Mittwoch, 24. April 2024

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"Verschlüsselte Gespräche sind nicht entschlüsselt worden"

Im neuen Abhörskandal handele es sich nicht um verschlüsselte Gespräche von Merkels Diensthandy, sondern um unverschlüsselte, die die Kanzlerin mit einem anderen Mobiltelefon geführt habe, sagt Hans-Christian Quelle, Geschäftsführer der Firma Secusmart. Das Ausspähen verschlüsselter Verbindungen könne er ausschließen.

Hans-Christian Quelle im Gespräch mit Benjamin Hammer | 24.10.2013
    Benjamin Hammer: Für die Firma Secusmart aus Düsseldorf war der September ein guter Monat. So lauteten nur einige der Titelzeilen in Zeitungen:

    ++"Snowden-Effekt hilft Blackberry-Anbieter"++

    ++"Snowden pusht Verkäufe von abhörsicheren Smartphones"++

    ++"Secusmart sticht Telekom bei Merkel-Telefon aus"++

    Hammer: Ja, die vergangenen Wochen waren gute Wochen für die Düsseldorfer Firma. Der IT-Spezialist rüstet Smartphones des kanadischen Herstellers Blackberry um und wirbt damit, dass sie besonders abhörsicher seien. Auch die Bundeskanzlerin nutzt ein solches Smartphone. viele deutsche Behörden haben gerade nach dem NSA-Skandal neue Geräte bestellt. Und nun könnte es sein, dass ausgerechnet das wohl wichtigste Handy der Republik abgehört wurde.

    Am Telefon spreche ich nun mit Hans-Christian Quelle, er ist Gründer und Geschäftsführer von Secusmart. Schönen guten Tag, Herr Quelle!

    Hans-Christian Quelle: Guten Tag, hallo.

    Hammer: Wurde Angela Merkels Regierungs-Smartphone von einem US-Geheimdienst abgehört?

    Quelle: Nein. Die neuesten Informationen, die wir jetzt auch haben, sind die, dass nicht das Diensthandy, sondern ein Parteienhandy abgehört worden ist. Die verschlüsselten Gespräche sind also nicht entschlüsselt worden.

    Hammer: Es geht in dem aktuell besprochenen Fall also nicht um das von Ihnen entwickelte Smartphone?

    Quelle: So sieht es jetzt aus - ganz genau. Telefongespräche sind ja immer, wenn sie nicht besonders geschützt sind, unverschlüsselt, und diese unverschlüsselten Gespräche können abgehört werden. Aber es sieht eben jetzt so aus, als ob nicht die verschlüsselten Gespräche, die mit dem Diensttelefon geführt werden können, abgehört wurden, sondern unverschlüsselte Gespräche, die mit einem anderen Telefon geführt wurden.

    Hammer: Wer sind da Ihre Informanten? Mit wem haben Sie gesprochen? Sie haben ja sicherlich heute telefoniert.

    Quelle: So sicher als auch unsicher. Aber wir haben auch keine offiziellen Informationen. Wir wurden auch nicht offiziell informiert, sondern wir wissen auch nur das, was wir aus Presse und von anderen Leuten erfahren haben.

    Hammer: Und vielleicht noch von anderer Seite inoffiziell. Nun gut! - Jetzt scheinen, sich die Amerikaner brennend für Merkels Handys interessiert zu haben. Können Sie generell einen Zugriff auf Ihre Geräte ausschließen?

    Quelle: Was wir ausschließen können ist, dass die verschlüsselt geführten Telefonate abgehört werden. Nach heutigem Stand der Technik sind die Verschlüsselungsverfahren, die wir sowohl für die Sprache als auch für die E-Mails verwenden, nicht knackbar. Natürlich kann man aber mit solchen Telefonen auch unverschlüsselt telefonieren, und diese unverschlüsselten Telefonate sind leicht, allzu leicht abhörbar.

    Hammer: Erklären Sie vielleicht noch mal ganz kurz unseren Hörern, wie Ihr Schutz funktioniert?

    Quelle: Genau. Der Schutz funktioniert ganz einfach: Derjenige, der anruft, entscheidet, ob er verschlüsselt oder unverschlüsselt telefonieren möchte. Er entscheidet dies anhand von zwei Dingen. Erstens mal: Ist der Inhalt des Gespräches vertrauenswürdig, muss der geschützt werden, oder ist es nur, was weiß ich, die Bestellung beim Bäcker. Und zweitens: Hat der Gegenüber oder die Gesprächspartnerin auch ein solches Gerät, mit dem verschlüsselt telefoniert werden kann. Nur wenn beide Endpunkte über solche Verschlüsselungsmechanismen verfügen, kann verschlüsselt telefoniert werden. Das bedeutet: der Anrufer überlegt sich, ist es nun schützenswert oder nicht, und wählt dann den sicheren oder den unsicheren Mode.

    Hammer: Herr Quelle, ich nehme an, dass auch Sie sich freuen würden, wenn Sie über Ihr Smartphone, das wahrscheinlich von Ihnen hergestellt wurde, mit einer etwas besseren Empfangsqualität sprechen könnten, aber wir probieren das jetzt mal weiter. Sie nutzen für Ihre Smartphones als technische Basis Blackberrys und die kommen aus Kanada, und Kanada wiederum ist Teil der sogenannten Five-Eyes-Länder, Länder also, die mit US-Geheimdiensten sehr eng kooperieren. Da könnte man doch denken, von Washington nach Kanada ist es nicht weit und die USA haben sich vielleicht eine technische Hintertür von vornherein in die Blackberry-Geräte einbauen lassen und damit auch zu Frau Merkel.

    Quelle: Könnte man meinen, ja. Das deutsche BSI fordert …

    Hammer: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik!

    Quelle: Genau richtig. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik fordert für Geräte, die sowohl die Sprache als auch die E-Mails verschlüsseln, eine externe Verschlüsselungstechnologie, eine überprüfbare Verschlüsselungstechnologie. Sie traut also grundsätzlich nicht dem Mobiltelefon. Diese externe Verschlüsselungstechnologie haben wir in Form einer speziellen Micro-SD-Karte entwickelt und in dieser Micro-SD-Karte findet die Verschlüsselung der Sprache und der E-Mails statt. Selbst wenn also das Mobiltelefon kompromittiert wäre, könnte trotzdem niemand an die Verschlüsselung an sich gelangen. Das ist ein großer Vorteil von den strengen deutschen Sicherheitsmaßnahmen.

    Hammer: Strenge deutsche Sicherheitsmaßnahmen, die eventuell auf einem der Handys von Angela Merkel nicht funktioniert haben. – Wurde Angela Merkels Regierungs-Smartphone gehackt? Das waren Einschätzungen vom Entwickler der Sicherheitssoftware des Smartphones, Hans-Christian Quelle von der Firma Secusmart. Besten Dank!

    Quelle: Tschüß, auf Wiederhören.


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