Mittwoch, 24. April 2024

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Verkauf von Air Berlin
"Die Politik hat sich rauszuhalten"

Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs hat sich verärgert über Stellungnahmen der Politik zur Zukunft der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin gezeigt. Sowohl das Wirtschafts- als auch das Verkehrsministerium hätten sich nicht klug verhalten, kritisierte Fuchs im Dlf.

Michael Fuchs im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 15.09.2017
    Porträtfoto des CDU-Politikers Michael Fuchs.
    Eine Monopolstellung müsse im deutschen Flugverkehr unbedingt vermieden werden, sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs im Dlf. (picture alliance /dpa /Karlheinz Schindler)
    Dirk-Oliver Heckmann: Wie geht es weiter mit Air Berlin? Vor vier Wochen hat die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft ja Insolvenzantrag gestellt. Der Flugbetrieb, der ging zunächst weiter, auch wenn er massiv behindert wurde durch die zahlreichen Krankmeldungen von Dutzenden Piloten in den vergangenen Tagen. Eine Aktion, die nicht gerade hilfreich war bei dem Bemühen, einen oder mehrere Käufer für das Unternehmen zu finden – so die einhellige Meinung. Heute nämlich läuft die Frist aus, bis zu der Interessenten ihre Angebote abgeben können.
    Am Telefon ist jetzt Michael Fuchs von der CDU. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, Wirtschaftsexperte dort. Schönen guten Morgen, Herr Fuchs.
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Fuchs, worum geht es jetzt in erster Linie? Kommt es vor allem darauf an, dass möglichst viele Jobs gerettet werden? Ist es das?
    Fuchs: Wir wollen natürlich, dass diese 8.000 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Wir wollen aber auch, dass es einen zweiten Carrier in Deutschland gibt, dass der Wettbewerb erhalten bleibt.
    Durch Air Berlin sind die Flugpreise in Deutschland deutlich gesunken. Das ist positiv für alle Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen. Ich denke, das muss unbedingt erhalten bleiben. Das heißt, bei diesem Insolvenzverfahren muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu Monopolstellungen einzelner Carrier kommen kann. Das ist unbedingt wichtig und das muss diskutiert werden mit dem Insolvenzverwalter. Aber ich nehme an, der Insolvenzverwalter weiß natürlich auch, dass sowohl das Kartellamt als auch die Generaldirektion Wettbewerb, also Frau Vestager in Brüssel, ganz sicher sehr genau hingucken werden, wie die neue Struktur aussieht.
    Heckmann: Das heißt, Ihre Warnung ist ganz klar, Air Berlin als Ganzes zu verkaufen, das schafft Probleme?
    Fuchs: Das kann durchaus schwierig sein, wenn es beispielsweise, ich sage mal, die Lufthansa wäre, denn damit wäre natürlich der Wettbewerber aus dem Markt rausgekauft. Das darf und wird wohl nicht passieren, wird auch sicherlich nicht kartellrechtlich genehmigt. Ich nehme an, die Lufthansa hat gar kein Interesse daran.
    Es wäre natürlich möglich, wenn es ein Einzelinvestor ist, der bis heute nicht im Luftverkehr tätig ist. Ich sage jetzt mal, Herr Wöhrl oder Herr Claassen oder wer auch immer, Herr Lauda, wenn das diese Investoren wären, das könnte wahrscheinlich so gehen, dass das ganze Unternehmen en bloc gekauft wird. Aber es gibt ja Schwierigkeiten bei Air Berlin und ich nehme an, dass die auch Interesse haben, nicht unbedingt alles auf einmal zu kaufen.
    "Die Lufthansa wird sicherlich nicht den ganzen Braten kaufen können"
    Heckmann: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass sich die Lufthansa dann doch ein gutes Stück von Air Berlin unter den Nagel reißen wird können?
    Fuchs: Das kann man so nicht sagen. Ich meine, es hängt natürlich im Prinzip auch von den Preisen ab, denn der Insolvenzverwalter hat ja in allererster Linie die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass möglichst viel Geld hereinkommt, damit die Gläubiger befriedigt werden können. Das ist nun mal die zentrale Aufgabe des Insolvenzverwalters. Das sind unterschiedliche Interessenlagen, logischerweise. Die Lufthansa wird sicherlich nicht den ganzen Braten kaufen können, weil es unmöglich ist, so einen großen Block mit der Lufthansa zu integrieren, denn das würde ganz sicher wettbewerbliche Probleme schaffen.
    "Jemand der sich unberechtigt krank meldet, der hat Betrug geleistet"
    Heckmann: Herr Fuchs, wir haben in den letzten Tagen ja erhebliche Flugausfälle gesehen bei Air Berlin. Dutzende Piloten haben sich ja konzertiert sozusagen krank gemeldet, und das hat diesen ganzen Vorgang, die Arbeit des Insolvenzverwalters auch erheblich erschwert, sagen viele.
    Jetzt sagt Cockpit, die Gewerkschaft der Piloten, wir haben damit erst mal nichts zu tun, aber die Piloten, die hätten jahrelang unter dem Druck gearbeitet, dass eine Insolvenz drohe, und wenn sie jetzt tatsächlich angemeldet wurde, dann ist das psychisch sehr belastend und da wäre ein sicherer Flugbetrieb nicht so ohne Weiteres möglich. Außerdem gab es die Vermutung, dass es bereits Absprachen gab mit den Interessenten, mit Lufthansa über Strecken, auch über Flugzeuge, und über einen Sozialplan wollte Air Berlin nicht verhandeln. Muss man auch vor dem Hintergrund nicht Verständnis haben für die Piloten?
    Fuchs: Verständnis kann man haben. Aber ich sage mal, diese Koinzidenz der Krankheitsfälle, das ist schon ein bisschen merkwürdig. Dass da auf einmal 200 Piloten an einem Tag krank werden, das erscheint mir mindestens sehr fragwürdig. Und eins steht fest: Jemand der sich unberechtigt krank meldet, der hat Betrug geleistet. Da gibt es ganz klare Rechtsprechung zu. Das ist eine Sache, das muss man intensiv untersuchen. Ich nehme an, dass das Management des Insolvenzverwalters gegen eine solche Arbeitsverweigerung und Unternehmensschädigung auch vorgehen wird, wenn es denn nachweislich ist. Ich weiß nicht, ob man das überhaupt nachweisen kann. Das wird sehr schwierig sein. Aber wie dem auch sei, ...
    Heckmann: Ist es denn in Ordnung, Herr Fuchs, dass sich das Unternehmen Air Berlin weigert, über Sozialpläne überhaupt nur zu sprechen?
    Fuchs: Ja gut, die können momentan gar nicht über einen Sozialplan reden, weil der Sozialplan kann ja erst dann gemacht werden, wenn ein neuer Käufer feststeht. Wenn dann der Käufer bereit ist, diesen Sozialplan mit zu verhandeln, dann kann das gehen. Aber Sie können nicht davon ausgehen, dass ein Sozialplan schon in diesem Verfahren durch den Insolvenzverwalter verhandelt wird. Das geht nicht. Das ist rechtlich auch gar nicht möglich.
    Der Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, möglichst viel Geld hereinzubekommen für das, was noch da ist und nicht Sozialpläne zu verhandeln. Das ist gar nicht die Aufgabe.
    "Zumindest das Wirtschaftsministerium hat sich nicht klug verhalten"
    Heckmann: Sie haben gerade schon einige Namen der Interessenten genannt, neben der Lufthansa nämlich Hans Rudolf Wöhrl, der ja auch in der Branche unterwegs ist. Utz Claassen haben Sie genannt, Niki Lauda hat sich jetzt dieser Tage auch zu Wort gemeldet. Mindestens zwei von ihnen, nämlich Herr Wöhrl und Herr Claassen, die beklagen ein abgekartetes Spiel. Es habe schon längst Absprachen zwischen dem Bund und der Lufthansa gegeben, dass nämlich die Lufthansa ein großes Stück von Air Berlin bekommt. Hat die Politik hier in der Tat ihre Finger im Spiel gehabt?
    Fuchs: Ich finde, zumindest das Wirtschaftsministerium hat sich nicht klug verhalten. Der Wirtschaftsstaatssekretär Machnig, der hat Übernahmeabsichten von Wöhrl etc. negativ kommentiert. Das ist ganz sicherlich nicht Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums, das sich da eigentlich neutral zu verhalten hat. Ich habe mich darüber geärgert.
    Heckmann: Aber es gab auch Äußerungen aus dem Verkehrsministerium und nicht nur aus dem Verkehrsministerium, sondern des Verkehrsministers Dobrindt von der CSU. Der hat sich ja nun auch eindeutig für die Lufthansa ausgesprochen und hat gesagt, ja, er wäre dafür, dass große Teile an die Lufthansa gehen. Wir bräuchten schließlich einen nationalen Champion. Inwieweit ist so etwas vereinbar mit marktwirtschaftlichen Prinzipien?
    Fuchs: Auch davon halte ich nichts. Da bin ich mit Ihnen einig, Herr Heckmann. Das geht eigentlich nicht. Die Politik hat sich rauszuhalten. Die Politik hat dafür zu sorgen, dass Wettbewerb da ist. Und die Politik hat dafür zu sorgen, dass die Airlines und Flughäfen in Deutschland ein Level Playing Field haben, also gleiche Wettbewerbsbedingungen. Das ist das, was mich schon die ganze Zeit ärgert. Wir haben schon die ganze Zeit auch versucht, beim Finanzminister die unsägliche Luftverkehrssteuer abzuschaffen. Das wäre das Wichtigste, damit die nationalen Carrier, aber auch die nationalen Flughäfen nicht durch Steuern benachteiligt werden gegenüber anderen Standorten. Das muss gemacht werden. Das kann Politik tun. Aber die Politik darf sich meiner Meinung nach in ein solches Verfahren jedenfalls in diesem Stadium nicht einmischen.
    Heckmann: Ihrer Meinung nach. Nicht nur Ihrer Meinung nach. Da gibt es auch andere Stimmen, die das bekräftigen und betonen. Was ist denn davon zu halten, dass ausgerechnet ein Bundesminister sich derart in so ein Verfahren einmischt?
    Fuchs: Ich halte es nicht für richtig. Ich kann es nur noch mal sagen. Ich finde, dass wir Neutralität zu wahren haben.
    Heckmann: Haben Sie ihm das mal gesagt?
    Fuchs: Bitte?
    Heckmann: Haben Sie ihm das mal gesagt?
    Fuchs: Nee. Ich habe jetzt in den letzten Tagen nicht mit ihm gesprochen, denn wir haben alle genug zu tun.
    "Ich würde es ungern haben, wenn die Steuerzahler quasi mit hineingezogen würden"
    Ein Flugzeug von Air Berlin im Landeanflug auf den Flughafen Berlin-Tegel.
    CDU-Politiker Michael Fuchs geht davon aus, dass Air Berlin nicht als Ganzes an einen Bieter gehen wird. (AFP / Odd ANDERSEN)
    Heckmann: Okay. Aber die Botschaft ist dann über den Deutschlandfunk an ihn herangekommen.
    Der Bund hat ja jetzt dafür gesorgt, mit diesem Kredit über 150 Millionen Euro, dass der Betrieb bei Air Berlin erst mal weitergehen kann. Die Wirtschaftsministerin, Brigitte Zypries, die hat sich optimistisch gezeigt, dass das Geld wieder zurückfließt über den Verkauf von Air Berlin. Sie, Herr Fuchs, haben sich da sehr skeptisch geäußert. Nach wie vor?
    Fuchs: Wir wissen ja, dass Air Berlin so zwischen vier und fünf Millionen Euro am Tag verbraucht, quasi verbraucht, die nicht mehr wiederkommen, weil momentan die Airline nicht kostendeckend fliegt. Das wird sehr schwierig sein und man wird sehen, was dann im Verkaufsfall passiert, wie viel Geld reinkommt, wer was bietet, und dann muss man gucken, dass der Bund da nicht an die letzte Stelle rutscht. Ich würde es ungern haben, wenn die Steuerzahler quasi mit hineingezogen würden durch diesen 150 Millionen Kredit.
    Heckmann: Sie hätten das ungern. Das hätten viele andere, auch die Steuerzahler sicherlich sehr ungern. Halten Sie es denn für nicht ausgeschlossen? Denn die Wirtschaftsministerin Zypries, die sagt, das ist ein sogenannter Massekredit. Das heißt, der Bund wird zuerst bedient.
    Fuchs: Das will ich hoffen, dass das nachher funktioniert. Das hängt natürlich sehr davon ab, wie viel Geld überhaupt reinkommt in dem Bieterverfahren jetzt. Deswegen ist es auch die Aufgabe des Insolvenzverwalters, so viel wie möglich rauszuhandeln. Das müssen wir abwarten. Am 25.9. soll das Ganze ja eröffnet beziehungsweise entschieden sein.
    Heckmann: Einen Tag nach der Bundestagswahl.
    Fuchs: Ja gut. Ich meine, das ist eine sehr komplexe Geschichte. Die Verträge liegen ja heute Nachmittag erstmalig auf dem Tisch und dann müssen die ausgewertet werden. Das ist ja juristisch nicht ganz einfach und ich gehe mal davon aus, dass die bis zum 25. Dann auch die entsprechenden Bewertungen haben. Da wird man schon ein paar Tage für brauchen.
    Heckmann: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerzahler am Ende dann doch noch die Zeche zahlt?
    Fuchs: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Dafür müsste ich ja in dem Bieterverfahren dabei sein, um zu sehen, welche Möglichkeiten da sind. Das kann ich Ihnen nicht sagen.
    Heckmann: Wir werden es abwarten. Wir werden es erfahren, hier im Deutschlandfunk dann womöglich auch im Gespräch mit Ihnen. Michael Fuchs war das von der CDU, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Herr Fuchs, danke Ihnen für das Interview heute Morgen.
    Fuchs: Danke Ihnen, Herr Heckmann!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.