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Verschreckte Samenspender

In Frankreich kämpfen Menschen, die durch Samenspenden gezeugt wurden, dafür, den Spendernamen zu erfahren. Reproduktionsmediziner befürchten jedoch, dass die Kontroverse um die Anonymität viele Spender verschrecken könnte. Die Spendenbereitschaft habe bereits abgenommen.

Von Bettina Kaps | 14.10.2013
    "Wir wollen nur eins: Dass es jungen Erwachsenen, die mit Spendersamen gezeugt wurden, endlich erlaubt wird, den Spender zu fragen, ob er eine Kontaktaufnahme akzeptiert oder nicht. Der Spender kann Nein sagen. Aber dass nicht von vornherein für ihn geantwortet wird."

    Arthur Kermalvezen ist sichtlich aufgewühlt. Der 30-Jährige ist selbst durch künstliche Befruchtung mit Spendersamen auf die Welt gekommen. Seit Jahren kämpft er dafür, dass die Anonymität aufgehoben wird. Aber genau das lehnen die meisten Reproduktionsmediziner in Frankreich vehement ab.

    Der Biologe Dominique Le Lannou leitet die staatliche Samenbank in Rennes. Der Name des Spenders wird dort wie in allen 23 Samenbanken des Landes in einem Safe aufbewahrt. Die Akte darf nur dann eingesehen werden, wenn sich der Verdacht auf eine genetische Krankheit einstellt. Ohne diese Garantie würden potenzielle Spender verschreckt, meint der Wissenschaftler.

    "Anonymität ist absolut notwendig. Es gibt Menschen, die Kinder zeugen können und diese Fähigkeit mit Menschen teilen möchten, die unfruchtbar sind. Die Samenspende ist eine selbstlose Gabe, für die sie nichts zurückbekommen wollen. Wenn die Anonymität wegfällt, wird alles furchtbar kompliziert. Das funktioniert nicht."

    Seit 1994 gelten in Frankreich strikte gesetzliche Regeln: Samenspender dürfen nicht bezahlt werden, außerdem müssen sie bereits Vater sein, ihr Sperma darf für maximal zehn Geburten benutzt werden. Aber seit einigen Jahren nimmt die Spendenbereitschaft in Frankreich bedrohlich ab. 2011 gab es nur noch 233 Samenspender. Nathalie Rives leitet die Samenbank in Rouen. Die Professorin befürchtet jetzt Engpässe.

    "Noch können wir allen Paaren helfen, die eine Samenspende wünschen. Aber nur, weil wir die Fortpflanzungstechniken verbessert haben. In vielen Zentren verlängern sich die Wartezeiten, teilweise betragen sie schon 24 Monate. Wenn die Zahl der Samenspender weiter abnimmt, sind einige Zentren bedroht."

    Nicht nur die Debatte über die Anonymität - auch die Einführung der Homo-Ehe hat viele Spender verunsichert, sagt Professor Louis Bujan aus Toulouse. In seiner Samenbank haben sich seit Jahresbeginn nur vier Männer gemeldet.

    "Die Debatte über die Homo-Ehe hat Fragen aufgeworfen, die unser Werben um Spender nicht einfacher macht. Einige Männer haben in meinem Institut angerufen und gesagt: Wir wollen nicht, dass unser Samen in einem anderen Kontext benutzt wird."

    Ursprünglich wollte die Regierung die künstliche Befruchtung für lesbische Paare noch in diesem Jahr legalisieren. Aber jetzt zieht sie die Handbremse: Eine Ethikkommission soll erst einmal Bericht erstatten, das wird nicht vor März geschehen, und dann sieht man weiter. Die Gegner der Homo-Ehe, die im Frühjahr so heftig protestiert haben, können also einen späten Erfolg verbuchen.

    Der Rechtsanwalt Raphael Molenat ist ebenfalls durch künstliche Befruchtung mit Spendersamen auf die Welt gekommen. Er führt derzeit einen Prozess, weil er Informationen über seinen genetischen Erzeuger erzwingen will. Falls er verliert, will er den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Ein großer Teil der Ärzteschaft tue alles dafür, um das Informationsmonopol zu behalten, sagt Molenat. Ein Grund dafür sei die Geschichte der Fortpflanzungsmedizin.

    "Von 1973 bis 1994 agierten die Samenbanken im rechtsfreien Raum. Vielleicht gab es damals Unregelmäßigkeiten. Vielleicht wurden verschiedene Spermien in einer Injektion vermischt. Vielleicht wurde vor 1991 kein HIV-Test gemacht. Wenn die Anonymität gelüftet wird, dann kommt das Thema an die Öffentlichkeit. Heute wissen ja acht von zehn Franzosen gar nicht, dass sie mit Spendersamen gezeugt wurden. Das schützt manche Ärzte auch davor, dass sie zur Verantwortung gezogen werden."

    Das Familienministerium hat jetzt Arbeitsgruppen eingerichtet, um über das Für und Wieder der Anonymität nachzudenken.