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Verkehrsexperte fordert Pkw-Maut

Fast die Hälfte der deutschen Brücken, 20 Prozent der Autobahnen und 40 Prozent der Bundesstraßen seien "hochgradig sanierungsbedürftig", sagt Michael Schreckenberg. Der Verkehrswissenschaftler hält eine Pkw-Maut zur Finanzierung der Arbeiten für nötig.

Michael Schreckenberg im Gespräch mit Peter Kapern | 12.08.2013
    Peter Kapern: Eigentlich ist es ja ein Ladenhüter aus der Mottenkiste der politischen Forderungen der CSU: die Pkw-Maut. Die Christsozialen wollen, dass auch ausländische Pkw-Fahrer zum Bau und Erhalt der deutschen Autobahnen beitragen, so wie dies ja auch ausländische Lkw-Fahrer bereits tun. Das verlangt die CSU seit Langem, insofern ist die Debatte um die Pkw-Maut so etwas wie ein in Bayern aufgewärmter kalter Kaffee. Neu ist jedoch das Junktim, mit dem Bayerns Ministerpräsident Seehofer die Schwesterpartei CDU und den Koalitionspartner FDP auf die Palme gebracht hat: Ohne Festlegung auf die Maut werde er keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen.
    Mitgehört hat Professor Michael Schreckenberg, Verkehrsexperte an der Universität Duisburg-Essen. Guten Tag!

    Michael Schreckenberg: Guten Tag, Herr Kapern!

    Kapern: Herr Schreckenberg, sagen Sie unseren Hörern, worauf sie sich nach der Wahl einstellen müssen. Kommt die Pkw-Maut oder kommt sie nicht?

    Schreckenberg: Meiner Meinung nach führt eigentlich kein Weg an einer Pkw-Maut für die Autobahn vorbei. Das liegt einfach daran, dass die Aufwendungen für die Sanierung unseres Straßennetzes in den nächsten 10 bis 15 Jahren so erheblich sind, dass die Finanzmittel, die heute zur Verfügung stehen, nicht annähernd ausreichen, auch nur das Verkehrssystem instand zu halten. Man muss davon ausgehen, dass fast die Hälfte der Brücken, 20 Prozent der Autobahnen, 40 Prozent der Bundesstraßen hochgradig sanierungsbedürftig sind, und da kann man dann nicht einfach hingehen und sagen, das machen wir irgendwann in zehn Jahren, denn dann kommt der Fall, dass wir die Brücke sperren müssen, wenn sie nicht mehr sicher ist. Wir haben viele Jahre die Augen zugemacht und jetzt schaut man genau hin und ist erschreckt darüber, was da auf uns zukommt.

    Kapern: Hat man bei der Instandhaltung der Infrastruktur geschlampt, oder wie kommt es, dass das deutsche Autobahnsystem so marode ist?

    Schreckenberg: Man hat gehofft über viele Jahre, dass es eben noch viele Jahre halten wird. Das ist immer das Gleiche: Man erwartet ein gewisses Verkehrsaufkommen und stellt dann später fest, ach ja, das Aufkommen ist doch wesentlich höher ausgefallen, als ich gedacht habe. Das betrifft vor allen Dingen den Lkw-Verkehr. Ein LKW, so muss man es sich vorstellen, nutzt die Straße so ab wie circa 40 bis 60.000 PKW. Das heißt, der Lkw-Verkehr ist der treibende Faktor für die Zerstörung unserer Straßen und Brücken und der Lkw-Verkehr ist auch der Verkehr, der noch steigt. Das heißt, pro Jahr um circa zweieinhalb Prozent geht der Verkehr dort nach oben, während der Pkw-Verkehr mehr oder weniger stagniert. Und hier muss man dann einfach sehen, dass wir lange, lange gewartet haben, aber jetzt da stehen, und man kann nicht einfach Baumaßnahmen in Angriff nehmen und sagen, gut, in zwei Jahren ist das erledigt. Das sind Dinge, die über 10, 20 Jahre sich erstrecken. Hier in Duisburg die Berliner Brücke auf der A59 wird auch restauriert, und das ganze ist schon von vornherein auf 20 Jahre angelegt.

    Kapern: Nun sagt der ADAC, dass sich die Einführung einer Pkw-Maut finanziell eigentlich gar nicht lohnt, weil der Verwaltungsaufwand so hoch ist und die Summen nicht relevant sind, die dabei zusammenkommen. Wie sieht Ihre Rechnung aus?

    Schreckenberg: Es wird dabei mit mehr oder weniger seriösen Zahlen gearbeitet.

    Kapern: Beim ADAC mit weniger seriösen?

    Schreckenberg: Es ist nicht klar ersichtlich, auf welcher Grundlage diese Zahlen erhoben werden. Man muss sich vorstellen, es hängt ja auch ganz wesentlich davon ab, was für eine Art von Maut ich einführe. Es gibt eine Studie der Firma Ages, die jetzt herausgekommen ist, die relativ genau nachrechnet, wie viele ausländische PKW sich auf unseren Straßen bewegen, und wenn man denn von einer Vignette für 100 Euro pro Jahr, also Flatrate auf den Autobahnen ausgeht, kommt das ganze auf ein Einnahmenergebnis von 900 Millionen nur durch die ausländischen PKW. Wenn man dann 200 Millionen abrechnet für den Betrieb, würde das dann bei 700 Millionen plus nur durch ausländische PKW herauskommen. Und wenn man die deutschen dazurechnet, ist das ein Gesamtvolumen von circa vier Milliarden.

    Kapern: Ist das relevant im Vergleich zu dem, was für die Autobahnen notwendig ist?

    Schreckenberg: Das ist auf jeden Fall relevant. Es ist so, dass wir in dieser Größenordnung mindestens zufinanzieren müssen. Es ist zurzeit immer von zweieinhalb Milliarden, die auf jeden Fall zusätzlich kommen müssten, die Rede, aber in Wirklichkeit sieht der Bedarf deutlich höher aus, und es ist auch tatsächlich so, dass wir auf unseren Straßen natürlich immer mehr ausländische PKW fahren haben. Es ist so, dass es pro Jahr um circa drei Prozent zunimmt. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil um 40 Prozent gestiegen, und da macht es natürlich Sinn, darüber nachzudenken. Inwieweit deutsche Fahrer dann entlastet werden durch eine Reduktion der Kfz-Steuer oder durch andere Dinge, ist eine andere Frage. Herr Seehofer sagt das ja jetzt relativ polemisch, dass nur die ausländischen Autofahrer eine Maut zahlen sollen, aber das geht natürlich nicht. Aber man könnte hinten herum deutsche Fahrer entlasten.

    Kapern: Professor Michael Schreckenberg, Verkehrsexperte an der Universität Duisburg-Essen. Herr Schreckenberg, danke für Ihre Informationen und Ihre Einschätzungen. Schönen Tag!

    Schreckenberg: Bitte sehr!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.