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Verschwiegene Wahlfreiheit

Die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Arzneimittelversorgung gelten seit dem ersten Januar. Das AMNOG, das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, sei eine Regelung "ohne Sinn und Verstand" schimpft der Präsident der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände, Heinz-Günter Wolf. In den Apotheken sorgt es für Chaos - Verbraucher sind verunsichert.

Von Tonia Koch | 31.03.2011
    Die Apotheke von Petra Liekfeld liegt strategisch äußerst günstig, mitten in der Saarbrücker Innenstadt. Sie muss sich keine Sorgen darüber machen, dass ihr - wie so mancher Landapotheke - die Kunden wegbleiben. Trotzdem stöhnt sie und zwar über die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Arzneimittelversorgung. Diese gelten seit dem ersten Januar. Das AMNOG, das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, sei eine Regelung "ohne Sinn und Verstand" schimpft der Präsident der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände, Heinz-Günter Wolf. In der Tat habe das Gesetz in den ersten Wochen für mächtig viel Tohuwabohu in den Apotheken gesorgt, sagt Petra Liekfeld.

    "Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis größer als in der Theorie. Und das merkt man an diesem Gesetz außerordentlich gut, denn jeder, der aus der Praxis kommt, hätte das sagen können, dass es in der Praxis nicht funktioniert."

    Zum Beispiel die sogenannte Kostenerstattung bei Arzneimitteln. Dahinter steckt die Idee, dem gesetzlich versicherten Patienten zu seinem Wunschmedikament zu verhelfen. Die neue Wahlfreiheit fußt auf der vor allem von der FDP propagierten Vorstellung vom mündigen Patienten. Und sie wird von der Industrie gestützt. Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika.

    "Das ist natürlich in der Idee völlig richtig, zu sagen, der Patient, der Versicherte soll in der Apotheke selbst mehr mitentscheiden können, welches Präparat er möchte. Da kann überhaupt kein vernünftiges Argument dagegen denkbar sein."

    In einem mühsamen Prozess hatten sich die gesetzlich versicherten Patienten jedoch gerade erst daran gewöhnen müssen, dass sie eben keinen Einfluss darauf mehr haben, welches Arzneimittel ihnen in einer Apotheke ausgehändigt wird. Die Zugehörigkeit zur Krankenkasse und der mit der Kasse ausgehandelte Rabattvertrag entscheiden darüber, welches Präparat verabreicht wird und nicht, was auf dem Rezept steht. Vorausgesetzt natürlich, die Medikamente enthalten den gleichen Wirkstoff und gelten als austauschbar. Es habe gedauert, die Patienten dazu zu bringen, zu diesem System Vertrauen zu fassen, sagt der stellvertretende Vorsitzende der saarländischen Apothekerkammer Michael Pohl.

    "Es gibt keine schlechten Arzneimittel mehr in Deutschland. Also, die Qualität der in deutschen Apotheken verkauften Arzneimittel unterliegt strengen Auflagen, und jeder Patient kann davon ausgehen, dass diese gesetzlichen Auflagen strengstens erfüllt werden."

    Nun also die Rolle rückwärts. Jeder Versicherte, so heißt es in der Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit, habe nun die Möglichkeit, ein anderes als das Rabatt-Arzneimittel seiner Krankenkasse zu wählen. Die Patienten aber nutzen diese neue Freiheit kaum. Landauf, landab machen die Apotheker die gleiche Erfahrung. Die Kunden fragen nicht nach.

    "Bisher noch kein einziger, noch kein einziger. Es ist bei mir bisher noch nicht vorgekommen."

    Für die Zurückhaltung der Kunden gibt es viele gute Gründe. Das größte Manko sei die völlig intransparente Preisgestaltung, sagt Apothekerin Liekfeld.

    "Es ist für den Patienten ein sehr zweischneidiges Schwert, denn wir können ihm als Apotheker nicht sagen, welchen Betrag er von seiner Krankenkasse zurückerstattet bekommt."

    Der Patient, der auf seinem Wunscharzneimittel besteht, muss zunächst in der Apotheke in Vorlage treten und die Tabletten oder die Lösung, egal welche Darreichungsform, erst einmal bezahlen. Mit der Rechnung wendet er sich dann an den Sachbearbeiter seiner Krankenkasse, den er darum bittet, seine Auslagen zu erstatten. Christiane Firk von der AOK-Saarland.

    "Wir erstatten den Betrag, der gesetzlich vorgesehen ist, das heißt, pauschalierte Rabattverträge werden abgezogen, es wird aber auch die Zuzahlung abgezogen, es wird der gesetzliche Apothekenrabatt abgezogen, der Herstellerrabatt, und es wird auch eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Verwaltungskostenpauschale abgezogen."

    Am Ende kann es sein, dass der Kunde auf einem erheblichen Teil seiner Kosten sitzen bleibt. Je erfolgreicher die jeweilige Krankenkasse mit den Herstellern über Rabatte verhandelt hat, desto teurer wird es für den Patienten. Denn die Differenz zwischen Originalpreis und rabattiertem Preis geht zu seinen Lasten.Christiane Firk erläutert die Zusammenhänge am Beispiel von "Clobidogrel". Das ist ein Wirkstoff, der eingesetzt wird, um die Blutgerinnung zu verzögern. Die Substanz Clobidogrel kommt im gleichnamigen Medikament und in verschiedenen anderen Präparaten vor.

    "Clobidogrel wäre jetzt das Mittel, das abzugeben wäre. Der Patient sagt, nein, ich kenne Plavix, das ist ein anderes Mittel, das hab´ ich schon einmal in der Werbung gesehen. Der Rechnungsbetrag für Plavix nach der Lauertaxe ist 279 Euro. Der Erstattungsbetrag, den der Patient bekommt, sind 27 Euro 93."

    Es ist sicher ein drastisches Beispiel. Nicht immer sind die Preisspannen derart hoch. Aber es kann trotzdem für den Patienten ein böses Erwachen geben. Er sollte sich daher vorab bei der Krankenkasse erkundigen, welche Kosten auf ihn zukommen, denn der Apotheker weiß es nicht. Und zwar weiß er es deshalb nicht, weil die Rabattverträge der Krankenkassen mit den Pharma-Herstellern der Geheimhaltung unterliegen, erläutert Fritz Becker, Vorstand des Deutschen Apothekerverbandes.

    "Das hat zum einen juristische Gründe, das Kartellrecht greift hier, das Wettbewerbsrecht greift, und deshalb darf die Krankenkasse die Rabatthöhe nicht bekannt geben."

    Die gesetzlichen Krankenkassen suchten zu Beginn des Jahres gemeinsam mit den Apotheken nach Wegen, wie verhindert werden kann, dass die gesetzlich festgelegte Wahlfreiheit bei Medikamenten extensiv in Anspruch genommen wird. Die Kassen rieten ihren Mitgliedern, lieber die Finger davon zu lassen. Das war ganz im Sinne der Apotheker, die ihrerseits den Zorn der Kundschaft fürchteten. Sie wollten vermeiden, dass enttäuschte Patienten letztlich die Apotheke dafür verantwortlich machen, dass sie für ihr Wunscharzneimittel tief in die Tasche greifen müssen. Um solchen Ärger gar nicht erst aufkommen zu lassen, wird das Thema mehr oder minder totgeschwiegen. Michael Pohl, stellvertretender Vorsitzender der saarländischen Apothekerkammer.

    "Wir werben nicht dafür. Bei der derzeitigen Erstattungslage raten wir dem Patienten davon ab."

    Die Kassen führen die Sorge um die Patienten ins Feld, um ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Prinzip der Kostenerstattung zu begründen. Das allein aber treibt sie nicht um. Axel Mittelbach, Sprecher des Verbandes der Ersatzkassen für das Saarland und Rheinland-Pfalz.

    "Denn wenn die Versicherten die Möglichkeit haben, auch nicht rabattierte Arzneimittel in der Apotheke zu verlangen, dann werden die Rabattverträge, die zu erheblichen Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben geführt haben, zwar nicht außer Kraft gesetzt, so doch in ihrer Wirkung erheblich reduziert."

    Bislang hat der Patient keine Marktmacht ausgeübt. Die Generika-Hersteller hatten insgeheim darauf gehofft. Das sind jene Pharma-Produzenten, die Medikamente herstellen, bei denen der Patentschutz bereits abgelaufen ist. Sie decken den größten Teil des deutschen Arzneimittelmarktes ab, und sie mussten den Krankenkassen bei den Preisen erheblich entgegen kommen. Alle paar Monate werden neue Rabattverträge geschlossen und damit die Preismargen nach unten getestet. Die Hersteller müssen nach drei Monaten "AMNOG" nun zerknirscht feststellen, dass die Wahlfreiheit nicht dafür taugt, die ungeliebten Rabattverträge zumindest ein klein wenig auszuhebeln. Pro-Generika-Geschäftsführer, Bork Bretthauer.

    "Was schade ist, ist, dass man keine Regel gefunden hat, die wirklich in der Praxis funktioniert. Aber da denke ich, ist die Politik jetzt aufgefordert, sich das noch einmal genauer anzuschauen. Und da muss man sicher noch einmal in Ruhe drüber reden. Im Kern aber spielt das Thema Wahlfreiheit im Moment keine Rolle, weil es zu kompliziert ist. Und das heißt, am Ende des Tages ist es im Moment so, dass man sagen kann, dass die Mehrkostenregelung lediglich zu mehr Kosten aufseiten der Versicherten führt."

    480 Millionen Arzneimittelpackungen sind allein von den Generika-Herstellern im vergangenen Jahr über die Apotheken vermarktet worden - eine gigantische Menge. Und für die Millionen im Umlauf befindlichen Packungen hat die Bundesregierung ebenfalls im Rahmen des "AMNOG" zum ersten Januar eine neue Verpackungsgrößenverordnung erlassen. Ihre Einführung lief in den ersten vier bis sechs Wochen des Jahres in den Apotheken fast schon chaotisch ab. Die Software, die dem Apotheker zum Beispiel anzeigt, welches Präparat er bei Wirkstoffgleichheit austauschen darf, konnte nicht rechtzeitig umgestellt werden. Der Grund dafür ist, dass kaum ein Hersteller bislang mit den geänderten Normgrößen arbeitet. Fritz Becker vom Deutschen Apothekerverband.

    "Jede Arzneimittelverpackung hat eine sogenannte N-Bezeichnung. Da steht N1, N2, N3 drauf. Und nur eine Packung, die eine N-Bezeichnung hat, ist auch verordnungsfähig, sonst erstattet die Krankenkasse nicht. Und jetzt hat man für die einzelnen N-Bezeichnungen neue Werte festgelegt. Und jetzt sind Packungen im Handel, die keine N-Bezeichnung haben, die aber auch noch keine neue haben. Und es war zunächst nicht klar, welche Packungsgröße die Patienten bekommen, es gab große Rechtsunsicherheit."

    N steht für Normgröße. N1 bedeutet kleine, N2 mittlere und N3 schließlich Vorratspackung. Die Inhalte orientierten sich dabei in etwa an der Therapiedauer, erläutert Apotheker Michael Pohl.

    "Zum Beispiel Schlaftabletten, ist die Messzahl N1 10 und die Messzahl N2 20. Weil nicht gewollt ist, dass große Packungen etwa mit 50 auf den Markt kommen, weil Schlaftabletten auch nur kurzzeitig gegeben werden sollten."

    Je nachdem, ob es sich um eine N1, N2 oder N3 handelt, darf der jeweilige Packungsinhalt 20, 10 oder 5 Prozent von den festgelegten Messzahlen abweichen. Ein Antibiotikum zum Beispiel, das in der kleinen Größe N1 verordnet wird, muss jetzt zwischen 12 und 16 Tabletten enthalten. Mehr geht nicht, weniger auch nicht. Gerade bei Antibiotika seien die üppig bemessenen Mengenvorschriften nicht am medizinisch Notwendigen orientiert, klagt Pohl. Ein Antibiotikum mit 6 Tabletten zum Beispiel werde zwar nach wie vor von den Ärzten verschrieben, dürfe dem Patienten jedoch nicht ausgehändigt werden. Nur wenn der Arzt die Anzahl der Pillen ausdrücklich auf dem Rezept vermerke, dürfe die entsprechende Medikamentenpackung herausgeben werden, sagt Pohl.

    "Tut sie das nicht, bleibt einem momentan nur der Weg, das Rezept zurück zum Arzt zu bringen, dass der Arzt das ändert auf die Anzahl 6 Stück, und dann darf man die Menge in der Übergangsphase auch abgeben."

    Die neu festgelegten Spannbreiten sind für die Hersteller seit Januar verbindlich. Sie gelten für sämtliche Darreichungsformen: von Tabletten über Flüssigkeiten bis hin zu Salben. Das Problem, dass die Arzneimittelproduzenten mit ihren Verpackungen außerhalb der Spannbreite liegen, tritt längst nicht nur bei Antibiotika auf. Eine ganze Reihe von Verpackungen hat mit dem Start der Gesundheitsreform ihre N-Kennzeichnung verloren. Das saarländische Familienunternehmen Ursapharm ist eine von vielen betroffenen Firmen. Michael Flegel, Apotheker bei der Ursapharm Arzneimittel GmbH.

    "Wir waren aufgefordert, bis Anfang Dezember bei der Informationsstelle für Arzneimittel in Frankfurt, bei der IFA, die Verpackungen abzumelden, also dort zu sagen, unsere Packungen entsprechen nicht mehr der Spanne auf der Stufe N1, N2, N3."

    Das mittelständische Unternehmen hat sich mit seinem verschreibungspflichtigen Sortiment unter anderem auf Erkrankungen am Auge spezialisiert. Ein Teil seiner umsatzstarken Produktreihen ist von der neuen Regel betroffen, und Flegel geht davon aus, dass diese Arzneimittel aufgrund der fehlenden N-Bezeichnung eine zeitlang nicht mehr abgegeben wurden.

    "Ich befürchte, dass das eine oder andere Produkt, das normalerweise auf dem Rezept gelandet wäre, nicht dort gelandet ist, weil die Leute einfach verunsichert waren."

    Wie hoch die finanziellen Einbußen sind, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziffern. Die drohenden Verluste haben die Pharmahersteller jedoch mobilisiert. Sie liefen beim Bundesgesundheitsministerium Sturm. Nur wenige Wochen nach der Einführung der neuen Verpackungsverordnung zeigte sich das Ministerium einsichtig und sagte zu, diese erneut zu überarbeiten. Zwischenzeitlich sind beim Ministerium Tausende Änderungsvorschläge von den Pharmaherstellern eingegangen. Daraus ist ein neu überarbeiteter Entwurf einer Verpackungsverordnung erstellt worden, der den Bedenken der Unternehmen Rechnung trägt. Auch bei Ursapharm in Saarbrücken wird der Entwurf positiv aufgenommen. Im Bereich der Augensalben soll der Tubeninhalt nach Intervention mehrerer Hersteller wieder abgesenkt werden. Von augenblicklich 5 auf zukünftig 3 Gramm. Michael Flegel:

    "Wenn wir das Canamycin POS als Beispiel nehmen. Da war es bisher schon so, dass wir für eine Therapie zur Behandlung einer Infektion am Auge eine Packungsgröße von 2,5 Gramm hatten. Wenn ich für eine solche Therapie am Auge nicht mehr Salbe benötige, macht es natürlich keinen Sinn, mehr in eine Packung zu füllen, nur um der Packungsgrößenverordnung Genüge zu tun."

    Anfang Mai sollen die Änderungen in Kraft treten. Die Pharmaverbände atmen auf, denn sie haben weitere Zugeständnisse erreicht. Die alten Verpackungen dürfen länger im Handel bleiben, freuen sich die Generika-Produzenten. Bork Bretthauer:

    "Die Packungen, die bereits produziert sind aufseiten der Hersteller, die dürfen dann 18 Monate lang weiterhin in den Verkehr gebracht werden, und das finden wir natürlich auch positiv."

    Das entlastet die Hersteller enorm. Denn eine Änderung der Verpackungsgröße hat Rückwirkungen auf die bestehende Zulassung für das Medikament, es sind Prüfverfahren von Nöten, die ins Geld gehen, sagt der Vertreter von Ursapharm.

    "Beispielsweise muss ich nachweisen, dass sich die Stabilität des Produktes nicht verändert, wenn ich in eine andere Tube abfülle. Da ist der Hersteller gefragt in aufwändigen Stabilitätsprüfungen, dass es auch in einer kleineren oder größeren Packung nicht zu Problemen kommt. Für eine solche Stabilitätsprüfung, die je nach Produkt unterschiedlich ausfällt, sind da schnell einmal 30/40 Tausend Euro weg."

    Die aktuelle Verpackungsverordnung, die im Januar eingeführt wurde, gerade überarbeitet wird, um dann im Mai endgültig in Kraft zu treten, ist jedoch lediglich als Zwischenschritt gedacht. 2013 sollen die Verpackungsnormen dann noch einmal verändert werden, das heißt therapiegerechter werden. Die Vorstellungen hinsichtlich sinnvoller Packungsgrößen sollen sich an einer akuten Behandlungsphase von 10 Tagen, an einer überwachten länger andauernden Therapie von 30 Tagen und schließlich an einer Langzeittherapie von 100 Tagen orientieren. Nach den aktuellen Erfahrungen wünschen sich die Unternehmen jedoch, dass die Politik ein Einsehen hat und dieses Vorhaben wieder begräbt. Bork Bretthauer:

    "Zum einen haben wir gerade das Problem gesehen, wozu es geführt hat. Und zum anderen ist auch kein Zusatznutzen für den Patienten erkennbar, wenn noch einmal umgestellt wird. Denn für den Patienten ist es doch herzlich egal, welche Kennzeichnung auf der Packung ist, für den ist doch nur wichtig, was drin ist und dass es das richtige Medikament für seine Erkrankung ist."

    Die Hersteller hoffen darauf, dass die ab Mai geltende Regelung Bestand haben wird, um sich nicht erneut mit hohem Kostenaufwand umstellen zu müssen. Das Bundesgesundheitsministerium will jedoch an seinen Plänen für 2013 festhalten. Auf den Nägeln brennt den Herstellern eine weitere Neuregelung im Rahmen des "AMNOG", die erweiterte Substituierbarkeit. Der Geschäftsführer von Pro Generika, erläutert, was sich dahinter verbirgt. Bork Bretthauer.

    "Unser Problem, das wir damit haben ist, dass ein Patient in der Apotheke ein Arzneimittel auch dann bekommt, wenn es für seine spezifische Erkrankung, die ihm vom Arzt mitgeteilt worden ist, gar nicht zugelassen ist."

    Die Pharmaunternehmen haben sich erfolglos gegen diese größtmögliche Austauschbarkeit von Arzneimitteln gewehrt. Sie führten dagegen inhaltliche und rechtliche Bedenken ins Feld. Zum Beispiel sei es bei Arzneimitteln, die auf der Haut angewendet würden, nicht unerheblich, ob die Lösungen oder Cremes gleichen Wirkstoffs mit oder ohne Konservierungsmittel angeboten würden. Darauf nähme die neue Regel jedoch keine Rücksicht. Schwerwiegend seien auch mögliche Verletzungen des Patentschutzes sowie eine ungeklärte Haftungsfrage, so Bretthauer.

    "Arzneimittelsicherheit ist ein hohes Gut, deshalb muss der Hersteller für die Produkte haften, die er auf den Markt bringt. Aber, der Hersteller muss natürlich davon ausgehen können, dass ein Medikament dort eingesetzt wird, wofür es zugelassen ist, für diese Indikation. Und das ist durch die erweiterte Austauschbarkeit nicht gegeben. Das heißt im Zweifelsfalle, wer haftet am Ende? Der Hersteller kann es im Zweifelsfalle nicht sein, weil er sich ja zulassungskonform verhalten hat."

    Das Bundesministerium für Gesundheit schätzt das Risiko für den Patienten, das von der erweiterten Substituierbarkeit ausgeht, gering ein. Die vermeintlichen Probleme seien praktisch nicht existent, teilte das Ministerium schriftlich mit. Die ganze Diskussion sei allenfalls theoretischer Natur. Für den Patienten sei es dennoch verwirrend, sagt Apotheker Pohl. Denn es irritiere ihn nun einmal, dass er ein Mittel einnehmen solle, das seine Erkrankung bekämpfen solle. Beim Blick auf den Beipackzettel aber müsse der Patient feststellen, dass seine Erkrankung dort gar nicht verzeichnet sei.

    "Wir haben den Erklärungsnotstand und versuchen halt dann den Patienten davon zu überzeugen, dass das Medikament identisch ist in der Zusammensetzung und identisch ist in der Stärke des Wirkstoffes und er sich darauf verlassen kann, dass es identisch mit dem ist, was verordnet ist."

    Ziel des Arzneimittelneuordnungsgesetzes ist es, den Wettbewerb zu stärken, damit die Arzneimittelpreise purzeln und die Kosten im Gesundheitswesen eingedämmt werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Nur gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Die Apotheken wurden zum Experimentierfeld einer eilig zusammen gezimmerten Verpackungsverordnung. Das war sicher nicht nötig. Aber die Leidenszeit habe hoffentlich bald ein Ende, wünscht sich die Saarbrücker Apothekerin Petra Liekfeld.

    "Wir hoffen, dass sich das Ganze bis zum Juli normalisiert hat. Dann wird es auch eine neue Anlage zur Verpackungsgrößenverordnung geben. Und wir hoffen dass dann mehr Klarheit für alle Beteiligten eintritt."