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Verwaltungsgerichts-Entscheid
Verfassungsschutz darf AfD nicht "Prüffall" nennen

Mitte Januar hatte Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang die AfD als "Prüffall" seiner Behörde bezeichnet. Das hätte er nicht gedurft, hat das Verwaltungsgericht Köln nun entschieden. Die AfD sieht sich bestätigt. Ob der Verfassungsschutz gegen das Urteil vorgeht, ist noch unklar.

Von Nadine Lindner | 26.02.2019
Logo der Partei Alternative für Deutschland unter der Lupe.
Der Verfassungsschutz prüft die AfD, darf sie aber laut dem heutigen Gerichtsentscheid nicht öffentlich einen "Prüffall" nennen. (imago )
Die Reaktion der AfD auf die Entscheidung aus Köln kam prompt. Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland trat in Berlin vor die Presse:
"Es ist juristisch ein voller Erfolg für die AfD. Das Verwaltungsgericht Köln folgt unserer juristischen Argumentation vollständig."
Gauland weiter:
"Hauptargument ist, dass die Freiheit der Partei nach dem Grundgesetz ein hohes Gut ist, das in keiner Weise eingeschränkt werden kann."
Aus weiten Teilen von Fraktion und Partei gab es am Nachmittag Genugtuung.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch zeigte sich auf Twitter angriffslustig: Die Wahlkampfhilfe für CDU und SPD im Wahljahr sei ohne Rechtsgrundlage gewesen. Von Storch spricht von Bananenrepublik.
In der Eil-Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts geht es um den Begriff "Prüffall". Diese öffentliche Bezeichnung für die AfD durch den Verfassungsschutz sei unzulässig. Denn dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, stellten die Richter klar.
Das Gericht gab damit einem Eilantrag der Partei statt. Es werde zu sehr in die Rechte der Partei eingegriffen, da das Wort Prüffall eine negative Wirkung in der Öffentlichkeit hat.
Die Kölner Richter sprechen dem Verfassungsschutz nicht das Recht ab, die AfD zu überprüfen, er hätte aber nicht darüber informieren dürfen.
Weidel fordert Absetzung des Verfassungsschutz-Chefs
Bei der Kölner Entscheidung geht es vor allem um eine Pressekonferenz vom 15. Januar. Damals hatte der neue Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz öffentlich erklärt.
"Die Gesamtpartei AfD wird als Prüffall bearbeitet."
Haldenwangs Begründung damals: Die öffentliche Benennung als Prüffall habe auch entlastende Aspekte für die AfD, da im Vorfeld so heftig über eine mögliche Beobachtung diskutiert wurde.
Der thüringische Landesvorsitzende und Vertreter des rechten Parteiflügels Björn Höcke schrieb als Reaktion heute: Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang habe sich vor den politischen Karren spannen lassen und habe das Ansehen des gesamten Verfassungsschutzes ruiniert. Höcke ist laut Verfassungsschutz-Gutachten einer der Hauptauslöser für die Einstufung des Flügels als Verdachtsfall gewesen.
Am Nachmittag zeigte sich allerdings auch Uneinigkeit innerhalb der Fraktionsspitze zwischen Gauland und Co-Vorsitzender Alice Weidel.
Weidel hatte eine Absetzung von Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang gefordert. Es fehle ihm die politische Neutralität.
Alexander Gauland sagte dagegen:
"Frau Weidel ist keine Juristin, der Innenminister muss hier handeln. Aber das Wort 'absetzen' ist nicht im deutschen Beamtenrecht drin."
Ob die Partei nun auch gegen die Entscheidung des Verfassungsschutzes den Flügel und die Junge Alternative als "Verdachtsfall" einzustufen, klagen wird, sagte Gauland nicht.
Verfassungsschutz prüft Einlegung einer Beschwerde
Aus den anderen Parteien kamen über den Kurznachrichtendienst Twitter unterschiedliche Reaktionen.
Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs, der sich immer wieder heftige Wortgefechte mit den AfD-Abgeordneten liefert, schrieb nur ein Wort: unsäglich.
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP Marco Buschmann sagte, dass die Prüfung der AfD weiterhin geboten ist, weil sich die Partei nicht von Rechtsextremen abgrenzt.
Für die Grünen meldete sich Sven Kindler. Er schrieb sinngemäß, dass die Entscheidung aus Köln egal sei, die AfD bleibe antidemokratisch.
Der Verfassungsschutz hat nun zwei Wochen Zeit, Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen.
Das Bundesamt antwortete auf Nachfrage des Deutschlandradios schmallippig in drei Zeilen. Das BfV habe den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln zur Kenntnis genommen. Die Einlegung einer Beschwerde werde geprüft.