Dienstag, 19. März 2024

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Viel mehr als nur Filmkulisse
Mit dem Zug in die schottischen Highlands

Filmfans kennen sie aus "Harry Potter" und "Trainspotting", Eisenbahnfreunde sowieso: Die West Highland Line der schottischen Eisenbahn führt durch verwunschene Hügellandschaften, entlang der zerklüfteten Küste - und vorbei am abgelegensten Bahnhof Schottlands.

Von Friedbert Meurer | 25.08.2019
Eine Dampflock fährt über das Glenfinnan Viadukt vor grüner Highlands Landschaft und wolkig blauem Himmel.
Das Glenfinnan-Viadukt liegt in den Harry-Potter-Filmen auf der Route des Hogwarts-Express (Imago / Martin Rägner)
Der Schaffner kontrolliert unsere Fahrscheine. Unser Zug fährt gerade aus den Vororten von Glasgow heraus, gleich erscheint rechts Loch Lomond, der größte Binnensee Großbritanniens. Am Bahnhof Glasgow Queen Street sind weitere Wanderer zugestiegen, u.a. auch zwei junge Belgierinnen. Sie wollen weiter oben in den schottischen Highlands eine Woche lang mit Rucksack und Zelt in der freien Natur verbringen.
"Wir wollen in Glenfinnan auf den entlegensten Wanderweg Schottlands überhaupt."
"Mit dem Zug ist es praktischer als mit dem Auto. Am Ende unserer Tour können wir wieder den Zug nehmen. Wir kommen aus Belgien und sind es nicht gewohnt, auf der linken Seite zu fahren."
Eine Mitarbeiterin von ScotRail schiebt ihren Verkaufswagen durch den Gang mit Süßigkeiten, Tee, Kaffee und dem schottischen Nationalgetränk "Irn-Bru", eine orangefarbene Brause. Weiter geht es durch ausgedehnte Wälder. Hier im unteren Teil sind die westlichen Highlands noch nicht baumlos. Und auch nicht so menschenleer wie weiter oben im Norden. Immer wieder steigen Wanderer ein und aus.
Der Schaffner hat jetzt Zeit für ein Gespräch und erzählt, dass er privat in einem Kurs Gälisch lernt. Nur gerade ein Prozent der Schotten spricht noch diese alte keltische Sprache.
"Guten Morgen, meine Damen und Herren. Willkommen an Bord des Scotrail-Service nach Fort William und Mallaig."
Gegen Mittag erreicht der Zug Mallaig, ein malerisches Hafenstädtchen an der Westküste Schottlands. Hier beginnt der Höhepunkt unserer Zugstrecke: wir wechseln den Zug und fahren mit dem "Jacobite Steam Train", der Dampfeisenbahn, zurück nach Fort William.
Ehrenamtliche helfen den Reisenden
Die prächtige schwarze Dampflok fährt langsam an und zieht die dunkelroten Wagen nach sich, Baujahr 50er Jahre. Sonia Cameron gesellt sich zu uns. Die ehrenamtliche Helferin gilt als die gute Seele der legendären Bahnstrecke in den Highlands zwischen Mallaig und Fort William. Als erstes hat sie für uns Fish and Chips mitgebracht.
"Der Fisch ist von hier, der Shop hat ein eigenes Boot und fängt den Schellfisch selbst."
Bahn-Helferin Sonia Cameron und Reporter Friedbert Meurer am Bahnhof Mallaig an der Westküste Schottlands
Bahn-Helferin Sonia Cameron und Reporter Friedbert Meurer am Bahnhof Mallaig an der Westküste Schottlands (Deutschlandradio / Friedbert Meurer)
Zunächst fahren wir nur wenige Meter entfernt am Atlantik entlang, das Meer schimmert hell in der Sonne. Von unserem Platz aus haben wir einen wunderbaren Blick auf die Inseln Skye, Rum und Eigg.
"Mallaig und die Inseln sind über ihre Gemeinden eng miteinander verbunden. Die Kinder verlassen manchmal die ersten zwölf Lebensjahre lang nicht die Inseln. Dann kommen sie zu uns nach Mallaig in die weiterführende Schule. Sie wohnen dort dann in einem eigenen Hostel."
Hogwarts-Express-Route lockt Leute
Dann biegt der Jacobite Steam Train ins Landesinnere und steuert durch spektakulär enge Felsschluchten und Tunnel. Rechts vor uns liegt jetzt malerisch ein Fjord, links und rechts umringt von Bergen, die bis zu 1000 Meter hoch aus dem Meer ragen. Sonia Cameron erzählt von Hirschen, die im Winter von den Bergen herunterkommen.
Mit dem Zug durch die westlichen Highlands – Schottland präsentiert sich von seiner schönsten Seite
Mit dem Zug durch die westlichen Highlands – Schottland präsentiert sich von seiner schönsten Seite (Deutschlandradio / Friedbert Meurer)
Die Vegetation hier am Meer ist durch den Golfstrom viel üppiger als in den sonst kargen Highlands. "Es ist hier zu jeder Jahreszeit bezaubernd. Das Klima ist mild, aber es kann hier sehr stürmisch werden. Aber es schneit hier nie. Es gibt Kinder auf den Inseln, die haben noch nie Schnee gesehen."
Unsere Dampflok nähert sich dem berühmten Viadukt von Glenfinnan. Über diesen Viadukt, aus Beton gebaut im Jahr 1901, fährt in allen Harry Potter-Filmen der Hogwards-Express. Etliche Zugreisende und vor allem die Kinder pressen jetzt ihre Nase an die Fensterscheiben.
"Ich bin jetzt kein Freak, aber ich mag Harry Potter."
"Wir haben alle Filme gesehen, auch unsere Jungens. Also wir wollten es einmal in echt sehen."
Zu viel Rummel
John Barnes ist in Glenfinnan zugestiegen. Ihm gehört dort das Bahnhofsgebäude und das Museum. Barnes ist ein Eisenbahn-Enthusiast. Gerade hat er in Fort William eine Ausstellung mit alten Eisenbahn-Postern aus den schottischen Highlands organisiert. Barnes ist der Rummel um Harry Potter des Guten zu viel.
"Ich fände es besser, die Leute kämen, weil sie den Viadukt und seine Bedeutung für die Gegend verstehen wollen. Das erfährt man nicht durch das Harry-Potter-Phänomen. In unserem Museum versuchen wir, den Viadukt den Menschen näher zu bringen. Wir hätten nie gedacht, dass er einmal völlig von Harry-Potter-Anhängern überschwemmt würde."
Die Dampflok legt sich über der Brücke in eine Rechtskurve. Unten in den Hängen stehen Touristen, um den Zug genau dann zu fotografieren, wenn er über den Viadukt fährt.
Weiter geht die Fahrt nach Fort William. Von hier aus setzen wir die Heimreise im "Caledonian Sleeper" fort, dem Nachtzug, der am nächsten Morgen am Bahnhof London-Euston ankommen wird.
Der abgelegenste Bahnhof Großbritanniens
Nach 50 Minuten taucht der Bahnhof Corrour auf, wo vor 25 Jahren eine Szene für den Film "Trainspotting" gedreht wurde. Corrour gilt als abgelegenster Bahnhof Großbritanniens, er ist ausschließlich per Bahn oder Geländewagen zu erreichen. In "Trainspotting" geht es gar nicht darum, Züge zu beobachten, sondern um die Drogensucht von vier jungen Schotten.
Der Bahnhof Corrour gilt als der abgelegenste Bahnhof Großbritanniens – mit dem Auto ist er nicht erreichbar
Der Bahnhof Corrour gilt als der abgelegenste Bahnhof Großbritanniens – mit dem Auto ist er nicht erreichbar (Deutschlandradio / Friedbert Meurer)
"Das ist doch ein großartiges Outdoor-Erlebnis", versucht in dem preisgekrönten Film einer die anderen zum Wandern zu ermuntern. "Seid ihr nicht stolz darauf, schottisch zu sein?"
Der Bahnhof Corrour ist so etwas wie ein schottischer Sehnsuchtsort, weil er so gut wie in der Wildnis liegt. Kaum einen Strauch, geschweige denn Baum gibt es hier in der Nähe. Aber das Restaurant im Bahnhof ist frisch renoviert und sehr beliebt. Als Gast sollte man nur wissen, wann der letzte Zug nach Glasgow oder Fort William geht. Denn zu Fuß sind es bis zur nächsten Siedlung immerhin beschwerliche 20 Meilen, also über 30 Kilometer.