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Verkehrssicherheit
Auto funkt an Fußgänger und Radfahrer

Radfahrer oder Fußgänger werden im Straßenverkehr häufig zu spät gesehen. Wenn sie durch parkende Autos verdeckt sind oder aus einer Einfahrt auf die Straße laufen, bleibt einem Autofahrer oft nicht genug Zeit, um zu bremsen. Ein Ortungssystem, das an der Technischen Universität München entwickelt wird, soll solche Gefahrensituationen rechtzeitig erkennen und dadurch Unfälle verhindern.

Von Magdalena Schmude | 27.03.2014
    "Jetzt sehen wir: Der Abstand nimmt wieder ab, jetzt ein bisschen schneller als vorher, nachdem wir auch schneller rollen."
    Eine Seitenstraße im Münchner Univiertel. Bernhard Schaffer schiebt einen hüfthohen Rollwagen über den Gehweg. Auf dem Wagen steht ein aufgeklappter Laptop, auf dessen Bildschirm eine Spur aus kleinen hellen Punkten erscheint.
    "Wir zeichnen jetzt hier die Daten, die wir empfangen, also die Abstandsdaten auf, die sehen wir hier als Spur, ein so ein Strich ist ein halber Meter, und hier oben sieht man immer den aktuellen Abstand, den wir gerade messen."
    Die Punkte zeigen den Abstand des Rollwagens, der ein Auto simulieren soll, zu einem Transponder an- einem grauen Kästchen- groß wie ein Butterpäckchen- das sich, an eine Holzlatte geklebt, zwischen zwei am Straßenrand geparkten Kleinwagen befindet. Derartige Transponder könnten in Zukunft Fußgänger oder Radfahrer bei sich tragen und damit von einem Fahrzeug aus geortet werden, lange bevor Sichtkontakt besteht. Das Prinzip ist simpel. Ein Gerät im Auto sendet über eine WLAN-Verbindung ein Signal aus- eine Art Positionsabfrage, die vom Transponder empfangen und beantwortet wird. Aus der Zeit, die das Signal braucht, um zurückzukommen, berechnet das System den Abstand zum Auto, erklärt Projektleiter Erwin Biebl.
    "Dann weiß man, wie weit der Fußgänger weg ist, das ist die Abstandsmessung. Und dann wird gleichzeitig der Winkel gemessen, in dem dieses Signal auf das Fahrzeug einfällt, sodass dann das Fahrzeug aus Winkel und Abstand die genaue Position des Fußgängers oder des Radfahrers bestimmen kann."
    Die Abfrage kann bis zu fünfzig mal pro Sekunde wiederholt werden. Das System im Fahrzeug berechnet aus den empfangenen Antwort-Signalen die Bewegung des Transponders und gleicht sie mit dem zukünftigen Fahrweg des Autos ab. Besteht die Gefahr eines Zusammenpralls, reagiert das System.
    Biebl: "Zum Beispiel, dass man das Fahrzeug schon mal auf die Bremsung vorbereitet, dass man den Fahrer warnt, dass man vielleicht schon mal kurz anbremst, damit der Fahrer aufmerksam ist, wenn er gerade nicht hinschaut. Und dann im schlimmsten Fall die Notbremsung."
    Das Ortungssystem ist dabei in der Lage, mehrere Transponder gleichzeitig zu kontrollieren, die sich im Umkreis von bis zu 300 Metern befinden. Je nach Abstand zum Fahrzeug bekommen sie verschiedene Prioritäten zugeteilt. Je näher zum Fahrzeug, desto häufiger werden sie anschließend abgefragt. Im Herbst haben Biebl und sein Team diese Mehrnutzerfähigkeit unter Realbedingungen getestet. Zwei Fahrzeuge und gut zwanzig Transponder waren dabei im Einsatz. Noch ist der Transponder zu groß, um ihn einfach in die Jackentasche zu stecken. Das Ziel der Wissenschaftler ist es, ihn auf die Größe einer Zwei Euro-Münze zu schrumpfen. Dann könnte er einfach und günstig auch in Handys eingebaut werden.
    Bedenken, dass das System missbraucht werden könnte, um Personen auch zu anderen Zwecken zu orten, hat Erwin Biebl nicht.
    "Man kann natürlich schon sicherstellen, dass nur zugelassene Geräte in einem Fahrzeug eine Abfrage starten können. Das heißt, jemand der so ein Gerät nachbauen will, dem fehlt das entsprechende Zertifikat und der Transponder wird dann nicht antworten."
    Um die Bewegungsprofile der Benutzer vor Missbrauch zu schützen, sollen die Daten außerdem nur für kurze Zeit gespeichert werden und der Transponder bei jeder Abfrage durch ein weiteres Auto eine andere digitale Kennung erhalten. Karin Schuler von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz befürchtet trotzdem, dass die personenbezogenen Daten nicht ausreichend geschützt sein könnten.
    "Wenn man das Handy benutzt, hat man natürlich, selbstverständlich eine eindeutige, identifizierende Nummer. Die Gefahr ist, wie bei jedem derartigen Projekt da, dass wenn die Daten erst mal da sind, dass da Begehrlichkeiten entstehen. Da kann man nichts dran machen."
    Deshalb hält sie es vor allem für wichtig, dass der Transponder vom Benutzer bewusst ein- und ausgeschaltet werden kann und außerdem sowohl der Fußgänger als auch der Autofahrer in der Lage sind, die gespeicherten Daten jederzeit aktiv zu löschen.