahrstag aufmachte, um den Karikaturisten Kurt Westergaard zu ermorden, wohnte in einem dieser Hochhäuser.

    Im Inneren des Gebäudes ist das Abendgebet im Gange – in der provisorischen Moschee, die wie eine Lagerhalle aussieht, brennt grelles Neonlicht, der Boden ist mit Teppichen ausgelegt. Einer der 15 Männer, die sich hier zum Gebet eingefunden haben, ist Zubair Butt Hussain – er beklagt, dass es in ganz Dänemark keine einzige anerkannte Moschee gibt.

    "Ich spüre eine Art von Resignation, ein Gefühl des Ausgegrenztseins. Die Tatsache, seinen Glauben permanent von Menschen definiert zu bekommen, die mit dem Islam nichts zu tun haben, ja im Grunde nichts über ihn wissen, das ist eine enorme Stigmatisierung. Ständig führen wir Kämpfe, die andere uns auflasten."

    Eine andere Vorstadt, ein anderes Gotteshaus, das nicht von Hoch-, sondern Einfamilienhäusern mit grünen Vorgärten umgeben ist. In der alten Kirche der Hafenstadt Dragør ist an diesem Abend die dänische Integrations- und Kirchenministerin, Birthe Rønn Hornbech, zu Gast. Lakonisch hält sie fest, Dänemark sei ein christliches Land mit christlichen Werten – und daran solle sich auch in Zukunft nichts ändern.

    "In der alten Sowjetzeit wollte der Staat bestimmen, was die Bürger zu denken hatten. Und im Islamismus ist es genauso, in dem Teil der muslimischen Welt also, der den Islam als absolutes Gesetz betrachtet."

    Das einst liberale Dänemark hat sich verändert. In kaum einem anderen europäischen Land sind die Ausländer- und Zuwanderungsgesetze so strikt, ist die Front gegenüber dem Islam so massiv. Viele Muslime fühlen sich ausgestoßen und entfremdet. Die dänischen Sicherheitsbehörden warnen längst vor Radikalisierung und beklagen, die Terrorbedrohung im Land sei gestiegen. Einer, der dies wiederholt am eigenen Leibe spüren musste, ist Kurt Westergaard, der mit seiner Karikatur des Propheten Mohammed im Jahr 2005 den Zorn vieler Muslime auf sich zog. Nach zwei vereitelten Anschlägen und unzähligen Morddrohungen wird er inzwischen rund um die Uhr von Personenschützern bewacht.

    "Nein, die Karikatur bereue ich nicht, ich will sie nicht bedauern. Ich bin mir sicher, zu dieser Konfrontation, zu diesem Kulturzusammenstoß mit dem Islam, wäre es so oder so gekommen – wenn nicht durch mich, dann durch einen anderen Autor, einen anderen Filmemacher, was auch immer."

    Westergaard sitzt in seinem Wohnzimmer, blickt auf die Terrassentür, die der Somalier am Neujahrsabend mit einer Axt zerschlug – direkt vor den Augen von Westergaards fünfjähriger Enkelin. Meine Karikatur wird immer wieder missverstanden, sagt er. Er habe nicht den Islam als solchen oder gar die Gläubigen karikieren wollen, sondern diejenigen, die im Namen des Propheten Terroranschläge verübten.

    "Unser kleines, tolerantes Land hat Menschen aufgenommen, die in Not waren und aus ihren Heimatländern geflüchtet sind. Sie kamen mit leeren Händen zu uns und wir haben ihnen die Türen geöffnet. Das Einzige, was wir im Gegenzug von ihnen verlangen ist, dass sie unsere demokratischen Grundwerte akzeptieren: Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, und so weiter. Ich finde, wir führen da einen gerechtfertigten Kampf."

    Verhärtete Fronten – und keine Gewinner in Sicht. Die Muslime Dänemarks warten weiter auf ihre gesellschaftliche Anerkennung und auf Normalität. Kurt Westergaard hingegen gibt sich unverändert kämpferisch, spürt aber auch, wie es langsam einsam um ihn wird. Erst kürzlich bat ihn sein eigener Arbeitgeber, die Zeitung "Jyllands-Posten", sich vorläufig nicht in den Redaktionsräumen zu zeigen – zu groß sei die Gefahr für die anderen Mitarbeiter.