Freitag, 19. April 2024

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Videoüberwachung mit Gesichtserkennung
"Testen muss ja wohl möglich sein"

CDU-Innenpolitiker Armin Schuster verteidigt den Test der Gesichtserkennungssoftware via Videoüberwachung am Berliner Südkreuz. Es sei ein legitimes Interesse der Polizei, modernste Technik zu testen, sagte er im Dlf. Der Datenschutz der Testpersonen werde dabei nicht missachtet.

Armin Schuster im Gespräch mit Sarah Zerback | 24.08.2017
    Armin Schuster bei einer Rede mit ausgetrecktem Zeigefinger
    Armin Schuster: "Wir haben einen positiven Trend, aber wir sind nicht zufrieden." (dpa / Kay Nietfeld)
    Sarah Zerback: Sie lassen sich am Berliner Bahnhof Südkreuz von Kameras filmen und die Aufnahmen mit gespeicherten Daten abgleichen, um die Technik zu testen – eine Technik, die die Polizei künftig einsetzen möchte, um mögliche Terroranschläge unter anderem abzuwehren, und die umstritten ist, besonders unter Datenschützern. Die wollen jetzt herausgefunden haben, dass bei dem Test sogar noch mehr Daten gesammelt werden, als ursprünglich mit den Teilnehmern vereinbart. Drei Wochen nach dem Start des Probebetriebs war Bundesinnenminister Thomas de Maizière heute vor Ort, um das Projekt offiziell vorzustellen.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Armin Schuster, Obmann der Union im Bundestags-Innenausschuss, und ehemaliger Bundespolizist ist er auch. Guten Tag, Herr Schuster!
    Armin Schuster: Guten Tag, Frau Zerback.
    "Die Kirche mal im Dorf lassen"
    Zerback: Das was wir da jetzt gerade an Kritik gehört haben, ist das nun der Anfang vom Ende der Anonymität im öffentlichen Raum?
    Schuster: Wissen Sie, ich würde gerne die Kirche mal im Dorf lassen. Es ist doch ein legitimes Interesse der Polizei und deswegen unterstütze ich das auch parlamentarisch, dass wir moderne Technik testen – testen, noch nicht einführen. Wenn es in diesem Land schon verboten sein soll, modernste Technik zu testen, um Terrorgefährder zu identifizieren, um, ich sage mal, auf Flughäfen herrenlose Gegenstände, die ja sehr gefährlich sein können - ich glaube, die Berliner, wenn ich die jetzt alle fragen könnte, die würden mir zustimmen. Jedes Mehr an Sicherheit auf Berliner Bahnhöfen, auch auf vielen deutschen Bahnhöfen kommt, glaube ich, vielen Reisenden gelegen.
    Zerback: Herr Schuster, das können wir natürlich die Berliner und Berlinerinnen jetzt gerade an dieser Stelle nicht fragen. Aber Sie kann ich fragen, ob denn mehr Daten von dieser Technik gesammelt werden, als ursprünglich ausgemacht - schon beim Test. Dann ist das doch ein massiver Vertrauensbruch.
    Schuster: Na ja. Diese Testgeräte, die in den Einsatz kamen, senden die Transponderadresse. Das ist ja auch klar. Wir wollen ja wissen, wo derjenige gerade ist, um zu identifizieren, ob das Gerät es überhaupt erkennt: eine Signalstärke, einen Batteriestand und die Temperatur des Transponders. Alles andere, was jetzt da verschiedene Organisationen herausgefunden haben wollen, ist ja abgeschaltet worden, im Auslieferungszustand inaktiv geschaltet worden. Theoretisch wäre das alles möglich, ja, findet aber praktisch nicht statt.
    "Ich möchte Fahndungsqualität"
    Zerback: Wie wollen Sie denn ausschließen, dass das in Zukunft auch nicht stattfindet?
    Schuster: Weil Sie in Zukunft keinen Transponder mit sich herumtragen. In Zukunft geht es darum, dass ich Anis Amri früher erkennen möchte, wenn er einen Berliner Bahnhof betritt, und das ist ein Musterbeispiel dafür. So viele Polizisten möchte ich in diesem Land gar nicht einsetzen. Ich möchte doch nicht das Bild eines Polizeistaates bilden. Ich möchte Fahndungsqualität. Und wenn ein Terrorgefährder wie Anis Amri nach seinem Attentat flüchtet und er in eine Erkennungskamera läuft in einem Berliner Bahnhof, dann hätten wir wesentlich früher eine Festnahme realisieren können. Denken Sie an den Wohnsitzlosen, der im Mai 2017 in Berlin von Jugendlichen angezündet wurde. Das genau wollen wir wissen: Kann diese Kamera so etwas frühzeitig identifizieren.
    Zerback: Herr Schuster, Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Ich bin gerade kurz aufmerksam geworden, als Sie gesagt haben, Sie möchten da gar nicht mehr Polizei. Das höre ich jetzt zum ersten Mal von der Union. Ist das so?
    Schuster: Nein, habe ich ja nicht gesagt.
    Zerback: Sie haben gesagt, so viel Polizei könnte man …
    Schuster: Ich habe gesagt, ich möchte nicht so viel Polizei einsetzen, dass wir in der Lage sind, jeden Terrorgefährder auf jedem deutschen Bahnhof zu erkennen. Da müssten Sie ja Hundertschaften auf jedem Bahnhof einsetzen.
    "Ich kann nicht nur den Datenschutz anschauen"
    Zerback: Ist das so?
    Schuster: Dass wir viel Polizei brauchen, ist, glaube ich, kein Thema. Da haben wir uns ja auch für eingesetzt in dieser Legislatur. Aber dass Polizei Einsatzmittel braucht auf dem modernsten Stand der Technik, um ihre Arbeit zu unterstützen, das muss doch erlaubt sein. Und noch mal: Diese Technik ist nicht eingeführt. Wir testen sie mit 300 Freiwilligen, um die Frage zu beantworten, ist das für die Polizei ein wirksames Hilfsmittel, ist das System zuverlässig. Noch mal: bitte die Kirche im Dorf lassen. Das muss ja wohl möglich sein. Und ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin Innenpolitiker. Ich kann nicht nur den Datenschutz anschauen. Ich muss auch den Opferschutz betrachten und für mich muss zwischen Opfer- und Datenschutz mindestens ein Gleichgewicht sein. Und mit diesen Systemen ist es möglich, wenn sie funktionieren, deutlich mehr Sicherheit an kritischen Infrastrukturen zu erzeugen. Das können auch Flughäfen sein, das können Bahnhöfe sein, das könnte auch sein ein Ort, wo wir wissen, er ist anschlagsgefährdet. Ich möchte auf eine Technik, die das kann, nicht verzichten.
    Zerback: Das heißt, wenn dieser Test erfolgreich wäre, dann wird sich die Union dafür einsetzen, dass die bundesweit eingesetzt wird an Bahnhöfen und Flughäfen?
    Schuster: Darauf können Sie sich verlassen, und ich glaube, dass insbesondere, weil wir jetzt über Berlin sprechen, angesichts der Sicherheitspolitik, die der rot-rot-grüne Senat da macht, viele, glaube ich, dankbar sind, dass es Gott sei Dank hier vom Bundesinnenminister entschieden wird. Und wenn diese Technik funktioniert, werden wir deutlich mehr Sicherheit an den Orten haben, in Berlin und im Rest von Deutschland, wo diese Kameras zum Einsatz kommen.
    Zerback: Das ist ja die Frage. Dass die Technik funktioniert nach erfolgreichem Test, das sei dann mal vorausgesetzt. Aber warum denken Sie denn, dass die anlasslose Videodokumentation tatsächlich etwas bringt, um Anschläge abzuwehren?
    Schuster: Weil die Gesichtserkennung mit einer Kamera für einen Täter im Prinzip nicht abschätzbar ist. Das weiß der Täter nicht, wo wir mit dieser Technik arbeiten, und wenn eine Kamera einen Täter identifiziert, den wir auf einer Fahndungsliste stehen haben, an einem Ort, wo wir uns Sorgen machen würden, dann greift die Polizei ja unmittelbar zu. Das heißt, die Alarmierung der Kamera erzeugt ja für die Polizei die Möglichkeit, jetzt auf diese Person zuzugreifen. Ob es ein Schwerverbrecher ist oder ein Terrorgefährder, diese Chance hast Du jedenfalls nicht durch das manuelle Überwachen eines Bahnhofes. Deswegen habe ich gerade gesagt, so viel Polizei kannst Du nicht auf einen Bahnhof stellen.
    Nur in Grundrecht von Kriminellen wird eingegriffen
    Zerback: Es gibt zum Beispiel auch Studien unter anderem aus der Schweiz. Die hat über zwei Jahre lang geforscht und die kommt zum genau gegenteiligen Ergebnis, dass es eben nichts bringt.
    Schuster: Es kommt jetzt wahrscheinlich darauf an, welche Studie man nimmt. Die Erfahrung, die wir in Deutschland haben insgesamt mit dem ganzen Thema Videotechnik, ist so: Wir haben ja jetzt auf etwa 900 Bahnhöfen über 6.000 Videokameras installiert. Warum? Weil unmittelbar mit der Installation einer Videokamera die Abschreckungswirkung steigt und die Aufklärungsquote auch. Die beiden Vorkommnisse in Berlin, der U-Bahntreter und der Obdachlose, wurden ja in Nullkommanichts aufgeklärt. Warum? Weil über Videotechnik die Täter identifizierbar waren.
    Zerback: Das sind natürlich Einzelbeispiele in der Tat, die erfolgreich waren. Das ist so. Aber noch mal die Frage, weil die Kritik kommt ja vonseiten der Datenschützer. Sie stellen lieber den Bürger unter Generalverdacht, als sich gezielt auf Gefährder zu konzentrieren?
    Schuster: Nein. Das Grundrecht, in das wir eingreifen, das sehe ich. Da greifen wir ein beispielsweise in die Grundrechte eines Anis Amri. Aber nicht von Max Mustermann, weil das Abscannen von Max Mustermann endet ja mit dem Ergebnis - keiner, der auf einer Fahndungsliste steht, wird überhaupt nicht gespeichert. Im Bruchteil einer Sekunde ist die Entscheidung gefallen, diese Person ist irrelevant, und deshalb wird er auch nicht gespeichert. Die Speicherung einer Person wäre ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das findet aber nur bei denen statt, die wir im Visier haben wollen: Schwerstkriminelle und Terrorgefährder. Nicht mal, Frau Zerback, der Ladendieb oder so etwas. Die Gesetzgebung steht ja erst noch aus. Wir wollen ja testen, wie es ist, und dann gehen wir in die Gesetzgebung und in die Diskussion. Da wird am Ende herauskommen, die ganz schlimmen Finger stehen in diesen Fahndungsdateien und deren Grundrechte schränken wir ein. Sonst niemandes.
    Zerback: Sagt Armin Schuster, CDU-Obmann im Innenausschuss des Bundestages. Besten Dank für das Gespräch heute, Herr Schuster.
    Schuster: Ich danke Ihnen, Frau Zerback.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.