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Verlierer der Revolution?

Als die ägyptische Bevölkerung für ihre Befreiung demonstrierte, tat sie das in ungeahnter Einigkeit von Muslimen und koptischen Christen. Deren Hoffnung, nach dem Ende des Mubarak-Regimes freier ihre Religion ausüben zu können, hat sich jedoch zerschlagen - nun ruht die Hoffnung auf einer Verfassungsänderung.

Von Hans Michael Ehl | 10.06.2012
    Der Tahrir-Platz in Kairo Ende Januar 2011. Muslime haben sich zum Gebet versammelt. Christliche Demonstranten bilden eine Kette um die Betenden, um sie vor Angriffen der Sicherheitskräfte und von Schlägern des Mubarak-Regimes zu schützen. Wenig später feiern die Christen ihren Gottesdienst auf dem Platz und muslimische Demonstranten übernehmen den Schutz. Im Protest gegen das verhasste Regime spielten religiöse Unterschiede damals keine Rolle, sagt Youssef Sidhom, Chefredakteur der größten christlich-geprägten Wochenzeitung Ägyptens, Al-Watany.

    "Als die Revolution im Januar 2011 begann, strömten die Christen begeistert auf den Tahrir-Platz, um Teil der Revolution zu sein. Und ich bin stolz, dass sie eins waren mit den Ägyptern. Damals kamen christliche Jugendliche zu mir und sagten: 'Wir wollen alle wissen lassen, dass wir die Revolution unterstützen. Sollen wir unsere Fahne mitnehmen, um zu zeigen, dass wir als christliche Jugend dahinter stehen?' Und ich habe gleich gesagt: 'Lasst das sein, ihr müsst als Ägypter teilnehmen, steht nicht isoliert unter irgendeiner Fahne.' Und das hatte den Effekt einer großen nationalen Solidarität."

    Während der Revolutionstage im Frühjahr 2011 haben viele Kopten gehofft, dass mit dem verhassten Mubarak-Regime auch ihre Diskriminierung ein Ende haben würde. Zwischen sieben und neun Millionen Kopten leben in Ägypten, genaue Zahlen gibt es nicht. Damit ist im bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt etwa jeder Zehnte Christ. 90 Prozent der Ägypter bekennen sich zum Islam. Während der mehr als 30-jährigen Herrschaft von Präsident Hosni Mubarak war die Diskriminierung der koptischen Minderheit allgegenwärtig, erzählt Hany Shoukralla. Er ist Mitte 30 und koptischer Christ.

    "Du findest keinen Christen an der Spitze einer Universität. Sind Christen so dumm, so ungebildet? Das ist verrückt! Du findest keine Christen in höheren Positionen der Polizei, des Geheimdienstes oder der Armee, warum? Wenn sie nicht qualifiziert sind, okay, dann bin ich einverstanden. Aber wenn sie qualifiziert sind und gleichberechtigt, dann gib ihnen ihre Rechte! Es ist doch keine Schande für das Land, wenn ein Christ eine hohe Position einnimmt oder Universitätspräsident ist. Mach doch die Religion nicht zum Grund dafür, Menschen ihre Rechte zu verweigern oder ihnen zu zeigen, dass sie nicht Teil dieses Landes sind."

    Michael Mounir kann Hany nur zustimmen. Auch er ist Christ und Mitte 30. Schon in der Schule sei die Diskriminierung für ihn spürbar gewesen.

    "Als wir jung waren, haben wir nie einen Beleg dafür gefunden, dass es in Ägypten Menschen gibt, die Kopten genannt werden. Sie wollen die Ära der koptischen Geschichte unseres Landes und die Errungenschaften der Kopten ignorieren. Die koptische Geschichte passt für sie in zwei Sätze. Aber was den Islam angeht, mussten wir den ganzen Koran lesen. Um ein Examen abzulegen, musstest Du alles über den Islam wissen und darüber diskutieren."

    Viele Muslime seien zudem sehr empfänglich für antichristliche Propaganda, sagt Michael. Nur so seien die vielen Attacken auf Kirchen und Angriffe gegenüber einzelnen Christen erklärbar. Drei Wochen vor Beginn der Massendemonstrationen im Januar 2011 wurden bei einem Bombenanschlag auf eine Kirche in der Mittelmeerstadt Alexandria 23 Menschen getötet, fast 100 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Bis heute ist der Anschlag nicht zufriedenstellend aufgeklärt. Behördenvertreter sprachen von einem Selbstmordanschlag, ausgeführt von einem Al-Kaida-Terroristen. Aber viele Kopten glauben, dass Vertreter des Mubarak-Regimes immer wieder versuchten, durch solche Attacken den Hass zwischen Muslimen und Christen zu schüren, um sich nach außen als Sicherheitsgarant der Minderheit präsentieren zu können.
    Viele Kopten hofften, dass sich ihre Situation nach der Revolution verbessern würde. Doch die Hoffnung wurde enttäuscht. Im Monatsrhythmus berichten ägyptische Medien von Angriffen auf Kirchen und von Gewalt gegen koptische Christen. Der Journalist und Christ Youssef Sidhom sieht in den vermehrten Angriff einen Hinweis auf das Erstarken radikal-islamischer Gruppierungen im Land und verweist auf einen Vorfall im Mai 2011, als in Oberägypten die Kapelle eines christlichen Bildungshauses zerstört wurde, weil angeblich keine Baugenehmigung vorlag.

    "Wir waren alle schockiert, dass eine kleine Kapelle dem Erdboden gleichgemacht wurde; das gab es noch nie. Es gab drei Jahrzehnte lang Angriffe von islamischen Fanatikern und Terroristen gegen christliche Kirchen, aber nie die völlige Zerstörung einer Kirche. Wir waren schockiert! Wir mussten mit ansehen, wie nach der Revolution ein extremer, fanatischer Islam stärker wurde und die Angriffe eine neue Stufe erreichten mit der Zerstörung einer ganzen Kirche."

    Hany Shoukralla ist etwas zurückhaltend mit seiner Erklärung für die Vorfälle. Er glaubt, dass die schlechte Sicherheitslage nach der Revolution dazu geführt hat, dass Polizei und Militär überfordert waren, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und in diesem Vakuum hätten Gewalttäter leichtes Spiel.

    "Kirchen werden attackiert und bis heute wissen wir nicht, wer dahinter steckt. Und selbst wenn sie jemanden festnehmen, der beteiligt gewesen sein soll, wird er nicht vor Gericht gestellt. Es endet damit, dass einige Sheikhs beraten und ein Friedensgespräch mit den Beteiligten veranstalten. Das ist ja okay, aber sie müssen bestraft werden. Sie müssen wissen, dass das falsch ist. Es ist verboten, auf Kirchen zu schießen oder auf Moscheen oder auf Bürogebäude – egal. Das ist illegal und wir brauchen ein Gesetz, das angewendet werden muss, das strikt angewendet werden muss. Vor dem Gesetz sind alle gleich."

    Hany spielt an auf einen Vorfall im Sommer 2011. In Oberägypten schnitten fanatische Muslime einem Christen ein Ohr ab, nachdem das Gerücht gestreut wurde, er habe ein Verhältnis zu einer muslimischen Frau. Die Täter meldeten den Fall selbst der Polizei. Die Behörden veranstalteten ein "Versöhnungsgespräch", nach dem die Täter dem Opfer zwar ein symbolisches Schmerzensgeld zahlen mussten, aber nicht gerichtlich belangt wurden.

    Eine ganz neue Form der Gewalt erfuhren Kopten in Ägypten Anfang Oktober 2011. Nach dem Angriff auf eine Kirche in einem Ort bei Assuan in Oberägypten zogen Demonstranten vom Kairoer Stadtteil Shubra in Richtung Innenstadt, um vor dem Gebäude des ägyptischen Staatsfernsehens ihre Rechte einzufordern. Schon auf dem Weg wurden die Demonstranten, unter denen auch viele muslimische Sympathisanten waren, von Schlägern angegriffen und mit Steinen beworfen. Vor dem Fernsehgebäude schlägt die Stimmung vollends um, Schüsse fallen.

    Im Staatsfernsehen, dessen Live-Kameras auf die Straße vor dem Gebäude gerichtet sind, ruft die Moderatorin Rasha Magdi alle Ägypter dazu auf, die Soldaten zu schützen – nicht etwa, wie man meinen könnte, vor den Schlägern und Steinewerfern, die für die Eskalation der Gewalt verantwortlich sind, sondern vor den christlichen Demonstranten.

    "Ist uns unsere Heimat so wenig wert, dass wir es hinnehmen, wenn drei Soldaten getötet und 20 verletzt werden? Und welche Hände waren es, die auf sie geschossen haben? Die Soldaten wurden weder von Israelis noch von anderen Feinden getötet, sondern von Kindern unseres Landes. Das Militär, das sie angreifen, steht auf der Seite der Revolution. Es hat die Revolution geschützt und sich damals geweigert, auch nur eine einzige Kugel auf Ägypter abzufeuern. Heute erleben wir, wie auf das Militär geschossen wird."

    Ein Soldat wird interviewt. Es seien diese Hunde gewesen, die sie angegriffen hätten - gemeint sind die Christen. Aus allen Stadtteilen Kairos kommen Menschen, um gegen die Randalierer vorzugehen. Mehr als zwei Dutzend Demonstranten werden getötet - erschossen, von Militärfahrzeugen überrollt. Mina Magdi war am 9. Oktober bei der Demonstration dabei. Monate nach den Ereignissen kann er nicht am Gebäude des Staatsfernsehens vorbeigehen, ohne die Erinnerung an das, was an jenem Sonntagabend passierte.

    "Ich schaue nicht auf das Gebäude. Ich war ein enger Freund von Mina Daniel, der damals getötet wurde. Es kommen viele Erinnerungen hoch an Mina und die anderen, wenn ich daran vorbeigehe. Aber ich fühle ihretwegen keine Trauer; ich denke nicht, wir haben sie verloren, sondern sie sind unsere Helden und ich bin stolz auf sie."

    Bis heute ist juristisch nicht aufgearbeitet, was an diesem Abend wirklich geschah. Der regierende Oberste Militärrat Ägyptens erklärte, die Soldaten hätten sich gegen Angriffe der Demonstranten verteidigen müssen. Teilnehmer der Demonstration wurden vor Militärgerichten abgeurteilt, darunter auch muslimische Demokratieaktivisten. Aber viele gehen von einer gezielt geplanten Eskalation der Gewalt aus. So auch Michael Mounir.

    "Das war eine Warnung an die Christen, nicht mehr auf die Straße zu gehen: Ihr seid schwach, ihr könnt leicht benutzt werden. Wenn ihr euren Ärger loswerden wollt, tut es in der Kirche und nicht in der Öffentlichkeit. Es ist euch nicht erlaubt, in der Öffentlichkeit für eure Rechte zu kämpfen, für das Recht, in diesem Land zu leben, in einer Kirche zu beten, alles zu tun, was eben anderen Bürgern erlaubt ist oder für etwas zu demonstrieren."

    Michael engagiert sich wie Mina Magdi in der Maspero Youth Union. Die Jugendorganisation gründeten sie zusammen mit Freunden nach einem Sit-In von koptischen Christen vor dem Fernsehgebäude im Sommer 2011. Jetzt helfen Michael und Mina dabei, die Union zu einer politischen Vertretung für ägyptische Minderheiten zu machen, mit einem klaren Schwerpunkt auf der Situation der Kopten. Mit der Gründung der Jugendorganisation weichen die jungen Kopten von einer bisher üblichen Vereinbarung innerhalb der koptischen Kirche ab. Für alle politischen Fragen zur Situation der Kopten in Ägypten ist das koptische Patriarchat, ist die Kirchenzentrale zuständig. So führten Kirchenvertreter nach den Ereignissen am Staatsfernsehen Gespräche mit Vertretern des herrschenden Obersten Militärrats. Bischof Mussa war bei den Gesprächen dabei.

    "Was in Maspero passiert ist, war kriminell, aber bei Treffen mit Leuten aus dem Militärrat, haben sie uns versichert, dass sie die Ereignisse nicht gutheißen, dass die Dinge eingehend untersucht und die Ergebnisse veröffentlicht werden; alles, was passiert ist, vom Bombenanschlag in Alexandria bis zu den Ereignissen am Staatsfernsehen in Maspero. Ohne eine solche Untersuchung bleiben reine Vermutungen und Unterstellungen und wir hoffen, dass sie das auch wirklich tun werden."

    Das Vertrauen von Bischof Mussa auf die staatlichen Autoritäten und den Obersten Militärrat in allen Ehren, sagen koptische Aktivisten wie Mina Magdi und Michael Mounir. Aber sie glauben nicht, dass ein echtes Interesse an der Aufklärung der Vorfälle besteht. Zu lange hätten die Autoritäten nichts unternommen, Prozesse wurden vertagt, Angeklagte wieder auf freien Fuß gesetzt. Kopten seien in Ägypten Menschen zweiter Klasse – Punkt! Viele würden inzwischen darüber nachdenken, ihre Heimat zu verlassen. Zahlen, wonach in den zwölf Monaten nach der Revolution mehr als 100.000 Kopten Ägypten verlassen haben sollen, halten sie allerdings für völlig übertrieben. Auch Bischof Mussa hält die Zahl für falsch.

    "Ich denke, das ist übertrieben. Ja, viele Kopten und Ägypter überhaupt, auch Muslime, wollen das Land verlassen, weil die wirtschaftliche Situation schlecht ist und die Zukunft nicht gut aussieht. Aber wir hoffen, dass 2012 besser wird und dass wir die Touristen wieder für uns gewinnen können und das Land wieder sicherer wird. Und wir hoffen auf gute Beziehungen zueinander und wir bemühen uns darum."

    Bischof Mussa, der in der Kirchenzentrale für die Arbeit mit Jugendlichen zuständig ist, gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge des koptischen Papstes Shenouda III.. Nach mehr als 40 Jahren an der Spitze der Kirche, starb das Kirchenoberhaupt Mitte März 88-jährig.

    Tausende nutzten die Gelegenheit, von dem verstorbenen Papst Abschied zu nehmen. Zur Trauerfeier in der Markus-Kathedrale in Kairo erschienen Politiker aller Fraktionen des neu gewählten ägyptischen Parlaments. Für viele koptischen Christen ist der Tod ihres Oberhaupts ein einschneidendes Ereignis. Er galt ihnen vor allem als geistlicher Führer, der durch seine tiefe Frömmigkeit auch viele Muslime beeindruckte.

    "Es gibt kaum jemanden, der mit ihm nicht einverstanden war, viele haben ihn geliebt. Shenouda war eine große Persönlichkeit und es wird schwierig, jemanden wie ihn zu finden."

    In einem komplizierten Wahlverfahren, an dem neben koptischen Bischöfen und Theologen auch Nicht-Theologen beteiligt sind, wird das neue Kirchenoberhaupt bestimmt. Mit einer Entscheidung für den dann 118. Papst der Kirche von Alexandria, die sich auf ihre Gründung durch den Evangelisten Markus beruft, wird aber nicht vor dem Frühsommer gerechnet. Mina Magdi wünscht sich einen aufgeschlossenen Kirchenmann an der Spitze. Was Ägypten und was die Kopten nicht gebrauchen könnten in dieser Situation des Landes, sei ein Hardliner, der auf Konfrontation mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit setzt.

    "Es wäre gut, wenn es ein sozial und liberal eingestellter Mann ist, wie viele der Jugendbischöfe unserer Kirche. Wenn es ein - ich will nicht sagen: Extremist ist, aber wenn es einer ist mit extremen religiösen Vorstellungen, dann kann es ein harter Weg werden. Wir warten auf die Wahl Gottes, und nicht nur Christen, sondern auch Muslime und politisch denkende Leute werden genau schauen, wer die Kirche leiten wird."

    Ein solcher dialogbereiter Kirchenmann wäre für die koptische Kirche in Ägypten wichtig – nicht nur wegen der aggressiven Haltung vieler Muslime im Land gegenüber der christlichen Minderheit. Angesichts der neuen politischen Machtverhältnisse sollte er gute Kontakte haben zur ägyptischen Muslimbruderschaft. Deren Partei Freiheit und Gerechtigkeit hat bei den Parlamentswahlen immerhin rund 45 Prozent der Sitze errungen und wird die politische Zukunft des Landes entscheidend mitprägen. Beim diesjährigen Weihnachtsgottesdienst in der Kairoer Markus-Kathedrale saßen Vertreter der Muslimbruderschaft in der ersten Reihe – zum ersten Mal überhaupt nahmen sie an einem Gottesdienst in der Kathedrale teil. Überraschend gewannen zudem die religiös-fundamentalistischen Salafisten fast ein Viertel aller Parlamentssitze, was auf eine religiöse Radikalisierung der ägyptischen Gesellschaft schließen lässt und vielen Ägyptern Angst macht – nicht nur den Christen.
    Den Aufstieg der Salafisten sieht auch Bischof Mussa vom koptischen Patriarchat mit Sorge. Von einer echten Gefahr für die Christen will er aber nicht sprechen.

    "Die meisten Muslime bei uns sind moderat, und wir haben sehr feste und gute Beziehungen zu ihnen und das in unserer ganzen Geschichte hier in Ägypten. Und im, sagen wir mal, 'neuen Ägypten' nach der Revolution werden Sie sehen, dass wir in Liebe, Zusammenarbeit, Übereinkommen in den gemeinsamen Angelegenheiten und dann in Frieden leben werden. Das ist unsere Hoffnung und dafür arbeiten wir …"

    Wenn der Bischof von moderaten Muslimen in Ägypten spricht, dann meint er vor allem solche, die sich von der Al-Azhar-Universität vertreten fühlen. Die Azhar gilt in Ägypten und darüber hinaus als die wichtigste Autorität des sunnitischen Islams. Seit Jahrzehnten pflegen Azhar und koptische Kirchenzentrale gute Kontakte. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Azhar ein Dokument mit Vorschlägen für eine neue Verfassung, in der der Islam zwar eine wichtige Rolle spielt, in der aber auch das gleichberechtigte Zusammenleben der Religionen im Land geregelt wird. Lange erwartet haben Kopten zum Beispiel eine Gleichstellung beim Kirchenbau, wie er auch von den islamischen Gelehrten der Azhar gefordert wird. Seit 2005 liegt ein Gesetzentwurf vor, der bis heute aber nicht umgesetzt wurde. Der koptische Journalist Youssef Sidhom.

    "Die Prozedur, ein Grundstück zu bekommen und ein Gotteshaus zu bauen, unterscheidet sich sehr: Je nachdem, ob es sich um eine Moschee oder eine Kirche handelt. Wenn die Sicherheitsbehörden überhaupt jemals zustimmen, dann muss das einen ganz langen Weg gehen bis zum Schreibtisch des Präsidenten, der dann eine Verordnung erlässt, um eine neue Kirche zu erlauben, was für Moscheen nicht der Fall ist. Bei vielen fanatischen Muslimen fördert diese Ungerechtigkeit die Vorstellung, dass der Staat Angriffe auf Kirchen absegnet."

    Es wird noch ein weiter Weg sein, bis Kopten in Ägypten als gleichberechtigte Bürger anerkannt werden, meint Youssef Sidhom. Jeder noch so kleine Erfolg, jeder noch so kleine juristische Schritt in Richtung Gleichberechtigung sei wichtig. Und in der neuen ägyptischen Verfassung, die jetzt ausgearbeitet wird und über die spätestens im Sommer in einem Volksentscheid abgestimmt werden soll, könnten Kopten eine rechtliche Gleichstellung mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit erreichen, meint er. Für sehr wahrscheinlich hält der koptische Journalist aber, dass es weiterhin Angriffe auf Kirchen geben wird und dass weiter Gerüchte gestreut würden über muslimische Frauen, die in koptischen Klöstern gefangen gehalten werden, um sie zum Christentum zu bekehren – Fanatiker, die Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen anzetteln wollten, würden weiter versuchen, Unfrieden zu stiften. Wichtig sei, meint Hany Shoukralla, dass Ägypten zu einem Rechtsstaat werde, in dem der rechtliche Rahmen stimmt und in dem Gesetzesverstöße konsequent verfolgt würden.

    "Ich denke, niemand kann Ägypter oder Minderheiten verteidigen, ohne Gesetze für alle gleich anzuwenden. Es wird das erste sein, wofür Christen ihre Stimme erheben sollten: Sie müssen Bürger dieses Landes sein, gleichberechtigte Bürger."