Donnerstag, 28. März 2024

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Verschärfung des EU-Emissionshandels
"Wer in klimafreundliche Technik investiert, wird endlich belohnt"

CO2-Emissionsrechte sind seit Jahren sehr billig. Jetzt will das Europaparlament eine Reform des Emmissionshandels beschließen. Der CDU-Europapolitiker Peter Liese rechnet mit einem starken Preisanstieg innerhalb der nächsten fünf Jahre. Die Welt des Emissionshandels werde sich ändern, sagte Liese im Dlf.

Peter Liese im Gespräch mit Jule Reimer | 06.02.2018
    Rote Ampel vor Kohlekraftwerk
    Wird die Verschärfung des EU-Emissionshandels die CO2-Emissionen wirksam reduzieren? (Imago)
    Jule Reimer: Seitdem die Klimaerwärmung und ihre Gefahren bekannt sind, dürfen innerhalb der Europäischen Union die großen Energieerzeuger und Industriebetriebe nicht mehr einfach Kohle, Öl und Gas verbrennen, sondern sie müssen für jede Tonne CO2, die sie in die Luft blasen, spezielle Emissionsrechte kaufen. Und die Gesamtmenge ist gedeckelt. Das heißt: Wer zu wenig Rechte hat, muss zukaufen und sollte sich überlegen, ob vielleicht Energie aus Wind und Sonne kostengünstiger wäre.
    Das klingt nach einem wunderbaren marktwirtschaftlichen Mechanismus. Leider funktionierte er in der Vergangenheit nicht so richtig, weil die EU-Staaten diese Verschmutzungsrechte extrem großzügig und in der Regel kostenlos ausgegeben hatten. Der Preis pro Tonne CO2 dümpelt deshalb seit Jahren bei um die fünf Euro, viel zu wenig, um irgendein Signal auszusenden. Heute wird das Europaparlament deshalb eine Reform des Emissionshandels verabschieden.
    Peter Liese sitzt für die CDU im Europaparlament und ist umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Ich fragte ihn vor dieser Sendung, was die jetzige Reform beim Emissionshandel ändert und was besser werden soll.
    Peter Liese: Ja, wir werden den Emissionshandel deutlich verschärfen. Einmal wird das Ziel verschärft, um unsere Verpflichtung nach dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erreichen. Die betroffenen Sektoren müssen bis 2030 43 Prozent der Emissionen reduzieren. Das ist schon eine sportliche Aufgabe. Zusätzlich werden wir die Fehler der Vergangenheit – Sie haben das zurecht gesagt: Die Mitgliedsstaaten haben sehr großzügig Zertifikate ausgeteilt, auch an Unternehmen, die nicht auf dem neuesten Stand der Technik arbeiten –, das werden wir ändern. Wir werden den Überfluss aus dem System herausnehmen. Die Zertifikate, die im Moment zu viel sind aus den vergangenen Jahren, die den Preis nach unten gedrückt haben, die werden wir entnehmen.
    Der Markt hat schon reagiert. Der Preis ist schon jetzt bei neun Euro, weil dieser Kompromiss ja ausgehandelt wurde schon im letzten Jahr zwischen den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament, und ich gehe davon aus, wenn wir das heute rechtskräftig beschließen, wird es auch einen weiteren Preisanstieg geben.
    "2023/24 werden wir einen Preis von über 30 Euro sehen"
    Reimer: Christoph Bals von Germanwatch hat gestern in der Sendung "Umwelt und Verbraucher" erklärt, dass es einen Preisanstieg von mindestens 30 Euro brauche, damit der Emissionshandel überhaupt eine Lenkungswirkung entfalte. Das bestätigen übrigens auch alle Fachleute. Warum machen Sie eine Reform, wenn die eigentlich relativ wirkungslos ist?
    Liese: Ja, ich schätze Christoph Bals sehr. Aber an der Stelle irrt er. Wir werden einen Preisanstieg bekommen, und der Preis wird nach den Analysen, die mir vorliegen, weit über 30 Euro sein. Es gibt eine Analyse von einem renommierten Institut …
    Reimer: Bis wann? Bis 2030?
    Liese: Im Jahre 2023/2024 werden wir einen Preis von über 30 Euro sehen. Und weil das die Analysten so voraussagen, gehe ich davon aus, dass die Firmen sich auch jetzt schon anstrengen und entweder Zertifikate kaufen, oder, was natürlich besser ist, in klimafreundliche Technologien investieren. Ich glaube, diese Entscheidung, die ausgehandelt wurde und die heute Mittag rechtskräftig beschlossen wird vom Europäischen Parlament, ist in viele Köpfe noch nicht vorgedrungen.
    Wenn wir diskutieren über einen Mindestpreis von 20 oder 30 Euro, dann sollte man sich anschauen, was die Analysten voraussagen. Die Welt des Emissionshandels wird sich ändern, und wir werden nicht Preise von fünf und auch nicht Preise von acht Euro haben, sondern Preise von 30 Euro und sogar darüber hinaus, und das wird den Markt in die richtige Richtung lenken. Wer in klimafreundliche Technologien investiert, der wird jetzt endlich belohnt.
    Reimer: Aber das Ganze ist wie gesagt ausgerichtet bis 2030. Das Pariser Klimaschutzabkommen besagt: Wenn wir gravierende Unwetter, Hurrikans oder Dürren vermeiden wollen, dann sollte die weltweite Klimaerwärmung möglichst nicht mehr als 1,5 Grad in diesem gesamten Jahrhundert ansteigen. Britische Meteorologen und Klimawissenschaftler halten es für möglich, dass wir bereits in den kommenden fünf Jahren den unheilvollen Temperaturrekord von plus 1,5 Grad Erwärmung haben könnten – zwar als Ausrutscher, also nur ein Jahr, aber klare Warnung als Vorbote. Warten Sie da nicht viel zu lange?
    Liese: Ich habe mich von Anfang an für einen strengen Emissionshandel eingesetzt, schon als wir den eingeführt haben 2002/2003. Ich war übrigens einer der wenigen deutschen Europaabgeordneten, und man hat mir auch aus glaubwürdiger Quelle versichert, die deutsche Bundesregierung damals unter Gerhard Schröder wollte den Emissionshandel gar nicht. Dieser Widerstand hat dazu geführt, dass die Mitgliedsstaaten sehr großzügige Möglichkeiten hatten, den Emissionshandel zu schwächen durch zu großzügige Verteilung und durch Zertifikate aus Drittstaaten, die dem Klima wirklich nicht geholfen haben.
    Wenn es nach dem Europäischen Parlament gegangen wäre, dann hätten wir die Entwicklung, die wir heute beschließen, schon vor zehn Jahren gehabt. Aber es nützt ja nichts, über die Vergangenheit zu lamentieren. Es geht jetzt um das richtige Signal und ich glaube, das muss jeder verstehen. Ab diesem Beschluss, der heute vom Parlament gefasst wird, ändert sich die Welt, und wer nicht in klimafreundliche Technologien investiert, der wird kein gutes Geschäftsmodell haben.
    Klimaschutz und Luftqualität
    Reimer: Kurze Nachfrage noch. Sie sind ja auch Mediziner, und zwar Bitte um eine kurze Antwort: Ist es nicht aus Gründen der Luftverschmutzung auch schon geboten, stärker die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas einzuschränken?
    Liese: Ja, das ist sicher so. Klimaschutz ist die eine Seite der Medaille, die Gesundheit ist die andere Seite der Medaille. Da kann man natürlich mit Filtern und ähnlichen Dingen etwas tun. Aber in der Tat ist das Verbrennen von fossilen Brennstoffen aus vielen Gründen nicht nachhaltig.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.