Samstag, 06. April 2024

Archiv


"Viel mehr Sorge macht mir das Stimmungsbild an Stammtischen"

Konservative Menschen denken in die Zukunft, betont der sächsische Fraktionschef Steffen Flath. Gleichzeitig halte man aber am Bewährten aus der Vergangenheit fest. Diese Haltung müsse in der CDU - beispielsweise in der Familienpolitik - wieder stärker zum Tragen kommen.

Steffen Flath im Gespräch mit Jürgen Liminski | 13.09.2010
    O-Ton Angela Merkel: Ich will noch einmal betonen, dass wir eine Partei mit drei Wurzeln sind, liberal, christlich-sozial und konservativ. Keine dieser Wurzeln ist für uns vernachlässigbar, sondern alle drei machen die Kraft der Volkspartei aus.

    Jürgen Liminski: Die Kraft der Volkspartei – die Bundeskanzlerin gestern vor der Presse. Für sie gibt es kein Problem mit dem Konservativen, das sei ein integrativer Bestandteil der CDU. Soll man daraus schließen, dass in der Union kein Richtungsstreit tobt, sondern ein Verdrängungsstreit, denn das Konservative findet nach Meinung anderer Politiker kaum mehr statt. Es sei in den letzten Jahren konsequent an den Rand der Partei und darüber hinaus gedrängt worden, sodass viele Konservative in der CDU keine politische Heimat mehr sehen und der Ruf nach einer neuen Heimat - etwa in Form einer neuen Partei - lauter werde. Das Wählerpotenzial sei da, sagen die Demoskopen, aber es fehlen die Köpfe und damit vielleicht auch die begriffliche Schärfe, denn was ist konservativ, was gehört dazu!

    Zu dieser Frage begrüße ich den Fraktionschef der CDU und früheren Kultusminister im Freistaat Sachsen, Steffen Flath. Guten Morgen nach Dresden.

    Steffen Flath: Guten Morgen aus Sachsen!

    Liminski: Herr Flath, Sie sind ein Konservativer. Vielleicht sogar der letzte Konservative in der Union?

    Flath: Nein, nein. Es gibt eine ganze Menge konservativ Denkende. Vielleicht geben es nicht alle nur zu in der Öffentlichkeit, vielleicht hat auch mancher nicht die Gelegenheit wie ich jetzt, im Radio zu sagen, jawohl, ich bin ein konservativ denkender Politiker.

    Liminski: Was ist denn für Sie konservativ? Was zählt ohne Zweifel dazu? Wie lässt sich eine konservative Haltung festmachen, an welchen Prinzipien?

    Flath: Das ist eine Haltung, da spielt sicherlich die Religion eine Rolle. Das ist aber auch eine Denkrichtung für mich, die prinzipiell auf Erfahrungen zurückgreift, und christliche Werte spielen eine Rolle. Es ist nicht etwa, wie immer wieder mal so gesagt wird, konservativ denkende Leute denken rückwärts. Nein, wir denken in die Zukunft, aber wir schauen, was hat sich bisher bewährt, und was sich bewährt hat, das sollten wir auch in die Zukunft mitnehmen, und was sich halt nicht so bewährt hat, dort gilt es, neue Antworten zu finden. Also im Großen und Ganzen, denke ich, vernünftig denkende Leute.

    Liminski: Was hat sich denn für die vernünftig denkenden Leute bewährt?

    Flath: Nehmen wir den Lebensschutz. Lebensschutz ist für mich etwas, wofür die CDU … Wer soll sich anders einsetzen, wenn nicht die CDU. – Lebensschutz: natürlich bestreitet ja niemand am Anfang des Lebens und am Schluss des Lebens. Natürlich gibt es einzelne Situationen, wo man vielleicht auch weich werden könnte in seinen Überzeugungen. Nur: Wo wollen wir dann hinkommen? Es hat sich bewährt, dass man in Lebensschutzfragen die Würde des Menschen, das Recht zu leben vorne an stellt, und das ist eine Sache, wo ich erwarte, dass die CDU deutlicher Flagge zeigt.

    Oder Familie! Familie wurde immer in der Geschichte, auch in der jüngsten Geschichte, nicht mehr so sehr hoch gewertet. Aber bewährt hat sie sich über die Jahrhunderte, Jahrtausende doch als ein Grundmodell des Zusammenlebens, und das sollte man doch in die Zukunft mitnehmen und nicht immer alles zerreden.

    Liminski: Nun kann man in der Familienpolitik der CDU – ich greife dieses Stichwort mal auf -, nicht der CSU übrigens, zentralstaatliche Tendenzen erkennen, und das dürfte Ihnen aus DDR-Zeiten vielleicht noch bekannt sein,. Auch werden die Leistungen der Mütter diskriminiert, die Institution der Ehe steht auch juristisch nicht mehr unter dem besonderen Schutz der Verfassung, all das mit dem bereitwilligen Kopfnicken der Union. Muss da etwas zurechtgerückt werden, oder gilt das Laisser-faire laissez aller der 68er?

    Flath: Also die 68er, da ist ja nun vieles schief gegangen und ich kenne nicht wenig 68er, die heute ein sehr, sehr bürgerliches Leben führen. Nur noch mal darauf zurückkommend: Familienpolitik, das tut mir schon sehr weh und dort, denke ich, muss tatsächlich etwas zurecht gerückt werden. Die Leistung von Müttern anzuerkennen, das erwarte ich von einer CDU. Gelegentlich kommt es bei der CSU noch deutlich zur Sprache. Ich kann doch nicht erst dann Leistungen anerkennen, wenn die Leistung eine Tagesmutter oder wenn die Leistung eine Erzieherin im Kindergarten oder in der Kinderkrippe erbringen. Ich finde, es steht jedem zu, der in der Familie einen Dienst leistet.

    Und die Staatsgläubigkeit – das wundert mich schon sehr. Das habe ich ja nun in der DDR viele, viele Jahre durchlebt. Staatsgläubigkeit hat noch nie die Probleme gelöst. Sie lösen die Probleme nur scheinbar. Und deshalb: in der Familienpolitik gibt es durchaus in der CDU Möglichkeiten, eine konservative Haltung wieder besser zur Geltung zu bringen.

    Liminski: In der CDU-Spitze in Berlin hat man Schwierigkeiten, konservative Positionen zu formulieren und Persönlichkeiten dafür zu finden. Der Generalsekretär der CDU sieht keinen Grund, die Richtung zu ändern. Muss eine Erneuerung des konservativen Flügels der CDU von den Ländern her kommen?

    Flath: Ich denke, dass in nächster Zeit die Länder wieder eine stärkere Rolle spielen. So wie einst die Länder ja im Grunde den Bund gegründet haben, so wäre auch mein Vorschlag, dass die CDU-Politiker in den Ländern wieder sich stärker bemerkbar machen. In wenigen Wochen gibt es einen Bundesparteitag, dort gibt es die Möglichkeit und werden auch einige aus den Ländern heraus kandidieren, und ich glaube, das wird insgesamt der Bundespartei, die doch mehr und mehr von Berlin geprägt ist, jetzt, denke ich, wieder gut tun und auf einen besseren Kurs führen.

    Liminski: Zum Stichwort "konservative Partei", Herr Flath. Das wabert ja im Moment durch den Blätterwald. Sie haben Erfahrung mit Parteien in Sachsen rechts von der CDU. Wie geht man damit um?

    Flath: Das ist genau meine Sorge, wenn die CDU … Eine Volkspartei muss immer ganz verschiedene Strömungen vertreten, aber natürlich auch nach außen. Mein Eindruck ist schon, dass wir da ein bisschen allzu viel Platz lassen. Kommen wir noch mal darauf zurück: Wenn dann zum Schluss nur noch die NPD Leistungen von Müttern in der Öffentlichkeit würdigt, dann ist das ein deutliches Zeichen, dass wir was verkehrt gemacht haben. Weil in Sachsen ist jetzt nicht die NPD jetzt im Landtag als eine kleine Fraktion das Problem, das verkraftet die Demokratie. Viel mehr Sorge macht mir das Stimmungsbild an Stammtischen, das Stimmungsbild in Gesprächen zum Beispiel im ländlichen Raum. Dort lassen wir zu viel Platz. Aber es liegt ja an uns Politikern, schließlich auch der konservativen Politiker, das wieder stärker auszufüllen.

    Liminski: Viele Konservative sind Nichtwähler. Wie kann man die wieder mobilisieren?

    Flath: Dass Konservative in aller Regel Nichtwähler sind, ist ja zunächst mal ein Hoffnungszeichen, weil sie sagen, ich kann dann niemand anderen, ich will auch nicht Protest wählen. Das ist ein deutliches Signal, dass man die auch zurückgewinnen kann, und ich halte es allemal für vernünftiger, zunächst mal Wähler, die ich verloren habe, versuchen, zurückzugewinnen, als zu glauben, das Heil liegt allein darin, neue Wähler zu gewinnen.

    Liminski: Der bayerische Ministerpräsident Seehofer hat in einem Zeitungsgespräch die Entstehung einer Partei rechts von der Union dauerhaft nicht ausgeschlossen. Er hält die Gefahr allerdings nicht für akut. Es gibt aber auch eine andere Variante. Strauß hatte vor 33 Jahren mit Kreuth versucht, das bürgerliche Lager zu sammeln, zu erweitern. Ist die Idee einer bundesweiten Ausweitung der CSU wieder aktuell, um eben diese Nichtwähler zu mobilisieren?

    Flath: Ja. Wenn ich da 33 Jahre zurückgehe, ich kann auch 20 Jahre zurückgehen. Wir haben ja in wenigen Tagen 20 Jahre deutsche Einheit. Auch damals gab es durchaus Überlegungen der CSU, in Sachsen oder in Thüringen tätig zu werden, und man hatte nur damals dann auf die DSU gesetzt wegen der DDR-Vergangenheit der CDU. Hätte das damals die CSU betrieben, ich würde es mal nicht ausschließen, dass eine CSU in Sachsen Chancen gehabt hätte. Aber das wird sicher in den nächsten Wochen auch wieder diskutiert. Mein Anliegen ist, die CDU auch im Erscheinungsbild, aber auch in der Politik wieder deutlicher auch konservativ in Erscheinung treten zu lassen, und da sehe ich meine Aufgabe. Und wenn die CDU da gelegentlich wieder zum Vorbild werden könnte, dann soll das nicht schaden.

    Liminski: Das Konservative hat seinen Platz in der CDU, sagt Steffen Flath, CDU-Fraktionsvorsitzender im sächsischen Landtag. Besten Dank für das Gespräch, Herr Flath.

    Flath: Bitte schön!