Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Verschleierungsdebatte
Wie ist die Rechtslage?

Über ein mögliches Verschleierungsverbot muslimischer Frauen wird zurzeit verstärkt diskutiert. Vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück scheiterte jetzt eine Schülerin, die einen Niqab zum Unterricht am Abendgymnasium tragen wollte. Es ist nicht die erste Kopftuch-Entscheidung eines deutschen Gerichts.

22.08.2016
    Arabische Muslima mit Burkas spazieren in der Innenstadt von München.
    Musliminnen in der Münchener Innenstadt. (imago / Ralph Peters)
    Die 18-Jährige war zu dem Termin nicht erschienen. Sie habe wegen des großen Medieninteresses abgesagt, teilte ein Gerichtssprecher mit. Das Verwaltungsgericht Osnabrück lehnte den Antrag der Frau auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes daraufhin ab.
    Zur Begründung hieß es, die Antragstellerin hätte die von ihr empfundene Konfliktlage gegenüber der Kammer erläutern müssen. Nur dann hätte das Gericht zwischen dem von ihr geltend gemachten Recht auf Religionsfreiheit und dem ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten staatlichen Bildungsauftrag abwägen können. Diese Möglichkeit habe die Frau nicht genutzt, so die Richter. Die schriftlichen Entscheidungsgründe würden in den nächsten Tagen vorgelegt. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Gegen ihn ist Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg möglich.
    Im April hatte die Muslima die Zulassung zum Abendgymnasium bekommen. Die junge Frau wollte im Unterricht aber ihren Niqab nicht abnehmen. Die Schülerin war nur bereit, vor Unterrichtsbeginn gegenüber einer weiblichen Schulmitarbeiterin ihren Schleier zu lüften und so ihre Identität feststellen zu lassen. Das reichte dem Gymnasium aber nicht, es widerrief die Zulassung der jungen Frau zum Unterricht.
    Aus Sicht der Landesschulbehörde wäre beim Tragen eines Niqab im Klassenraum keine offene Kommunikation mehr gewährleistet. Die Religionsfreiheit muss in diesem Fall nach Auffassung der Behörde hinter dem Bildungs- und Erziehungsauftrags des Staates zurücktreten.
    Berliner Arbeitsgericht billigte Kopftuchverbot
    Die Gerichte haben sich schon mehrfach mit der Bekleidung muslimischer Frauen beschäftigt. Umstritten ist vor allem das Tragen eines Kopftuches oder Schleiers im öffentlichen Dienst. Denn der Staat ist eigentlich zu Religionsneutralität verpflichtet.
    So kippte das Bundesverfassungsgericht im März 2015 ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen im öffentlichen Dienst. Die Begründung: Das damals in den Schulgesetzen mehrerer Bundesländer enthaltene Verbot verstoße gegen die Religionsfreiheit. Um ein Verbot zur rechtfertigen, müsse von einer äußeren religiösen Bekundung wie dem Kopftuch "nicht nur eine abstrakte, sondern eine hinreichend konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausgehen", so das Gericht. Eine Bevorzugung christlich-abendländischer Kulturwerte und Traditionen verstoße gegen das Verbot der Benachteiligung aus religiösen Gründen. Die Schulgesetze wurden in den betreffenden Ländern seit dem Urteil zum Teil angepasst.
    Trotz der Verfassungsgerichts-Entscheidung hatte im April diesen Jahres das Berliner Arbeitsgericht wiederum ein Kopftuchverbot an einer Berliner Schule gebilligt. Eine Grundschullehrerin hatte Entschädigung gefordert, weil sie wegen ihres Kopftuches nicht eingestellt wurde. Doch das Arbeitsgericht verwies auf das "Berliner Neutralitätsgesetz". Es untersage Lehrern das Tragen religiös geprägter Kleidungsstücke generell - und stelle nicht auf einen Vorrang christlich-abendländischer Kulturwerte ab, so das Gericht.
    Auch der EuGH befasst sich mit dem Kopftuch-Verbot
    Im vergangenen Monat befasste sich auch der Europäische Gerichtshof mit dem Kopftuch am Arbeitsplatz. EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston erklärte eine Kündigung in Frankreich wegen eines Kopftuches für rechtswidrig. Einer Ingenieurin war gekündigt wurden, nachdem sich Kunden über ihren Hijab - einen Schleier, der Haare und Schulter bedeckt, das Gesicht aber freilässt - beschwert hatten. Laut Sharpston gebe es keinen Hinweis darauf, "dass sie, weil sie den islamischen Schleier trug, in irgendeiner Weise ihre Aufgaben als Projektingenieurin nicht wahrnehmen konnte", hieß es in den Schlussanträgen der Generalanwältin. Die Schlussanträge bilden einen unabhängigen Entscheidungsvorschlag für die Richter des EuGH. Deren Urteil folgt gewöhnlich im Abstand einiger Monate.
    Die Debatte um die Bekleidung muslimischer Frauen ist in jüngster Zeit vor allem von der Union wieder befeuert worden. Dabei geht es ausschließlich um die Burka, also die Vollverschleierung, bei der auch die Augen nicht sichtbar sind. Die Landesinnenminister von CDU und CSU fordern in ihrer "Berliner Erklärung" ein Verbot, um die Burka aus bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens verbannen. So sollten Frauen etwa beim Autofahren oder bei Behördengängen zum Einwohnermelde- oder dem Standesamt, im Öffentlichen Dienst, an Universitäten und vor Gericht unverschleiert sein.
    Es gibt Zweifel an der Verfassungsvereinbarkeit eines solchen Verbotes. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte im DLF, die Verfassung lasse nicht zu, dass der Staat bei der Frage eingreife, wie ein Mensch sich kleide. Der Staatsrechtler Hans Markus Heimann sagte im Deutschlandradio Kultur, ein Burka-Verbot könne verfassungsrechtlich nicht bestehen. Wo Grundrechte kollidierten und entsprechend ausgeglichen werden müssten, könnte die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung Religion und Weltanschauung relativieren. So müsse die Praxis religiöser Beschneidung am Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit eines Kindes gemessen werden. Dagegen sehe er keines, das mit Bekleidungsvorschriften abgewogen werden sollte.
    (cvo/kis)