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Vernetzung, Austausch und Mobilität

Wie sieht die Universität von morgen aus? Darüber debattieren die Bildungsspezialisten aus der ganzen Welt auf der Unesco-Hochschulbildungskonferenz in Paris. Das Fazit wenige Stunden vor Abschluss der Konferenz in Paris: Keiner steht mehr allein da in der globalisierten universitären Welt.

Von Tilla Fuchs | 08.07.2009
    Hadidi al Mustafa, Kabinettsdirektor des marokkanischen Bildungsministers, studiert sorgfältig eine Pinnwand, die mit Veranstaltungszetteln gespickt ist, um ihn herum drängen sich Besucher und Sicherheitskräfte, in Saal eins des Unesco-Gebäudes tritt gerade der brasilianische Staatspräsident Lula da Silva auf. Doch das interessiert Hadidi al Mustafa nicht. Er schwankt zwischen dem Vortrag über die Auswirkungen der Globalisierung auf die Hochschulen kleiner Staaten und dem Runden Tisch, der zeitgleich über die Uni der Zukunft philosophiert.

    Hadidi Al Mustafa hat in den letzen drei Tagen so viele Veranstaltungen besucht, wie er nur irgend schaffen konnte. Hadidi al Mustafa ist ein alter Konferenzhase und hat dementsprechend konkrete Erwartungen an die Unesco-Veranstaltung:

    "Ich hoffe, dass am Ende dieser Konferenz greifbare Ergebnisse stehen, Ziele, die auch umgesetzt werden. Vor allem hoffe ich, dass die Unesco alle Partner, ganz gleich ob es jetzt um finanzielle oder die technische Beteiligung geht, dazu bringt, die Hochschulbildung zu stärken. Das ist wichtig in Zeiten einer weltweiten Krise, die die Entwicklungsländer besonders hart trifft. Eine Lösung wäre, eine privat-öffentliche Partnerschaft für die Universitäten zu entwickeln, das wäre eine gute Rollenverteilung."
    Der Unesco-Präsident für Hochschulbildung und Organisator der viertägigen Konferenz, Georges Haddad, sieht genau in diesem Vorschlag eines der Kernprobleme, das in den Foren und Roundtables der Veranstaltung für viel Streit und heiße Debatten sorgt. Er ist einer der gefragtesten Gesprächspartner auf der Konferenz, muss zu allem und jedem Stellung beziehen. Gerade hat er kurzzeitig seinen Posten verlassen und sich in sein improvisiertes Büro geflüchtet, das neben den Veranstaltungsräumen eingerichtet ist. Eine Lösung dieses Kernproblems sei so schnell nicht greifbar, sagt er und zuckt mit den Schultern, die Frage nach der Privatisierung der Universitäten geht in seinen Augen weit über die Hochschulwelt hinaus.

    "Vom Erfolg sind wir noch sehr weit entfernt: Es gibt viele unterschiedliche Meinungen, divergierende Konzepte. Eine der ganz großen Diskussionen dreht sich darum, ob die Hochschule ein öffentliches Gut sein sollte, oder ein privat-öffentliches Gut. Die Probleme, vor denen unser Bildungssystem steht, sind Basisprobleme, die der Spiegel unserer ganzen Gesellschaft sind."
    Privatisieren oder nicht Privatisieren? Dieser Streit wird wohl über die Konferenz hinausgehen. In einem Punkt aber sind sich die Teilnehmer einig: Jene Länder, die zu wenig in ihr Bildungssystem investieren, haben langfristig keine Chance, wirtschaftlich zu überleben. Nach einer OECD-Schätzung ist es für das Wirtschaftswachstum eines Landes essenziell, dass 40 bis 50 Prozent aller jungen Bürger Hochschulzugang haben. Das ist zur Zeit nur in Nordamerika und Europa der Fall.

    Doch die Zahl der Studierenden steigt auch in den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern immer schneller. Und: die Zahl jener, die ihr Heimatland verlassen, um im Ausland zu studieren: Zurzeit sind es nach Unesco-Angaben 2,8 Millionen. Austausch, auch darin sind sich die Experten auf der Konferenz einig, ist wichtig für die Weiterentwicklung der Hochschulen. Georges Haddad, selbst ehemaliger Präsident der Pariser Traditions-Universität Sorbonne, spricht sich klar für neue Modelle aus. Denn eines will er um jeden Preis verhindern: dass westliche Elitesysteme eins zu eins ins Ausland exportiert werden.

    "Wir sind heute in einer Art Wirtschaftswahn gefangen, was unsere Hochschulbildung betrifft. Meiner Meinung nach verfremdet das völlig unsere Aufgabe. Und das Resultat? Die "großen" Unis, die all unsere "großen" Talente der Wirtschaft und des Finanzmarktes ausgebildet haben. All die großen Verwaltungschefs der Banken und Versicherungen. Ich glaube, diese großen Universitäten müssen sich neu positionieren, müssen ihre Art zu unterrichten in Frage stellen und die Abscheulichkeiten, für die sie verantwortlich sind. Oder werden sie behaupten, niemand hätte diese Krise vorhergesehen, die direkt diesem ganzen menschlichen Wahn entspringt?"
    Herauszufinden, welcher brillante Absolvent aus Oxford, Cambridge oder den Pariser Grandes Ecoles die Krise vorausgesagt hat, muss dann wohl Objekt der nächsten weltweiten Hochschulkonferenz werden. Die globale Wirtschaftskrise jedenfalls ist in den Vortragssälen häufig Thema, wird auch zwischen den Veranstaltungen auf den Gängen diskutiert. Professor Olusola Oyewole kommt aus Nigeria und vertritt die Vereinigung Afrikanischer Universitäten auf der Pariser Konferenz. Seine Bilanz:

    "Wenn die Welt aus der aktuellen Krise herauskommen will, dann muss sie mehr Geld in die Hochschulbildung stecken. Die Nationen haben jetzt endlich entdeckt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen ihren Universitäten und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist doch zumindest eine Errungenschaft dieser Bildungskonferenz."