Schriftsteller*in Else Buschheuer

Das Leben als Patchwork

33:22 Minuten
Portrait der Schriftsteller*in Else Buschheuer in grünem Mantel und mit grüner Sonnenbrille.
Die Arbeit an einem Essay über das Frausein führte bei Else Buschheuer zu der Erkenntnis: "Ich bin nicht-binär." © Privat
Moderation: Katrin Heise · 21.04.2021
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Wahrhaftigkeit ist Else Buschheuer sehr wichtig. Bei der Arbeit in der Bahnhofsmission, beim Schreiben, als Journalist*in. Und bei der Suche nach der eigenen Identität. Das bedeutet manchmal, Dinge abzuschneiden. Und queeren Tango zu tanzen.
Else Buschheuers neustes Buch handelt vom Helfen: Hospizarbeit und Sterbebegleitung, Leben in einer Wohngruppe mit dementen Menschen, Essensausgabe bei der Bahnhofsmission. Else Buschheuer schreibt darüber aus eigener Erfahrung. Denn all dies gehört zum Lebensweg der Autor*in. Ebenso die Frage, warum man eigentlich hilft.
Else Buschheuer konnte den "Selbstverdacht" schließlich ausräumen, dass es beim Helfen um Selbstherrlichkeit gehe, ein Helfersyndrom oder das Bewältigen von Schuldgefühlen. Zu helfen sei "Teil von meinem Wesenskern", erkannte Buschheuer und: "Jetzt kann ich befreit helfen, als Mensch sozusagen."

Sachen abschneiden

So viel "radikale Ehrlichkeit" ist kompliziert. Der ursprüngliche Vorname passt irgendwie nicht? Noch zu DDR-Zeiten ließ die 1965 in Sachsen geborene Sabine Knoll ihn in Else ändern, bei den Behörden kein einfaches Unterfangen. Ihre DDR-Vergangenheit? Nach der Wende "wegassimiliert". "Ich schneide mir manchmal auch Sachen ab", sagt Else Buschheuer dazu. Und gewinnt Neue dazu.
Nach der Wende macht Else Buschheuer Karriere als Journalist*in, Moderator*in, schreibt Bücher und während eines Aufenthalts in New York 2001 ein viel beachtetes Internet-Tagebuch über 9/11. Die Arbeit an einem Essay über das Frausein öffnet eine neue Tür in Else Buschheuers Gewissheit der eigenen geschlechtlichen Identität: "Ich bin nicht-binär". Also nicht festgelegt auf eine Rolle als Frau oder Mann.

Queerer Tango und "Trennkost" in Beziehungen

Darum spricht Else Buschheuer von sich als Schriftsteller*in. Was eine genderfluide Identität bedeutet, hat Buschheuer noch nicht bis in alle Einzelheiten durchbuchstabiert, dazu sei sie noch zu frisch. Aber ein Gefühl dafür gibt das queere Tango Tanzen. Wo man mal führt, mal sich führen lässt, die Rollenverteilung von Mann und Frau aufgehoben ist. Else Buschheuer tanzt seit Jahren den queeren Tango mit Leidenschaft, wenn auch "leider überhaupt nicht begabt".
Derzeit schreibt Else Buschheuer ein Buch über menschliche Beziehungen jenseits der traditionellen Zweier-Kiste. Es geht um die Frage: "Können wir uns anderen Menschen total zumuten?" Es laufe auf "Trennkost" hinaus, verrät Buschheuer aus der Schreibwerkstatt. Also etwa eine Beziehung für Zärtlichkeit, eine für Eros, eine für die ernsten Dinge, statt all das in eine einzige Partnerschaft zu packen.
Denn ein Menschleben gebe es nicht von der Stange, sondern es sei ein "Designerstück", das sich jeder und jede selbst schneidere. Das eigene Leben sieht Buschheuer als Patchwork: "Gerade dadurch wird es wahrhaftig".
(pag)

Else Buschheuer: "Hier noch wer zu retten? Über die Liebe, den Tod und das Helfen"
Heyne Verlag, München 2019
272 Seiten, 20 Euro

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