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Verkehrspolitik im Wahlkampf
Umgang mit Diesel polarisiert

Seit der Aufdeckung der Diesel-Abgas-Manipulationen wird heftig über die Zukunft des Verbrennungsmotors diskutiert. Im Wahlkampf ist das ein wichtiges Thema: Die Verkehrspolitiker der Republik versuchen, Fahrverbote für Diesel-PKW zu verhindern. Schließlich sind Dieselfahrer auch Wähler.

Von Nadine Lindner | 07.09.2017
    Autos von hinten aufgenommen stehen im Stau
    Die Verkehrspolitik ist ein wichtiges Thema im Bundestagswahlkampf - Dieselfahrer sollen nicht verprellt werden (dpa / Frank Rumpenhorst)
    Die Zukunft des Verbrennungsmotors polarisiert in diesem Wahlkampf, zwei Jahre nach Auffliegen der Diesel-Abgas-Manipulationen bei VW. So will sich CSU-Chef Horst Seehofer nur an einer künftigen Bundesregierung beteiligen, wenn diese am Verbrennungsmotor festhält. Im ARD-Sommerinterview steckte er die Grenze für mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen ab:
    "Wir werden uns auch nicht verständigen können, eine Technologie wie den Verbrennungsmotor durch einen Paragrafen zu verbieten. Das wären schon ganz wichtige Punkte, die mit den Grünen nicht in Frage kämen aus der Sicht der CSU."
    Konträr dazu die Grünen: Parteichef Cem Özdemir. "Die nächste deutsche Bundesregierung muss den Diesel sauber bekommen. Und sie muss zugleich den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor beschließen." Die Grünen hatten das bereits Mitte Juni beschlossen: Ab 2030 sollen ihrem Willen nach nur noch abgasfreie Autos zugelassen werden. Es ist Teil ihres 10-Punkte-Plans für grünes Regieren.
    Brückentechnologie, Arbeitsplatzgarant
    Diesel ja, nein, vielleicht: zur Zukunft des Diesels. CDU-Spitzenkandidatin Angela Merkel bezeichnet den den Verbrenner in der letzten Bundestagssitzung als Brückentechnologie, die man noch lange brauchen werde.
    "Wir werden noch auf Jahre und Jahrzehnte Verbrennungsmotoren brauchen und trotzdem werden wir gleichzeitig die Brücke, den Weg in eine neue Mobilität und neue Antriebe gehen müssen." Ein Bekenntnis der Regierungschefin auf großer Bühne. Ein Ausstiegsdatum nennt sie nicht.
    SPD-Herausforderer Martin Schulz hat seine Vorstellungen in einem 5-Punkte-Plan präzisiert. Der Diesel soll sauberer werden. Und bleiben. Auch weil so viele Arbeitsplätze an diesem Automodell hängen. Schulz dazu in der ARD: "Der Diesel wird noch lange da sein. Und deswegen müssen wir auch in diese Technik investieren." Das sei, so die SPD auch eine Frage der Wertschöpfung.
    Von Dieselgarantie bis zur Enteignung von Diesel-Fahrern
    Die Linkspartei hebt vor allem auf die sozialen Folgen ab: Die gesundheitsschädlichen Abgase würden vor allem die Bürger treffen, die es sich nicht leisten könnten, von der Hauptstraße wegzuziehen. FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete Fahrverbote dagegen als Enteignung von Diesel-Fahrern. Es dürfe nicht ideologisiert debattiert gearbeitet werden.
    Die AfD wittert bei diesem Thema Morgenluft für Stimmgewinne und profiliert sich als Diesel-Bewahrer. Spitzenkandidatin Alice Weidel: "Die AfD hat sich sehr früh für eine Dieselgarantie bis zum Jahr 2050 ausgesprochen." Und die AfD sei gegen Fahrverbote und halte die Debatte für übertrieben.
    Auch bei den langfristigen Themen sind die Ziele der Verkehrspolitik zwischen den Parteien groß. Grob gesagt teilen sie sich in zwei Gruppen: diejenigen, die in der Verkehrspolitik grundlegend etwas verändern wollen - zum Beispiel hin zu mehr Alternativangeboten zum Individualverkehr - und die, die eher auf ein Weiter-so setzen.
    Die CDU stellt seit 2009 den Verkehrsminister und lehnt ein generelles Tempolimit ab. Die Partei stehe weiterhin zum verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan. Unionsverkehrsexperte Steffen Bilger:
    "Wir stehen auf jeden Fall zu dem, was wir in den vergangenen Jahren mit der SPD erreicht haben. Das sind durchaus Erfolge, im Gegensatz zu dem, was wir in den Jahren davor erlebt haben. Zum Beispiel, dass endlich die Verkehrsinfrastruktur auskömmlich finanziert wird. Aber wir sehen auch, dass es Probleme gibt, weil die Verfahren alle viel zu lange dauern."
    Dass auch der Verkehrssektor mit CO2-Einsparungen zu den deutschen Klimaschutzzielen beitragen und Elektroautos mit Ökostrom betrieben fahren müssten, findet wohl Erwähnung im CDU-Wahlprogramm. Aber dies steht nicht im Mittelpunkt.
    Mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr
    Im Gegensatz zu den Grünen, die eine grundlegende Verkehrswende mit dem Schutz der Umwelt im Fokus haben.
    Die SPD will ihrerseits ein Bündnis für bezahlbare und nachhaltige Mobilität schmieden. Vertreter von Politik, Umweltverbänden, ÖPNV und Autoherstellern sollen gemeinsam überlegen, welche Auswirkungen autonomes Fahren und E-Autos mit sich bringen.
    Sören Bartol: "Das muss man im Großen machen. Das werden teilweise sehr große Umbrüche, was die technologischen Folgen angeht, aber auch, was die sozialen Folgen angeht."
    Zudem fordert die SPD mehr Geld für öffentliche Busse, Straßenbahnen und den Pendler-Bahnverkehr, das Angebot müsse nicht nur ausgebaut, sondern auch die Beschäftigten nach Tarif bezahlt werden.
    Bei den Linken steht neben dem Umwelt- auch der Gerechtigkeitsaspekt im Mittelpunkt. Die Partei will mehr Mobilität ohne eigenes Auto ermöglichen. Für Geringverdiener, Ältere. "Unser Ziel ist ein ticketfreier ÖPNV, damit der Umstieg von Auto auf den ÖPNV erleichtert wird."
    Straßen in öffentlich-privater Partnerschaft zu bauen und betreiben lehnt Die Linke ab, das Risiko sei zu groß.
    Die FDP dagegen findet genau solche Partnerschaften sinnvoll, denn der Staat könne von privatwirtschaftlicher Effizienz profitieren. Zudem müsse mehr für die Digitalisierung getan werden.
    Auch die AfD widmet sich der Verkehrspolitik: Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnt sie ab, genauso wie die Umweltzonen, die ihrer Ansicht nach unwirksam sind und abgeschafft werden sollten.