Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Verzicht für die Umwelt

Zwischen Aschermittwoch und Ostern ist für viele Menschen bewusster Verzicht angesagt. Er bietet Gelegenheit, die Welt aus anderer Perspektive zu sehen - zum Beispiel nicht mehr durch die Windschutzscheibe des Autos. Kirchen, Verkehrsunternehmen, Umweltverbände in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Luxemburg haben zum "Autofasten" aufgerufen.

Von Anke Petermann | 27.03.2006
    5.20 Uhr los von zu Hause im rheinhessischen Bodenheim, 5.24 Uhr – der Zug fährt pünktlich ab. 5.38 UhrAnkunft in Mainz – Peter Förster stürmt die Treppe im Mainzer Hauptbahnhof hinunter Richtung Bus:

    "Jetzt muss ich den Bus kriegen noch. Jetzt haben wir noch drei Minuten."

    Auch der Bus ist pünktlich – ein guter Start für diesen "Autofastentag" und Försters Frühschicht in einer Mainzer Behörde. Dennoch an diesem eiskalten, zugigen Morgen wäre es durchaus verlockend gewesen, wie üblich ins Auto zu steigen, gibt Förster zu:

    "... weil man weiß, im Auto wartet die Sitzheizung, die normale Heizung, und dann ist die Fahrtstrecke doch schon ein bissel kürzer als mit dem Zug jetzt."

    Fasten für den Umweltschutz. 10 Minuten länger als die Autofahrt dauert Försters Weg zum Job mit der Bahn-Bus-zu Fuß Kombination, wenn alles klappt. Vergleichsweise komfortabel. In einem pfälzischen Dörfchen verzichtet an diesem Morgen eine "autofastende" Rentnerin darauf, mit ihrer Enkelin nach Kirchheim-Bolanden zum Schwimmen zu fahren – für die zwölf Kilometer hätte sie mit Bus und Bahn drei Stunden gebraucht.

    5.45 Uhr: Peter Förster steigt aus dem Bus, nur noch 200 Meter bis zur Dienststelle. Die Vögel singen laut.

    "Wir wollen auch einladen, diese Windschutzscheiben-Perspektive zu verlassen und auch wahrzunehmen, wie es sich anfühlt, die eigenen Füße zu benutzen, den frischen Wind beim Fahrradfahren zu spüren oder ganz entspannt in Bus oder Bahn zu sitzen,"

    sagt Alois Bauer, beim Bistum Mainz zuständig für die Aktion "Heilsam in Bewegung kommen". "Autofasten" heißt Klima schützen und damit die Schöpfung bewahren, deshalb haben die Kirchen diese Aktion angestoßen. Befristet auf vier Wochen, aber von nachhaltigem Effekt, wie die Organisatoren in einer wissenschaftlichen Befragung herausfanden, nämlich,

    "dass etwa 60 Prozent der Teilnehmer ihr Verkehrsverhalten langfristig geändert haben. Das heißt, sie haben auf ein zweites Auto verzichtet, haben entdeckt, dass, da wo sie täglich fahren müssen, eine Bahn- oder Buslinie vorbei führt. Andere haben ihr Auto verkauft, fahren nur noch mit dem Umweltverbund. Als, es hat ganz praktische Konsequenzen."

    Peter Förster "autofastet" gemeinsam mit seiner Frau und stößt dabei wie viele, die sich beteiligen, an die Grenzen der Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Weshalb er für das Tennistraining seiner Tochter in Bodenheim eine Ausnahme macht und sie chauffiert?

    "Weil da innerhalb vom Ort keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren und sie dann etwas außerhalb vom Ort gefahren werden muss, das ist doch schon zu Fuß fast zwei Kilometer. Oder mit dem Fahrrad - in der dunklen Jahreszeit möchte ich meine 13-jährige Tochter nicht alleine fahren lassen."

    In einer Abschlussveranstaltung legen die "Autofaster" Vertretern der lokalen Verkehrsverbünde eine sehr differenzierte Schwachstellenanlyse vor. Schlechte Verbindungen und Verspätungen werden gerügt und - so Alois Bauer:

    "Da gibt es immer noch verschmutzte Bahnsteige oder Zerstörungen durch Vandalismus oder nicht vorhandene Toiletten, die gerade ältere Menschen suchen. Oder ältere Menschen vermissen sehr im Nahverkehr Begleitpersonal. Das wird immer wieder angemahnt, weil sich ältere Menschen ohne Begleitpersonal nicht so sicher fühlen. Das sind Rückmeldungen für die Verkehrsbetriebe, die dann auch hoffentlich in deren Programme einfließen."

    Praktische Lobbyarbeit für die Nutzer Öffentlicher Verkehrsmittel leisten die "Autofastenden" ganz nebenbei - und erobern der Gesellschaft damit vielleicht ein Stückchen Unabhängigkeit vom Fetisch Auto.