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Veröffentlichung vor 450 Jahren
Gerhard Mercators Weltkarte machte die Schifffahrt sicherer

Die Erde ist eine Kugel, eine Karte zweidimensional: Bis zum 16. Jahrhundert entstanden beim Zeichnen von Karten so Verzerrungen. Die Folgen für die Schifffahrt waren fatal, wie häufige Schiffbrüche belegen. Erst mit der von Gerhard Mercator entwickelten Mercator-Projektion wurden winkeltreue Karten möglich.

Von Dagmar Röhrlich | 25.12.2019
    Der flämische Kartograph Gerhard Mercator (1512-1594)
    Der flämische Kartograph Gerhard Mercator (1512-1594) verließ nach einer Kerkerhaft seine Heimat - und kam nach Duisburg. (picture alliance / Design Pics / Ken Welsh)
    "Nova et Aucta Orbis Terrae Descriptio ad Usum Navigantium Emendate Accommodata" "Neue und vollständigere Darstellung des Erdglobus für den Einsatz in der Navigation" - so benannte Gerhard Mercator die Weltkarte, die als sein Meisterwerk gilt. Denn für sie entwickelte er ein Abbildungsverfahren, das bis heute mit seinem Namen verbunden ist:
    "Die Mercator-Projektion ist insofern schon etwas Besonderes, da Mercator in gewisser Weise über sein mathematisches Vorstellungsvermögen von der Welt diese Projektion entwickelt hat, die der Seefahrt das Segeln erleichtern sollte."
    Navigieren war mit gängigem Kartenmaterial schwierig
    Denn schon immer standen Kartographen vor einem Problem, erläutert Ute Schneider, Mercator-Spezialistin an der Universität Duisburg-Essen: Die Erde ist eine Kugel - und Karten sind Flächen. Bildet man etwas Dreidimensionales zweidimensional ab, gibt es zwangsläufig Verzerrungen. Bis Mercator 1569 seine Weltkarte veröffentlichte, beruhten alle Karten auf Abbildungsverfahren, die der griechische Mathematiker und Astronom Ptolemäus rund 1400 Jahre zuvor entwickelt hatte. Doch auf ihnen ließ sich ein Kurs in konstanter Richtung nur als gekrümmte Linie einzeichnen, was das Navigieren über weite Strecken schwierig machte:
    "Wir sind im Zeitalter der Seefahrt, der Eroberung und Entdeckung hier, und wir haben einfach eine Vielzahl von Schiffbrüchen. Wenn Sie in die Literatur der Zeit reingucken, Robinson Crusoe, Shakespeare, überall ist ständig der Schiffbruch ein großes Thema, da war es klar, dass die Seefahrt eine Karte braucht, mit der sie zuverlässiger segeln konnte."
    Gerhard Mercator, geboren am 5. März 1512 im flandrischen Rupelmonde als Gerard de Kremer, fand schließlich die Lösung. Er bildete die Erdkugel auf einem Zylinder ab. Der Erdmittelpunkt diente als Projektionszentrum, von dem aus er alle Punkte vom Globus auf diesen Zylinder übertrug. Aufgerollt ergab das eine winkeltreue Karte, auf die der Kapitän seinen Kurs als gerade Linie eintragen konnte. Zwar wurden zu den Polen hin die Flächen zunehmend verzerrt - Grönland erschien fast so groß wie Afrika. Für die Navigation allerdings war das gleichgültig.

    "Wir haben in der Zeit einen ungeheuren Anstieg der Kartenproduktion, weil: Das neue Wissen, das die Spanier, die Portugiesen aus den verschiedenen Bereichen der Erde mitbrachten, musste festgehalten und lokalisiert werden. Mercator ist eine dieser Personen, die in dieser Zeit das Wissen in Karten setzten und Karten erstellten."
    Eine von Gerhard Mercators Weltkarten (1587)
    Eine von Gerhard Mercators Weltkarten (picture alliance / Mary Evans Picture Library)
    Mercator war Universalgelehrter
    So erfolgreich Mercator als Kartograph war – den Gelehrten, der als Sohn eines Schusters in einer Ordensgemeinschaft erzogen worden war, beschäftigte noch sehr viel mehr:
    "Er war einer dieser Universalgelehrten, die wir im 16. Jahrhundert hatten, der sich mit vielen Fragen - von der Theologie bis zur Geographie - auseinandergesetzt hat. Er hat eben auch einen Kommentar zum Römerbrief geschrieben, er hat über die Evangelienharmonie geschrieben."
    Die Bibel war seine Triebfeder: Sein posthum veröffentlichter Atlas war keine bloße geographische Darstellung, sondern eine Beschreibung der Welt samt ihrer theologischen Ausdeutung: Er versuchte, die Bibel mit den neuen geographischen Erkenntnissen in Einklang zu bringen.

    "Deshalb hat sich Mercator, wie viele andere in der Zeit auch, intensiv mit diesen Widersprüchen befasst und viele der Grundlagen seines religiösen Wissens sind wiederum auch in seine Arbeit und in seine Karten eingeflossen."
    Flucht aus religiösen Gründen
    Mercator lebte in der Zeit der Reformation und Gegenreformation. Er hat sich zwar nie zu Luther bekannt, doch in Flandern war er in Verdacht geraten, ein Anhänger des neuen Glaubens zu sein. Ein gefährlicher Verdacht, der ihn in den Kerker brachte. Dank seiner Fürsprecher kam er wieder frei und danach verließ er seine Heimat. "Wir wissen, dass er dann nach Duisburg gekommen ist, um hier in Ruhe arbeiten zu können."
    Die Zeit im Kerker hatte ihn geprägt und er zog sich in seine Arbeit zurück. Mit anderen Gelehrten stand er in intensivem Briefkontakt, Teile der Korrespondenz sind noch erhalten.
    Mercator starb am 2. Dezember 1594 im Alter von 82 Jahren als angesehener Mann. Bis heute beruhen die Karten der See- und Luftfahrt auf der sogenannten Mercator-Projektion - und in ihrer modernisierten Form bildet sie eine der Grundlagen des Navigationssystems GPS.