Donnerstag, 25. April 2024

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Verstrickung in der Nazi-Zeit

Ein Schwerpunkt der jährlichen Ägyptologen-Konferenz war die Rolle und Bedeutung dieses Forschungszweiges in der Nazi-Zeit. Die Ägyptologie habe "ihre Hausaufgaben in diesem Punkt noch nicht gemacht", sagt der Direktor des Ägyptologischen Instituts an der Uni Leipzig, Hans-Werner Fischer-Elfert.

Hans-Werner Fischer-Elfert im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 24.07.2011
    Burkhard Müller-Ullrich: Man sollte meinen, die Selbstaufklärung des deutschen Wissenschaftsbetriebes über seine Verstrickungen in der Nazi-Zeit wäre heute, 66 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, allmählich abgeschlossen. Aber nein: In manchen Disziplinen steht sie noch fast am Anfang. In der Ägyptologie zum Beispiel. Nun ist in Leipzig gerade die ständige Ägyptologen-Konferenz zu Ende gegangen, die findet jedes Jahr irgendwo anders im deutschsprachigen Raum statt und nach Köln, Würzburg und Münster war es diesmal Leipzig. Und Sie, Professor Hans-Werner Fischer-Elfert, geschäftsführender Direktor des Ägyptologischen Instituts und Ägyptologischen Museums der Universität Leipzig, Sie haben das Thema "Wie verhielt sich Ihre Zunft während der Nazi-Zeit?" auf die Tagesordnung gesetzt. Nun muss man allerdings noch eines dazusagen: Ihr Museum ist nach dem größten jüdischen Ägyptologen Georg Steindorff benannt, um dessen Sammlung es zurzeit einen Rechtsstreit mit der Jewish Claims Conference gibt. Es sieht so aus, als müssten Sie Teile dieser Sammlung restituieren oder zumindest der Jewish Claims Conference abkaufen. Sie hängen also ein bisschen von deren Wohlwollen ab. Ist es Zufall, dass Sie Ihrer Tagung so einen selbstkritischen Touch gegeben haben?

    Hans-Werner Fischer-Elfert: Nein, das ist es natürlich nicht. Aber ich darf vielleicht auch aus Gründen der Aktualität dazu sagen, es gibt keinen Rechtsstreit mehr mit der Jewish Claims Conference, der ist ausgestanden. Wir haben uns gütlich einigen können, wir haben ein paar Auflagen bekommen, und zwar in Richtung auch erzieherische Maßnahmen gegenüber dem Publikum in Sachen Georg Steindorff, Hinweis auf seine Leistung, aber besonders eben auch auf sein Schicksal. Diese Auflage geht sogar noch einen Schritt höher, insofern, als die Universität Leipzig zu einer intensivierten Präsentation und auch, so weit es ihr möglich ist, Erforschung der Shoah oder des Holocaust angehalten ist in den allernächsten Jahren. Und von daher ist der Streit eigentlich vorüber. Wir müssen gar nichts zurückkaufen, wir dürfen die Objekte behalten, wir müssen nur eine gewisse Präsenz eben jetzt zeigen, auf wen das zurückgeht, wem wir das zu verdanken haben, und das ist eine Verpflichtung, die wir wirklich herzlich gerne einnehmen beziehungsweise akzeptieren und auch umsetzen praktisch.

    Müller-Ullrich: Und da sind wir ja nun doch beim Thema, denn in der Tat ist das, was Sie da auf dieser zwei- oder dreitätigen Konferenz behandelt haben, ja im Grunde auch eine Frage von Geschichtspädagogik?

    Fischer-Elfert: Richtig, ja. Auslöser war ganz persönlich für mich, muss ich dazu sagen, wirklich auch die Figur Georg Steindorff, als ich vor zwölf Jahren hier nach Leipzig kam. Dann wurde es immer wieder aus diversen organisatorischen und zeitlichen Gründen verschoben. Zwischenzeitlich ist es mir dann gelungen, das Haus, Museum wie Institut, nach ihm zu benennen. Und dann kam so quasi parallel, aber immer nur in ganz, ganz großen Schüben eben auch wieder diese Rechtssache auf den Schreibtisch. Aber ich betone hier ausdrücklich, dass diese Rechtsangelegenheit mit der Jewish Claims Conference kein Motiv für mich war, das Haus zu benennen, oder eben auch diese Tagung hier durchzuführen, sondern das ist, wenn ich das noch in einem Satz dazufügen darf: Die Ägyptologie hat ihre Hausaufgaben in diesem Punkt noch nicht gemacht und sie hat das nicht gemacht im Unterschied zu anderen Fächern aus den klassischen Altertumswissenschaften und zum Beispiel eben auch aus der ja völlig verbräunten Ur- und Frühgeschichte in der Nazi-Zeit, oder auch der Volkskunde zum Beispiel.

    Müller-Ullrich: Ja. – Die Ägyptologie als solche ist ja nicht unbedingt für die Nazis sehr interessant gewesen. Zunächst einmal ist sie eine internationale Angelegenheit, überschritt also den nationalen Horizont. Sie ist als Archäologie des Mittelmeer-Raums natürlich auch nicht gerade etwas, was die deutsche Vorgeschichte besonders heroisieren könnte. Und dann ist es natürlich auch Teil der humanistisch geprägten Altertumswissenschaften, das heißt, das war den Nazis ja auch ein Gräuel. Wie hat sich die Ägyptologie dann doch verhalten?

    Fischer-Elfert: Ja, das ist also wirklich ganz interessant gewesen und besonders am gestrigen Tag, wo wir die Vorträge hatten. Der Standort des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo, dieser Standort war natürlich alles andere als politikfrei. Da wurden Leute auch implementiert, die stramme Linie gefahren sind. Dort wurden Leute begrüßt wie Goebbels und Ribbentrop und andere, die sich dort angeblich nur zu privaten Erholungszwecken getroffen haben. Man darf aber eines nicht übersehen: Das war auch ein Außenposten Deutschlands auf einem fremden Boden, der natürlich ganz massiv von den Briten beansprucht wurde. Das heißt also, da waren internationale Interessen durchaus auf dem gleichen Boden. Und die Frage ist jetzt eben halt auch für uns unter anderem, wie ist man zum Beispiel mit den britischen, amerikanischen Kollegen verfahren während dieser Zeit. Das ist noch nicht so thematisiert worden. Wir haben eigentlich mehr jetzt gehört am Wochenende, wie es also deutschen Ägyptologen in dieser Zeit ergangen ist, die eben einen jüdischen Hintergrund hatten, wie Steindorff. Das Erstaunliche zu Steindorff ist eben auch – das haben wir gehört, das ist archivarisch belegt -, er hat bis 1936, 1937 freien Eintritt zum DAI in Kairo gehabt, zum deutschen Institut, obwohl er das hätte eigentlich gar nicht mehr haben dürfen.

    Müller-Ullrich: Dieses Deutsche Institut in Kairo – Sie sprachen gerade davon -, es besteht ja noch, führt uns direkt in die Aktualität. Sie haben auch über Gegenwartsprobleme gesprochen?

    Fischer-Elfert: Wir sind ganz kurz darüber informiert worden, und zwar von einer Vertreterin des DAI. Heute Morgen hat sie über die laufenden Projekte berichtet, auch natürlich darüber, dass da eben durch diese Aktionen Ende Januar, dann Februar das eine oder andere erstmal für eine Weile zum Erliegen gekommen ist. Grundsätzlich sind die Arbeiten aber weiterhin möglich. Es hat natürlich auch Turbulenzen in der Form gegeben, dass besonders im Delta dann auch Antiken geraubt oder beschädigt worden sind. Aber ansonsten: Grundsätzlich sind keine großen Störungen zu verzeichnen. Einige Mitglieder des Instituts haben mit ihren Familien das Land kurzfristig verlassen, aber der Betrieb läuft wohl relativ reibungsfrei.

    Müller-Ullrich: Neues von der Ägyptologen-Konferenz über Geschichte und Gegenwart. Das war der Tagungsleiter und Direktor des Ägyptologischen Instituts und Ägyptologischen Museums der Universität Leipzig, Professor Hans-Werner Fischer-Elfert. Danke für die Auskünfte.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.